European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107831
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali B***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 23. Juni 2013 in W***** Christian J***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er ihm mit dem gestreckten Fuß einen Tritt gegen das Gesicht versetzte, wodurch dieser einen Mehrfachbruch der linken Gesichtshälfte im Sinne von Augenhöhlenbrüchen, Oberkieferbrüchen, eines Jochbeinbruchs sowie eine Glaskörpertrübung des linken Auges verbunden mit Ausfällen im Gesichtsfeld und eine Beschädigung des linken mittleren Gesichtsnervs erlitt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB), nämlich eine Asymmetrie der Augenhöhlen und einen ungleichen Augenstand, mithin eine auffallende Verunstaltung, nach sich zog.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Die Verfahrensrüge (Z 4) rekurriert auf einen aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung nicht ersichtlichen Antrag auf „Einholung eines (ergänzenden) unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens über die Art der Ursache der schweren Körperverletzung“. Dies mit der Behauptung, der erste Schlag sei jedenfalls in einer Notwehrsituation erfolgt, und dem gerade noch erkennbaren Ziel zu widerlegen, dass die Brüche vom Fußtritt verursacht wurden.
Eine Aufklärung (§ 285f StPO) dahingehend, ob der behauptete Protokollierungsfehler vorliegt oder nicht, kann schon deshalb unterbleiben, weil die begehrte Beweisaufnahme aufgrund der die Annahme einer Notwehrsituation bereits ab Beginn der Tätlichkeiten ausschließenden Feststellungen (US 4, 6, 8) keinen für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage bedeutsamen Umstand betrifft (RIS-Justiz RS0118444). Das Gericht ist nicht gehalten, Beweise aufzunehmen, deren Erheblichkeit die entgegengesetzte Würdigung der vorliegenden Beweise zur Voraussetzung hätte (RIS‑Justiz RS0099721).
Im Übrigen war zur Widerlegung der Behauptung, dass die (vom Sachverständigen objektivierten) über die linke Gesichtshälfte verteilten Brüche von einem einzigen Faustschlag verursacht wurden, kein besonderes Fachwissen erforderlich. Der in diesem Zusammenhang auf US 5 festgestellte (als notorisch geltende) Umstand bedurfte somit keiner Begründung (RIS-Justiz RS0098698).
Mit dem im Rahmen der Verfahrensrüge (inhaltlich Z 5 vierter Fall) erhobenen Einwand, es sei allgemein bekannt, dass auch Faustschläge zu massiven Verletzungen führen können, zeigt der Rechtsmittelwerber keinen Begründungsmangel auf.
Entgegen der Undeutlichkeit der Feststellungen zur Frage der Notwehr monierenden Mängelrüge (Z 5 erster Fall) ging das sowohl eine Notwehrsituation, eine Notwehrhandlung als auch einen Verteidigungswillen verneinende Erstgericht unmissverständlich davon aus, dass zu dem Zeitpunkt, als der in Rage geratene Angeklagte auf den betrunkenen „Stänkerer“ einzuschlagen begann, keine Intensivierung der Rechtsgutsbeeinträchtigung mehr drohte, also der rechtswidrige Angriff auf den Beschwerdeführer, der Christian J***** lediglich aus Zorn zu Fall bringen wollte, bereits abgeschlossen war (vgl Lewisch in WK2 StGB § 3 Rz 75, 77; US 4, 6, 8). Entgegen der Beschwerde kann somit auch dahinstehen, ob die schweren Verletzungen allein durch den Faustschlag oder (wie vom Erstgericht angenommen, US 5) erst durch den äußerst heftigen Tritt in das Gesicht des wehrlos am Boden Liegenden verursacht wurden.
Mit der ein Handeln aus Furcht vor weiteren Angriffen behauptenden Einlassung des Angeklagten und den entsprechenden Depositionen der Zeugin Larissa M***** hat sich der Schöffensenat eingehend auseinandergesetzt (US 6 f; Z 5 zweiter Fall).
Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) die aus der Videoaufzeichnung gezogenen Schlüsse des Erstgerichts kritisiert, bekämpft sie lediglich die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.
Mit dem im Rahmen der Mängelrüge erhobenen Einwand, solange rechtfertigende Notwehr vorliege, sei Bestürzung, Furcht oder Schrecken nicht erforderlich und der Behauptung des Vorliegens von Putativnotwehr, wird der Beschwerdeführer auf die Erledigung der Rechts- und Subsumtionsrüge verwiesen.
Durch die Bezugnahme auf das Vorbringen der Mängelrüge und mit rechtlichen Einwänden wird die Tatsachenrüge (Z 5a) ebenso wenig prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0115902) wie durch die Kritik an der Art der Befragung des Angeklagten und Überlegungen dazu, weshalb der Angeklagte so explosiv reagiert habe.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat den Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).
Soweit die Rechts‑ und die Subsumtionsrüge (Z 9 lit b, Z 10) anhand eigenständiger beweiswürdigender Erwägungen (vor allem zur subjektiven Tatseite) ohne Bezugnahme auf den festgestellten Sachverhalt Notwehr und Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt bzw Putativnotwehr behaupten, wird sie den Anfechtungskriterien nicht gerecht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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