OGH 2Ob28/14b

OGH2Ob28/14b22.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerald S*, vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei Simon L*, vertreten durch Dr. Peter Böck, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen 34.860,66 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. November 2013, GZ 16 R 156/13y‑12, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 15. Mai 2013, GZ 27 Cg 17/13p‑8, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:E107840

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt Schadenersatz mit der Begründung, der Beklagte, sein ehemaliger Schwiegervater, habe es sich seit der Krise der Ehe mit der Tochter des Beklagten zur Gewohnheit gemacht, den Kläger zu beleidigen, zu belästigen und ihm nachzustellen. Er habe einen Brief an den Vater des Klägers geschrieben, in dem er sich „für immer verabschieden“ wollte. Am 19. 11. 2012 habe der Kläger ein anonymes Droh‑SMS erhalten, dass dann, wenn der Kläger seine Einstellung gegenüber seinen Mitmenschen nicht ändere, der Absender sich gezwungen sehe, die Welt von so einem Ungeheuer zu befreien. Er gebe ihm noch ein bisschen Zeit, sich positiv zu ändern; sollte er die Warnung ignorieren, habe er die Pistolenkugel für ihn hergerichtet.

Als Absender habe der Beklagte ausgeforscht werden können. Der Kläger habe aufgrund der Drohung Angst um sein Leben gehabt und daher Personenschutz mittels einer professionellen Personenschutzagentur und Detektei in der Zeit vom 23. 11. 2012 bis 30. 11. 2012 beigezogen. Dabei seien die eingeklagten Kosten von 34.860,66 EUR entstanden.

Dem angeschlossenen Strafakt ist zu entnehmen, dass der Beklagte in diesem Zusammenhang am 26. 2. 2013 wegen schwerer Nötigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Dem Kläger wurden als Privatbeteiligten 200 EUR, insb für die Beiziehung von Sicherheitspersonal, zugesprochen.

Dem Beklagten wurde auf Antrag des Klägers vom 18. 12. 2012 mit einstweiliger Verfügung vom 23. 1. 2013 der Aufenthalt auf den Liegenschaften des Klägers und im Umkreis von 100 m um sie herum ebenso wie die Kontaktaufnahme mit dem Kläger für die Dauer von 12 Monaten verboten. Die Sicherheitsbehörden wurden beauftragt, auf Ersuchen des Klägers den der einstweiligen Verfügung entsprechenden Zustand erforderlichenfalls durch unmittelbare Befehls‑ und Zwangsgewalt herzustellen.

Der Beklagte verwies darauf, dass die Kosten des Personenschutzes im Strafverfahren mit 200 EUR für die Dauer eines einstündigen persönlichen Gesprächs zwischen den Streitteilen festgelegt worden seien. Darüber hinausgehender Personenschutz sei nicht notwendig gewesen. Personenschutz sei Sache der Exekutive. Im Übrigen handle es sich im Hinblick auf den Zuspruch im Strafverfahren um eine entschiedene Sache, weil der Kläger nicht auf den Rechtsweg verwiesen worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach Aufnahme lediglich des Urkundenbeweises ab. Der Geschädigte könne grundsätzlich nicht den Ersatz vorsorglicher Maßnahmen begehren. Beim Droh‑SMS habe es sich lediglich um eine potentielle Bedrohung, nicht um eine aktuelle Störung eines geschützten Rechtsguts gehandelt. Der Einsatz des Detektivs habe daher nicht zur Abwehr eines konkreten, unmittelbar bevorstehenden Schadensereignisses gedient. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, dass sich der Beklagte den Liegenschaften des Klägers nach dem Droh‑SMS in irgendeiner Weise genähert hätte oder seine Drohung wiederholt hätte.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in 10 Ob 342/97k einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einer gefährlichen Drohung und Sicherungsmaßnahmen, wie dem Einbau einer Alarmanlage und eines Balkenschlosses sowie der Anmeldung einer geheimen Telefonnummer, verneint, dies sei aber in der Lehre auf Kritik gestoßen, die das Berufungsgericht teile. Aufwendungen für die Abwehr eines drohenden Eingriffs seien entsprechend den für Unterlassungsklagen entwickelten Kriterien ersatzfähig. Bei absolut geschützten Rechtsgütern sei die bloße Gefährdung ausreichend, wenn ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis des Bedrohten bestehe, weil ein Abwarten einer Rechtsverletzung zu einer nicht wiedergutzumachenden Schädigung führen würde. Angesichts der vom Kläger behaupteten Eskalation der Feindseligkeiten sei ein solches dringendes Rechtsschutzbedürfnis im vorliegenden Fall anzuerkennen und daher der Ersatzanspruch des Klägers nicht von vornherein zu verneinen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde zugelassen, weil das Berufungsgericht von der Entscheidung 10 Ob 342/97k abgewichen sei.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, den Rekurs des Beklagten zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Rekursvorbringen:

Der Beklagte verweist auf das bereits vom Berufungsgericht angesprochene Abweichen der zweitinstanzlichen Entscheidung von 10 Ob 342/97k, der ebenfalls eine gefährliche Drohung zugrunde gelegen sei. Die Maßnahmen des Klägers hätten nicht der Abwehr eines konkret unmittelbar bevorstehenden Schadensereignisses gedient. Der Beklagte habe sich der Wohnung des Klägers nicht genähert und auch seine Drohung nicht wiederholt. Eine Drohung sei auch noch keine konkret drohende Schädigung.

2. Judikatur:

In der Judikatur des Obersten Gerichtshofs sind  ‑ soweit überblickbar ‑ Entscheidungen über vorsorgliche Kosten der Schadensabwehr selten.

2.1. In Arbeitsrechtssachen wurde ausgesprochen, dass Detektivkosten im Zusammenhang mit vertrags‑ und treuwidrigen Handlungen von Arbeitnehmern in Anlehnung an die Judikatur über die Detektivkosten bei ehewidrigen Beziehungen einem Arbeitgeber dann zustehen können, wenn der Arbeitnehmer zunächst ausreichende Anhaltspunkte für ein vertragswidriges, den Interessen des Arbeitgebers zuwiderlaufendes Verhalten gegeben habe, die den Arbeitgeber veranlassten, sich durch geeignete Nachforschungen noch weitere Klarheit zu verschaffen (9 ObA 129/05v mwN).

2.2. In 3 Ob 2273/96b wurde im Zusammenhang mit einer Körperverletzung als Reaktion auf eine gefährliche Drohung die Kausalität und Adäquanz in Bezug auf eingeklagten Verdienstentgang deshalb bejaht, weil es nicht als ganz außergewöhnlich anzusehen sei, dass der Beklagte auf das Drohverhalten des Klägers mit einer Verletzung des Klägers reagiere, und deshalb entlassen werde. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger den Eintritt dieses Schadens vorhergesehen habe oder vorhersehen habe können. Daneben müsse allerdings auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben sein, der im konkreten Fall verneint wurde. Wenngleich der Schutzzweck der Norm des § 107 StGB nicht bloß die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, sondern auch den Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen umfasse, sei ebenso eindeutig, dass der Schutzzweck der Norm nicht auch die Verhinderung von Schäden einschließe, die aus der völlig unangemessenen Reaktion desjenigen, der beschimpft und bedroht worden sei, entstünden.

2.3. Insbesondere hat der Oberste Gerichtshof in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 Ob 342/97k in Zusammenhang mit einer telefonischen Todesdrohung, für die der Täter nach § 107 Abs 1 StGB verurteilt worden war, die Haftung des Täters für Investitionen zum Schutz der Wohnung (Alarmanlage, Balkenschloss, Geheimnummer) verneint. Zwar sei ein aus einer solchen Tat entstehender, im Anschlussverfahren verfolgbarer vermögensrechtlicher Schaden des Bedrohten keineswegs ausgeschlossen. Die vom Kläger konkret aufgewendeten Maßnahmen hätten aber nicht dazu gedient, einen durch die strafbare Handlung eingetretenen vermögensrechtlichen Schaden zu beseitigen, sondern bezweckt, allenfalls in der Zukunft liegende Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das Vermögen des Klägers zu erschweren oder zu verhindern. Nach allgemein schadenersatzrechtlichen Grundsätzen habe der Ersatzpflichtige auch Aufwendungen zu ersetzen, die zur Minderung oder Beseitigung des Schadens erforderlich seien oder die der Ersatzberechtigte für erforderlich halten habe dürfen. Grundsätzlich müsse aber der Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und dem eingetretenen Erfolg vorliegen, was in Fällen problematisch sei, in denen vor dem rechtswidrigen Verhalten vom späteren Geschädigten Aufwendungen vorgenommen würden, die den Zweck hätten, allfällige Schädigungen abzuwehren, etwa bei der Einstellung eines Nachtwächters oder Detektivs, bei Anbringung einer Alarmanlage oder einer Fernsehkamera. Der Ersatz solcher Aufwendungen komme nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen mangels Kausalzusammenhangs zwischen schädigender Tat und diesen Aufwendungen nicht in Betracht. Eine potentielle Bedrohung, die nicht schon als aktuelle Störung eines geschützten Rechtsguts verstanden werden könne, reiche nicht aus, um einen haftungsrechtlichen Anspruch auf Gefahrenbeseitigung oder Erstattung von Beseitigungskosten zu begründen. Es sei nicht festgestellt worden, ob sich der Beklagte der Wohnung des Klägers überhaupt in irgendeiner Weise genähert hätte oder die telefonische Bedrohung wiederholt hätte.

3. Österreichische Literatur:

3.1. Bereits in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts beschäftigte sich Welser, Zur Ersetzbarkeit von Detektivkosten beim Warenhausdiebstahl, ÖJZ 1977, 645 ff, mit der Ersatzfähigkeit von Kosten für Vorsorgemaßnahmen. Unter Heranziehung der deutschen Literatur und Judikatur bejahte er die Kausalität ebenso wie die Adäquanz bei der sogenannten „Fangprämie“ (auszahlbar nach Aufgreifung eines Ladendiebes). Auch die Ersetzbarkeit von Detektivkosten als Folgekosten bejahte Welser in Bezug auf die vom konkreten Täter verursachten Kosten der Verfolgung unter Hinweis auf die Judikatur zu den Verfolgungskosten von Ehestörern und Ehebrechern. In Bezug auf die Schadenshöhe sei § 273 ZPO anzuwenden. Bei den Detektivkosten biete sich der vom Warenhaus zu zahlende Stundensatz als Richtlinie für eine Pauschalierung an.

3.2. Nach Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht3 Band I Rz 3/18f ist der Kausalzusammenhang für Aufwendungen des Geschädigten nach Setzung der schädigenden Handlung deshalb, um die Schadenshöhe möglichst gering zu halten oder den drohenden Schadenseintritt zu verhindern, ebenso zu bejahen wie auch dann, wenn eine schuldhafte Gefährdung zu einer Abwehrmaßnahme des Bedrohten führe. Dagegen seien Fälle problematisch, in denen vor dem rechtswidrigen Verhalten vom späteren Geschädigten Aufwendungen vorgenommen würden mit dem Zweck, allfällige Schädigungen abzuwehren, wie etwa die Einstellung eines Nachtwächters oder Detektivs oder der Einbau von Alarmanlagen und Fernsehkameras. Die Frage sei vor allem im Zusammenhang mit Ladendiebstählen erörtert worden. Hier sei der Ersatz zu verneinen, weil der Täter die konkreten Abwehrmaßnahmen nicht verursacht habe, die schon vor seinem Schädigungsversuch und daher unabhängig von diesen getätigt worden seien.

3.3. Thiele, Ersatz von Detektivkosten, RdW 1999/12 geht davon aus, dass in Fällen, in denen der Geschädigte vor dem rechtswidrigen Verhalten des Schädigers Aufwendungen tätige, die den Zweck hätten, allfällige Schädigungen abzuwehren, ein Ersatz mangels Verursachung zu verneinen sei.

3.4. Harrer in Schwimann, ABGB3, Vor § 1293 ABGB Rz 40 f verweist auf die herrschende Ansicht, wonach Vorsorgemaßnahmen, die Rechtsverletzungen im Allgemeinen entgegenwirken sollen, nicht ersatzfähig seien. Anders sei die Rechtslage zu beurteilen, wenn sich die Maßnahmen gegen einen konkreten Täter richteten. Derartige Verfolgungskosten seien erstattungsfähig. Weiters kritisiert er die Entscheidung 10 Ob 342/97k = JBl 1999, 49, weil die Aufwendungen für die Abwehr eines drohenden, möglicherweise unmittelbar bevorstehenden Eingriffs in ein geschütztes Rechtsgut gedient hätten. Die Differenzierung zwischen erstattungsfähigen und nicht erstattungsfähigen Vorsorgemaßnahmen könne an jene Kriterien anknüpfen, die für die Unterlassungsklage entwickelt worden seien.

3.5. Nach Reischauer in Rummel 3 § 1325 Rz 2 resultiert aus der Existenz des absoluten Rechtsguts der körperlichen Integrität auch die Pflicht, sich diesem gegenüber sorgfältig zu verhalten, vor allem, es nicht sorgfaltswidrig zu gefährden. Entstünden ohne Körperverletzung aus der Gefährdung Folgeschäden, die im sachlichen Zusammenhang mit der körperlichen Integrität stünden, seien sie nach den allgemeinen Bestimmungen zu ersetzen, wenn sie vom Normzweck jener Gesetze erfasst seien, die Haftungsvoraussetzungen bei Körperverletzung bildeten. Die Gefährdung des absoluten Rechtsguts der körperlichen Integrität könne auch Vorsorgemaßnahmen erforderlich machen. Solche Aufwendungen zur Abwehr eines Schadenseintritts seien ersatzfähig, wenn sie der Gefährdete nach der Lage der Dinge für erforderlich halten dürfe. Wo ein Rechtsgut nicht gefährdet werden dürfe, bestehe ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch. Sei die Gefährdung vorwerfbar, so sei der im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehende Schaden zu ersetzen. Im Fall von JBl 1999, 49 wären deshalb die Vorsorgekosten zu ersetzen gewesen.

3.6. Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON, § 1293 Rz 14 verweist darauf, dass Vorsorgeaufwendungen in der Regel nicht ersatzfähig sind, anders wohl bei unmittelbar bevorstehendem Eingriff. Nach 10 Ob 342/97k stünden allerdings Aufwendungen zur Sicherung einer Wohnung (Alarmanlage, Sicherheitsschloss) in keinem adäquaten Kausalzusammenhang mit einer gefährlichen Drohung.

3.7. Mit der Entscheidung 10 Ob 342/97k = JBl 1999, 49 hat sich besonders eingehend Apathy in einer Glosse auseinandergesetzt. Er hält ihr entgegen, dass dann, wenn man die Drohung im konkreten Fall wegdenke, der Kläger auch keine Aufwendungen getätigt hätte. Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie sei daher zweifelsfrei zu bejahen. Auch an der Adäquanz mangle es nicht. Werde jemand bedroht, müsse man vernünftigerweise damit rechnen, dass er sich angemessen schützen werde. In Wahrheit gehe es um ein Problem des sachlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs. Insbesondere bei Aufwendungen vor dem Schadensereignis fehle es in der Regel an der Verursachung. Wenn der Oberste Gerichtshof im konkreten Fall den Ersatz verweigere, verstehe er offenbar die Aufwendung des Bedrohten nicht als Folge des bereits verwirklichten rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Beklagten, sondern vielmehr als Aufwendungen vor einem potentiellen künftigen rechtswidrigen Verhalten. Dagegen sei in Deutschland anerkannt, dass die Ersatzpflicht auch Aufwendungen erfasse, die der Geschädigte zur Abwehr des Schadenseintritts mache, den er nach Lage der Dinge erforderlich halten dürfe, sofern die Aufwendungen im Hinblick auf eine ganz konkret drohende Schädigung erfolgten. Zur Abgrenzung ersatzfähiger Aufwendungen der Schadensabwendung von nicht ersatzfähigen der allgemeinen Schadensverhütung könne man sich an den Kriterien der Unterlassungsklage orientieren. Liege eine so konkrete Gefährdung vor, dass ein Unterlassungsanspruch bestehe, dürfe der Gefährdete auf Kosten des Angreifers Aufwendungen zur Schadensverhütung machen. Dass durch die strafgerichtliche Verurteilung die bereits vollbrachte Drohung „erledigt“ wäre, lasse sich nicht vertreten, wenn nicht auch die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch weggefallen seien.

4. Deutsche Literatur:

4.1. Auch in der deutschen Lehre werden Aufwendungen zur Schadensabwehr dann nicht als ersatzfähig erachtet, wenn kein konkretes Schadensereignis droht (Oetker in MünchKomm, Band II, § 249 BGB Rz 200 unter Bezugnahme auf BGH‑Entscheidungen). Die für die Ersatzfähigkeit erforderliche Kausalität sei aber dann zu bejahen, wenn im Hinblick auf ein konkret bevorstehendes Schadensereignis Maßnahmen zur Abwehr des Schadens ergriffen würden.

Die Ersatzpflicht umfasse auch Aufwendungen, die der Geschädigte zur Abwendung des Schadenseintritts oder zum Geringhalten des Schadens gemacht habe und die er nach Lage der Dinge für erforderlich halten habe dürfen. Wenn er einen Hinweis darauf erhalte, dass bei ihm eingebrochen werden solle, und er daraufhin Wachpersonal hinzuziehe, könne er vom Einbrecher den dafür aufgewandten Kostenersatz verlangen, ohne dass es darauf ankomme, ob dieser vor oder nach der Begehung der Tat festgenommen worden sei. Erforderlich sei jedoch, dass die Aufwendungen im Hinblick auf eine konkret drohende Schädigung gemacht worden seien. Die Abgrenzung von allgemeinen Schadensverhütungsmaßnahmen sei nach denselben Kriterien wie bei der Unterlassungsklage vorzunehmen. Jedenfalls dann, wenn eine so konkrete Gefahr vorliege, dass ein Unterlassungsanspruch bestehe, dürfe der Gefährdete auf Kosten des Angreifers Aufwendungen zur Schadensverhütung machen (Rz 178).

4.2. Schiemann in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bearbeitung 1998, § 249 BGB, Rz 115 f, 121, hält Vorsorgekosten zur Schadensabwehr im Allgemeinen für nicht entschädigbar. Selbst bei Einbau einer Sicherheitstür gegen die Wiederholung einer Störung aus einem nahen Chemiewerk habe der BGH die Kosten der eigenen Vorsorgesphäre des Geschädigten zugewiesen. Anders entscheide die Rechtsprechung teilweise für Aufwendungen, die sich gegen den Schädiger richteten, nämlich seiner Feststellung und Ergreifung dienten. Die Fangprämie zumindest sei erst durch den Schadensfall fällig geworden und ersatzfähig.

4.3. In ähnlicher Weise hält Schubert in Bamberger/Roth, Komm zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, § 249 BGB Rz 105 f, Bearbeitungskosten grundsätzlich für nicht ersatzfähig, die Fangprämie hingegen schon.

4.4. Lange/Schiemann, Schadenersatz3, 295 ff, führen zu Vorsorgeaufwendungen für Überwachungsmaßnahmen [298 f] aus, dass eine Ersatzpflicht für die Kosten der in Warenhäusern üblichen Kontrollmaßnahmen nicht in Frage komme, anders aber dann zu entscheiden sei, wenn Schutzmaßnahmen durch einen bevorstehenden und späterhin eintretenden konkreten Schadenstatbestand ausgelöst würden, also wenn zum Beispiel der Ersatzberechtigte von dritter Seite auf einen drohenden Einbruch hingewiesen werden und Vorsorge für die Verhütung bzw Aufdeckung der Straftat treffe. Drohe nach einer Schädigung deren Wiederholung und treffe der Geschädigte deshalb aufgrund des ersten Schadensfalls Abwehrmaßnahmen, könnten diese hingegen nach BGH NJW 1992, 1043 nicht als Schadensfolge angesehen werden.

4.5. Stoll, in FS Lange 729, Haftungsrechtlicher Schutz gegen drohendes Unrecht, hat bereits 1992 darauf verwiesen, dass das Recht des Bedrohten auf Abnahme der Kosten einer vorbeugenden Unrechtsabwehr nur eine besondere Ausprägung der haftungsrechtlichen Regelung sei, wonach die Ersatzpflicht des Schädigers die Erstattung angemessener Aufwendungen umfasse, die der Geschädigte für die Feststellung, Abwendung oder Minderung des Schadens gemacht habe. Zwischen Schadensabwehr nach Eintritt des Schadensereignisses und der vorbeugenden Abwehr bestehe kein prinzipieller Unterschied, sofern die abgewehrte Rechtsgutverletzung wegen der unmittelbaren Bedrohung des Berechtigten bereits einer Rechtsstörung gleichkomme [732]. Das Recht auf Aufwendungsersatz sei in den in Betracht kommenden Fällen eine Folge der haftungsrechtlichen Verantwortung des Schädigers für unmittelbar bevorstehende und schon eingetretene Schadensereignisse. Es bedürfe der Bewertung, ob die von dem Betroffenen getroffene Entscheidung über die Aufwendung nach den gesamten Umständen als sachgerecht angesehen werden durfte. Dem Täter seien die Aufwendungen des Betroffenen nur im Rahmen des Angemessenen zu ersetzen, was nicht nur für die Art der Aufwendung, sondern auch für den Umfang der Erstattung gelte.

5. Zusammenfassung und Fallbeurteilung:

5.1. Diese Ausführungen in Judikatur und Lehre lassen sich im Wesentlichen dahin zusammenfassen, dass die Ersatzfähigkeit von Abwehrmaßnahmen abgelehnt wird, wenn diese Ausdruck einer allgemeinen Gefahrenabwehr sind, die mit keinem konkreten haftungsrechtlich zurechenbaren Verhalten im Zusammenhang stehen. Hingegen wird ein Ersatzanspruch für möglich gehalten, wenn die Aufwendungen wegen einer konkret drohenden Schädigung erfolgen.

5.2. Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass eine rechtswidrige Handlung in Form einer Drohung mit dem Tod bereits gesetzt wurde, nicht dagegen aber ein Verhalten, das in Richtung einer tatsächlichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Klägers bzw seines Lebens gerichtet gewesen wäre.

5.3. Mit Apathy ist davon auszugehen, dass Kausalität der Drohung insofern vorliegen kann, als ‑ denkt man sich die gefährliche Drohung weg ‑ auch die Aufwendungen des Klägers zum Schutz vor Eintritt der angedrohten Gefahr nicht getätigt worden wären.

5.4. Auch ist die Ergreifung von Abwehrmaßnahmen im Hinblick auf die hier behauptete konkrete Drohung keine vollkommen unvorhersehbare Folge eines Drohverhaltens und daher auch deren Adäquanz grundsätzlich zu bejahen.

5.5. Damit stellt sich die Frage nach dem Schutzzweck der Norm:

Dass der Strafgesetzgeber nicht nur die tatsächliche Beeinträchtigung der körperlichen Integrität und des Lebens für strafwürdig ansieht, sondern bereits die Drohung mit einer derartigen Beeinträchtigung, zeigt, dass nicht nur die körperliche Integrität als absolutes Rechtsgut geschützt werden soll, sondern auch die psychische Gewissheit einer Person, ohne die Gefahr einer vorsätzlichen Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter zu leben.

Hier hat der Kläger umfassende und monatelang wiederholte Beschimpfungen, Beeinträchtigungen und Nachstellungen seitens des Beklagten behauptet, die letztlich in einem Droh‑SMS gegipfelt haben sollen, in dem nicht nur mit dem Tod gedroht, sondern auch eine konkrete Begehungsweise angeführt wurde. Dazu kommt, dass zumindest nach dem verlesenen Strafakt der Beklagte im legalen Besitz einer Schusswaffe war.

Vom Rechtswidrigkeitszusammenhang einer derartigen Drohung könnten dann aber auch ‑ umfänglich und der Höhe nach angemessene ‑ Kosten für Abwehrmaßnahmen umfasst sein.

Soweit die Entscheidung 10 Ob 342/97k auf einem anderen Verständnis beruhen sollte, könnte ihr nicht gefolgt werden.

Der erkennende Senat ist daher der Ansicht, dass die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der vom Kläger geltend gemachten Abwehrkosten als Folgekosten der bereits stattgefundenen Drohung (bzw schweren Nötigung) und damit verbundenen Rechtsgutverletzung nicht von vornherein verneint werden kann, weshalb es bei der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichts zu verbleiben hat.

6. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht insbesondere zu klären haben, ob die behaupteten Aufwendungen des Klägers tatsächlich Reaktion auf Drohungen des Beklagten waren, wenn ja, inwieweit diese Aufwendungen ihrer Art nach unbedingt notwendig bzw in ihrem Umfang und ihrer Höhe angemessen waren.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Kläger entgegen der Behauptung des Beklagten vom Strafgericht „mit seinen übrigen Ansprüchen“ auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde. Von einer „entschiedenen Sache“ kann daher keine Rede sein.

7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Stichworte