OGH 4Ob82/14h

OGH4Ob82/14h20.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** L*****, vertreten durch Pepelnik & Karl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und 1.600 EUR sA (Streitwert im Provisorialverfahren 20.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Februar 2014, GZ 30 R 8/15p‑13, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 9. Jänner 2014, GZ 19 Cg 121/13k‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte ein Video über einen Polizeieinsatz hergestellt und auf das Internet-Videoportal „YouTube“ hochgeladen. Die Beklagte ist Medieninhaberin einer Tageszeitung. Sie veröffentlichte einen Artikel über den Polizeieinsatz und illustrierte ihn mit vier Standbildern, die sie dem hochgeladenen Video entnommen hatte.

Die Nutzungsbedingungen der YouTube LLC, die von den Nutzern der Videoplattform akzeptiert werden, lauten auszugsweise wie folgt:

„5. Allgemeine Nutzungsbeschränkungen

5.1. YouTube gestattet Ihnen hiermit unter Maßgabe der nachfolgenden ausdrücklichen Bedingungen, auf die Dienste zuzugreifen und diese zu nutzen. Sie erklären sich damit einverstanden, dass jede Abweichung von diesen Bedingungen eine Verletzung dieser Bestimmungen durch Sie begründet:

A. Sie erklären sich damit einverstanden, keinen Teil oder Teile der Website oder der Dienste, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Inhalte (mit Ausnahme der eigenen Inhalte), über irgendein Medium zu verbreiten, ohne dass YouTube dies zuvor schriftlich autorisiert hat bzw ohne dass YouTube selbst die Mittel für eine solche Verbreitung durch eine Funktionalität zur Verfügung stellt oder über die Dienste anbietet (zB wie der YouTube Player). [...]

L. Sie erklären sich damit einverstanden, auf Inhalte nur in der Form des 'Streamings' zuzugreifen und zu keinen anderen Zwecken als zu Ihrer persönlichen nicht-kommerziellen Nutzung und nur in dem Rahmen, der durch die normale Funktionalität der Dienste vorgegeben und erlaubt ist. 'Streaming' bezeichnet eine gleichzeitige digitale Übertragung des Materials über das Internet durch YouTube auf ein nutzerbetriebenes, internetfähiges Endgerät in einer Weise, bei der die Daten für eine Echtzeitansicht bestimmt sind, nicht aber für einen (permanenten oder vorübergehenden) Download, ein Kopieren, ein Speichern oder einen Weitervertrieb durch den Nutzer.

M. Es ist Ihnen untersagt, Inhalte für jeglichen Zweck ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von YouTube oder des betreffenden Lizenzgebers des Inhalts zu vervielfältigen, zu kopieren, zu verbreiten, zu übertragen, zu senden, vorzuführen, zu verkaufen, zu lizenzieren oder auf sonstige Weise zu nutzen. [...]

7. Inhalte

7.1. Als Inhaber eines YouTube Nutzungskontos können Sie eigene Inhalte übermitteln [...].

7.2. Sie behalten sämtliche Eigentumsrechte an Ihren Inhalten. Unbeschadet dessen räumen Sie jedoch YouTube und anderen Nutzern der Dienste beschränkte Lizenzen ein. Diese werden in Ziffer 8 dieser Bestimmungen näher beschrieben (Rechte, die Sie lizenzieren). [...]

8. Rechte, die Sie lizenzieren

8.1. Indem Sie Inhalte auf YouTube hinaufladen oder posten, räumen Sie

A. YouTube eine weltweite, nicht-exklusive, unentgeltliche, übertragbare Lizenz ein (mit dem Recht auf Unterlizenzierung), Inhalte zu nutzen, zu vervielfältigen, zu verbreiten, zu bearbeiten, öffentlich wiederzugeben, öffentlich zur Verfügung zu stellen und öffentlich vorzuführen, aufzuführen oder vorzutragen, und zwar im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Dienste und anderweitig im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Dienste und der Geschäfte von YouTube, einschließlich zu dem Zweck (aber ohne Beschränkung darauf), Teile der Dienste oder die Dienste in ihrer Gesamtheit (und Bearbeitungen desselben) gleich in welchem Medienformat und gleich über welche Verbreitungswege zu bewerben und weiterzuverbreiten;

B. jedem Nutzer des Dienstes eine weltweite, nichtexklusive, unentgeltliche Lizenz ein, auf ihre Inhalte über die Dienste zuzugreifen und diese Inhalte zu nutzen, zu vervielfältigen, zu verbreiten, zu bearbeiten, öffentlich wiederzugeben, öffentlich zur Verfügung zu stellen und öffentlich vorzuführen, aufzuführen oder vorzutragen, soweit dies durch die Funktionalität der Dienste und im Rahmen dieser Bestimmungen gestattet wird.

8.2. Die vorstehend von Ihnen gewährten Lizenzen an Inhalten erlöschen, sobald Sie Ihre Inhalte von der Website entfernen oder löschen. Die vorstehend von Ihnen gewährten Lizenzen an Kommentaren, die Sie In Textform als Inhalte übermitteln, sind unbefristet und unwiderruflich, lassen aber Ihre oben unter Ziffer 7.2 beschriebenen Eigentumsrechte unberührt.“

Die Klägerin beantragt, der Beklagten die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Verwertung von Standbildern des Videos ohne ihre Zustimmung zu untersagen. Bei den Lichtbildern handle es sich um Werke iSd § 3 UrhG, zudem würden sie auch Leistungsschutz genießen. Die Beklagte habe die Lichtbilder ohne Zustimmung der Klägerin veröffentlicht und dadurch rechtswidrig in ihr Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht eingegriffen. Die Klägerin habe YouTube nach Punkt 5.1.L. der Nutzungsbedingungen nur eine beschränkte Werknutzungsbewilligung erteilt.

Die Beklagte wendet ein, die Klägerin habe ihr durch das Hochladen des Videos nach Punkt 8.1.B. der Nutzungsbedingungen das Recht eingeräumt, das Video zu vervielfältigen, zu verbreiten, zu bearbeiten und zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung der Lichtbilder im Zeitungsartikel sei von dieser umfassenden Werknutzungsbewilligung umfasst. Darüber hinaus stünde dem Unterlassungsanspruch das durch Art 10 EMRK geschützte Recht der freien Meinungsäußerung entgegen, zumal die Verwendung der Lichtbilder „für die korrekte Berichterstattung über die polizeilichen Übergriffe“ unerlässlich gewesen sei.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, wobei es das Verbot auch von der fehlenden schriftlichen Zustimmung durch die YouTube LLC abhängig machte. Die Klägerin habe zwar der YouTube LLC die Möglichkeit der Rechteweitergabe eingeräumt, ein unmittelbarer Anspruch anderer Nutzer folge daraus aber nicht. Diese dürften auf die Inhalte von YouTube nur im Weg des Streaming zur persönlichen und nicht-kommerziellen Nutzung zugreifen. Nach Punkt 5.1.A. der Nutzungsbedingungen dürften sie keinen Teil der Website oder der Dienste ohne Zustimmung von YouTube über ein Medium zu verbreiten. Darunter sei auch eine Tageszeitung zu verstehen. Weiters werde die Nutzung auch in Punkt 5.1.M. eingeschränkt. Eine Erlaubnis der Klägerin habe die Beklagte weder behauptet noch bescheinigt. Sie habe auch nicht behauptet, einen entgeltlichen Erwerb der Lizenzrechte versucht zu haben, weshalb das Vorliegen eines überwiegenden Interesses an der Veröffentlichung dahinstehen könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Nach dem Aufbau der Nutzungsbedingungen seien die Nutzungsbeschränkungen nach Punkt 5. von den Regeln über die Lizenzierung von Rechten nach Punkt 8. zu unterscheiden. Punkt 5. betreffe die Nutzung der in das Videoportal hochgeladenen Videos. Hier räume die YouTube LLC allen Nutzern ihrer Plattform unter den dort genannten Bedingungen die Möglichkeit ein, diese Inhalte zu nutzen. Nach Punkt 8.1.B. erlaubten demgegenüber jene Nutzer, die Inhalte auf YouTube hochladen würden, jedem (anderen) Nutzer, diese Inhalte zu nutzen und weiter zu verwerten; dies allerdings nur, „soweit dies durch die Funktionalität der Dienste und im Rahmen dieser Bestimmungen gestattet wird“. Beide Bestimmungen seien im Zusammenhang zu lesen. Der Auslegung der Beklagten, wonach ihr die Klägerin aufgrund Punkt 8.1.B. durch das Hochladen eine umfassende Werknutzungsbewilligung eingeräumt habe, bei der Punkt 5. „im gegenständlichen Zusammenhang ohne Bedeutung sei“, sei nicht zu folgen. Aus dem Gesamtzusammenhang sei vielmehr abzuleiten, dass das Hochladen von Videos keine unbeschränkte kommerzielle Nutzung der Inhalte durch Dritte ermögliche. Die AGB erlaubten eine Verwertung stets nur nach Maßgabe von Punkt 5. Deshalb werde eine Nutzung der Inhalte für jeglichen Zweck in Punkt 5.1.M. von der schriftlichen Zustimmung von YouTube oder des Lizenzgebers (hier also der Klägerin) abhängig gemacht. Eine solche Zustimmung liege aber nicht vor. Träfe der Standpunkt der Beklagten zu, könnte sie mit Hinweis auf Punkt 8.1.B. jeden aus Punkt 5. folgenden Anspruch der YouTube LLC abwehren. Damit wäre aber die gewerbliche Nutzung der Videos uneingeschränkt möglich, was Punkt 5. gerade vermeiden wolle. Aus Punkt 8.1.B. sei für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil sich der Umfang der Lizenz im Rahmen der sonstigen Bestimmungen (also auch des Punktes 5) halte. Damit nehme der Lizenzgeber einerseits zur Kenntnis, dass auf seine Inhalte jederzeit in der Form des „Streamings“ gegriffen werden dürfe (Punkt 5.1.L.). Andererseits sei der Rechteinhaber (und auch YouTube) davor geschützt, dass Dritte ohne Zustimmung des Rechteinhabers oder von YouTube die Inhalte der Plattform zu kommerziellen Zwecken nutzten (Punkt 5.1.M.). Die Klägerin habe der Beklagten daher durch das Hochladen des Videos keine Werknutzungsbewilligung eingeräumt, sodass ihr Unterlassungsanspruch ‑ mangels ihrer oder der Zustimmung der YouTube LLC ‑ zu Recht bestehe. Auch die Berufung auf Art 10 EMRK scheitere, weil die Beklagte nicht versucht habe, die Einwilligung des Rechteinhabers zu erreichen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Auslegung der Nutzungsbedingungen von YouTube über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Revisionsrekurs der Beklagten. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ihr die Klägerin aufgrund von Punkt 8.1.B. der Nutzungsbedingungen eine „nicht näher beschränkte“ Werknutzungsbewilligung eingeräumt habe. Auf Art 10 EMRK stützt sie sich nicht mehr.

Die Klägerin hält ihren Standpunkt aufrecht, dass Punkt 8.1.B. der Bedingungen die Nutzung nur nach Maßgabe der „Funktionalität der Dienste und im Rahmen dieser Bestimmungen“ gestatte. Damit seien auch die in Punkt 5. vorgesehenen Nutzungsbeschränkungen anwendbar.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Begründung des Rekursgerichts trifft uneingeschränkt zu (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Argumenten des Revisionsrekurses ist ergänzend Folgendes entgegenzuhalten.

1. Punkt 8.1.B. der Nutzungsbedingungen sieht zwar eine vom Rechteinhaber erteilte Werknutzungsbewilligung für (dritte) Nutzer vor, dies aber nur, „soweit dies durch die Funktionalität der Dienste und im Rahmen dieser Bestimmungen gestattet wird“. Es trifft daher gerade nicht zu, dass Punkt 8.1.B. eine „nicht näher beschränkte“ Werknutzungsbewilligung enthielte, vielmehr ist eine „Gestattung“ durch die „Funktionalität der Dienste“ und „diese Bestimmungen“ erforderlich. Gestattet ist nach Punkt 5.1.L. ‑ und zwar „nur“ ‑ das Streaming zu nicht kommerziellen Zwecken im Rahmen der „Funktionalität der Dienste“; weitergehende Nutzungen müssten nach Punkt 5.1.M. entweder vom Rechteinhaber oder von YouTube schriftlich erlaubt werden. Die Verbreitung über ein Medium ist zudem nach Punkt 5.1.A. überhaupt nur mit Zustimmung von YouTube zulässig. Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann sich ein Dritter auf die in Punkt 8.1.B. vorgesehene Werknutzungsbewilligung berufen.

2. Der Revisionsrekurs verkennt die Systematik von Punkt 5.1. der Nutzungsbedingungen, wenn er Punkt 5.1.M. als Verbot jeglicher Verwertung ‑ also auch des Streaming ‑ versteht, wobei dieses Verbot aber nicht im Verhältnis zum Rechteinhaber gelte. Denn im gegebenen Zusammenhang kann diese Bestimmung selbstverständlich nur dahin verstanden werden, dass sie eine über das nach Punkt 5.1.L. jedenfalls zulässige Streaming hinausgehende Verwertung regelt. Die Auslegung des Beklagten lässt diesen Zusammenhang unberücksichtigt.

3. Es trifft auch nicht zu, dass Punkt 5. der Nutzungsbedingungen ausschließlich das Verhältnis zwischen (dritten) Nutzern und YouTube beträfe. Vielmehr regelt dieser Abschnitt ganz allgemein die Befugnisse von Nutzern, die auf Inhalte von YouTube zugreifen. Geschützt werden dabei nicht nur die Interessen von YouTube, sondern auch jene der Rechteinhaber. Zwar genügt nach Punkt 5.1.M. ‑ im Zusammenwirken mit den Punkten 8.1.A. und 8.1.B. ‑ schon die Zustimmung von YouTube, um auch gegenüber dem Rechteinhaber die Zulässigkeit einer über das Streaming hinausgehenden Verwertung zu begründen. Alternativ dazu führt aber auch die Zustimmung (nur) des Rechteinhabers zu diesem Ergebnis; YouTube kann sich daher ‑ abgesehen von einer Verbreitung über Medien iSv Punkt 5.1.A. ‑ nicht gegen eine über das Streaming hinausgehende Verwertung wehren, wenn der Rechteinhaber zugestimmt hat. Punkt 5.1.M. regelt daher auch die Rechtsstellung des Rechteinhabers. Daher bestehen keine systematischen Bedenken, diese Bestimmung auch bei der Auslegung von Punkt 8.1.B. zu berücksichtigen.

4. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass die Klägerin oder der Betreiber von YouTube der strittigen Verwertung zugestimmt hätte. Punkt 8.1.B. der Nutzungsbedingungen ist daher jedenfalls nicht anwendbar. Schon aus diesem Grund muss der Revisionsrekurs scheitern. Damit kann die in der Revisionsrekursbeantwortung unter Hinweis auf § 879 ABGB erörterte Frage offen bleiben, ob die in den Nutzungsbedingungen vorgesehen Möglichkeit von YouTube, mit Wirkung für den Rechteinhaber jegliche Verwertung erlauben zu können, überhaupt wirksam vereinbart werden kann.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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