OGH 5Ob217/13t

OGH5Ob217/13t30.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A***** W*****, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Mag. G***** K*****, und 2.) S***** M*****, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert 20.000 EUR), aus Anlass der „ordentlichen“ Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Juli 2013, GZ 16 R 81/13v‑36, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Jänner 2013, GZ 54 Cg 70/12d‑32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00217.13T.0630.000

 

Spruch:

Die Akten werden an das Berufungsgericht zurückgestellt.

Begründung

Der Kläger und die Beklagten sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 447 *****.

Der Kläger erhob mehrere Unterlassungs‑ und ein Wiederherstellungsbegehren:

So sollten (zu 1.) beide Beklagten verpflichtet werden, es zu unterlassen, „die Wohnungseigentumsobjekte W 1, W 2, W 17, W 18 und W 19 zu anderen als zu Wohnzwecken und das Geschäftslokal 3 zu anderen als zu Geschäftsraumzwecken, insbesondere zum Zweck eines Beherbergungsbetriebes zu nutzen oder nutzen zu lassen“. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. 3. 2012 schränkte er seine Begehren zu 1.) um die Wohnungseigentumsobjekte W 1 und W 19 ein (ON 19).

Der Kläger warf dem Erstbeklagten vor, dieser betreibe als Alleingeschäftsführer und -gesellschafter die K***** B***** GmbH und nutze die Wohnungseigentumsobjekte im Rahmen dieses Beherbergungsbetriebs; der Zweitbeklagte dulde und unterstütze die widmungswidrige Nutzung (ON 1).

Vom Erstbeklagten begehrte der Kläger überdies (zu 2.) die Unterlassung des Eingriffs in die Bausubstanz des Hauses durch Öffnung oder Durchbrechung zur Nachbarliegenschaft *****, und (zu 3.) die Wiederherstellung des ursprünglichen konsensmäßigen Zustands der Mauer im Kellergeschoss.

Die Unterlassungsbegehren wegen der widmungswidrigen Nutzung und die allein gegen den Erstbeklagten gerichteten Begehren (zu 2. und 3.) bewertete der Kläger mit jeweils 10.000 EUR; insgesamt sohin den Streitwert mit 20.000 EUR.

Das sämtlichen Begehren stattgebende Urteil des Erstgerichts wurde vom Berufungsgericht bestätigt, wobei das Berufungsgericht aussprach, dass der Wert des Streitgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Über Abänderungsantrag (§ 508 ZPO) der Beklagten sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei weil das Berufungsgericht zur Frage, ob eine genehmigungspflichtige Widmungsänderung vorliege, allenfalls von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei.

Nach Einlangen der vom Berufungsgericht freigestellten Revisionsbeantwortung des Klägers wurden die Akten dem Obersten Gerichtshof vorgelegt, dessen funktionelle Zuständigkeit jedoch derzeit (noch) nicht vorliegt, sodass der Akt an das Berufungsgericht zur Präzisierung seines Bewertungsausspruchs zurückzustellen war. Dies aus folgenden Erwägungen:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat nur eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands insgesamt vorgenommen, ohne die mit Klagehäufung geltend gemachten Ansprüche einzeln zu bewerten. Eine solche Vorgangsweise wäre nur dann zutreffend, wenn die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ‑ für die der Kläger den Rechtsgrund der Eigentumsfreiheit (§ 523 ABGB) in Anspruch nimmt ‑ in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 Z 1 JN stünden. Das ist jedoch nicht der Fall:

Im vorliegenden Fall liegen sowohl eine subjektive wie eine objektive Klagenhäufung vor.

Die vom Kläger gegenüber verschiedenen Beklagten und verschiedene Wohnungseigentumsobjekte betreffenden Störungshandlungen teilen nicht notwendigerweise das gleiche Schicksal (vgl dazu RIS-Justiz RS0037899, insbesondere [T2]).

Erst‑ und Zweitbeklagter sind keine formellen Streitgenossen im Sinne des § 11 ZPO.

Der Erstbeklagte ist Wohnungseigentümer unter anderem der Top 2; der Zweitbeklagte unter anderem der Top 3, 17 und 18.

Ein „gleicher tatsächlicher Grund“ liegt überall dort vor, wo für alle Streitgenossen ein einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt gegeben ist. Wo für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten, ist (auch) keine materielle Streitgenossenschaft gegeben (Schubert in Fasching/Konecny², II/1 § 11 ZPO Rz 10).

Nach der Rechtsprechung stehen mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 Z 1 JN (RIS‑Justiz RS0110012; 6 Ob 79/98f; 3 Ob 132/09x; ebenso zur actio confessoria 3 Ob 276/08x).

Da beim Zweitbeklagten, dem Eigentümer von Top 3, 17 und 18, der Vorwurf des Klägers darin besteht, dass dieser die Nutzung der ihm gehörenden Objekte im Rahmen eines Beherbergungsbetriebs dulde, setzt dies voraus, dass der Zweitbeklagte davon wusste und dies zustimmend zur Kenntnis nahm, ohne einzuschreiten. Damit sind für seine Haftung andere Sachverhaltselemente notwendig als beim Erstbeklagten, dem Eigentümer von Top 2, dem vorgeworfen wird, er führe den Beherbergungsbetrieb über seine GmbH. Top 2 steht jedenfalls in keinem Zusammenhang mit dem Zweitbeklagten. Für letzteren ist auch zu berücksichtigen, dass das Begehren auf Unterlassung des Eingriffs in die Bausubstanz dieses Hauses und das Wiederherstellbegehren allein den Erstbeklagten betreffen.

Das Berufungsgericht hat sich bei Begründung seines Bewertungsausspruchs an der „unbedenklichen“ (Pauschal‑)Bewertung des Klägers orientiert. Es hat aber bei seinem Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO nicht die hier notwendige getrennte Bewertung vorgenommen.

Das Berufungsgericht wird daher im Sinne der vorstehenden Ausführungen eine Bewertung jedes einzelnen Entscheidungsgegenstands vorzunehmen haben. Sollte sich hiebei ergeben, dass hinsichtlich keines (oder bloß einzelner) der Begehren ein Wert des Entscheidungsgegenstands von über 5.000 EUR gegeben ist, wäre die Revision der Beklagten ungeachtet des nachträglichen Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

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