OGH 10ObS75/14y

OGH10ObS75/14y15.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Manfred Mögele (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. April 2014, GZ 7 Rs 45/14k‑58, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00075.14Y.0715.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit iSd § 273 Abs 1 ASVG eine Verweisung auf Tätigkeiten, die mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden wären, nicht zulässig. Dabei kommt es auf den sozialen Wert an, den die Ausbildung und die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit des Versicherten von Bedeutung waren, unter den Verhältnissen zur Zeit des Stichtages gehabt haben. Die Einstufung einer Tätigkeit in einem Kollektivvertrag kann ein Indiz für die Einschätzung des sozialen Wertes sein und kann daher zur Beurteilung des sozialen Abstiegs herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0084890 [T1 und T3] mwN ua).

2. Die Frage, in welche Beschäftigungsgruppe eines anwendbaren Kollektivvertrags die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit eines Versicherten einzureihen ist, ist eine Rechtsfrage, die anhand eines Vergleichs der ausgeübten Tätigkeit mit den Einstufungskriterien des Kollektivvertrags anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu lösen ist (10 ObS 103/08g ua; RIS‑Justiz RS0043547). Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Tätigkeit des Klägers als angestellter Geschäftsführer bzw Leiter einer internationalen Franchise‑Zentrale habe aufgrund des näher festgestellten Aufgabengebiets der Beschäftigungsgruppe 6 des Kollektivvertrags für Angestellte im Handel entsprochen, wurde in den Entscheidungen der Vorinstanzen nachvollziehbar begründet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei ohnehin um die nach dem erwähnten Kollektivvertrag höchstmögliche Einstufung für Angestellte mit umfassenden Kenntnissen und mehrjähriger praktischer Erfahrung, die eine leitende, das Unternehmen in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich entscheidend beeinflussende Stellung einnehmen, handelt. Die in diesem Zusammenhang durch die auch im Berufungsverfahren unterbliebene ergänzende Einvernahme des Klägers und eines Zeugen gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

3. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist die Verweisung eines Angestellten auf Tätigkeiten, die einer Beschäftigungsgruppe unmittelbar nachgeordnet ist, in der Regel zulässig. Geringere Entlohnung stellt für sich allein kein Kriterium für einen unzumutbaren sozialen Abstieg dar, ebenso wenig weniger Eigenverantwortung und die geringere Zahl der unterstellten Mitarbeiter. Maßgeblich ist die Art der ausgeübten Beschäftigung und nicht die vom Arbeitgeber vorgenommene Einstufung oder das bezahlte Gehalt (vgl RIS‑Justiz RS0085599).

4. Die Frage, auf welche Tätigkeiten ein Versicherter verwiesen werden darf, ist eine Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0043194). Die Frage, welche Voraussetzungen für die Ausübung eines bestimmten Berufs erforderlich sind und mit welchen Anforderungen dieser Beruf verbunden ist, stellt hingegen eine nicht revisible Tatfrage dar (10 ObS 173/13h mwN). Soweit daher der Revisionswerber unter Hinweis auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs die Ansicht vertritt, Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für die Angestellten im Handel seien regelmäßig in psychischer Hinsicht besonders belastend, weil sie mit Führungskompetenz, Konfliktmanagement, der Übernahme großer Verantwortung, Durchsetzungsfähigkeit und einer überdurchschnittlichen Stresstoleranz verbunden seien, sodass er aufgrund seines eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls die von den Vorinstanzen genannten Verweisungstätigkeiten eines Leiters des Personalwesens bzw eines Leiters einer Marketingabteilung (Marktforschung) nicht mehr verrichten könne, bekämpft er die gegenteilige Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung. Das Erstgericht hat aufgrund eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens die Anforderungen an einen Leiter des Personalwesens bzw der Marktforschung näher festgestellt. Demnach ist für die festgestellten Verweisungsberufe eine durchschnittliche geistige Anforderung und psychische Belastbarkeit ausreichend, wobei sich schwierige Führungsaufgaben nicht stellen und auch ein belastendes Umfeld wie beispielsweise beim medizinischen Dienst nicht gegeben ist. Der Revisionswerber bekämpft daher mit seinen Ausführungen im Ergebnis in unzulässiger Weise die Richtigkeit dieser von den Vorinstanzen getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (vgl RIS‑Justiz RS0043194).

5. Soweit der Revisionswerber weiters geltend macht, eine Verweisung auf die beiden genannten Tätigkeiten komme auch deshalb nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für Angestellte im Handel handle, ist ihm mit den Ausführungen des Berufungsgerichts entgegenzuhalten, dass in die Beschäftigungsgruppe 5 des genannten Kollektivvertrags unter anderem Angestellte mit Dispositions‑ und/oder Anweisungstätigkeiten, die schwierige Aufgaben selbständig und verantwortlich ausführen, fallen und als solche Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 5 im Büro und Rechnungswesen ausdrücklich die Tätigkeiten eines Leiters des Personalwesens sowie eines Leiters der Marketingabteilung angeführt sind. Es kann daher auch in dieser Frage keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts erblickt werden.

Die außerordentliche Revision des Klägers war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte