OGH 6Ob193/13w

OGH6Ob193/13w15.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** W*****, vertreten durch Dr. Franz Lethmüller, Rechtsanwalt in Landeck, gegen die beklagte Partei E***** K*****, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in Landeck, wegen Unterlassung (Streitwert 5.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. August 2013, GZ 2 R 81/13w‑20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Imst vom 14. Jänner 2013, GZ 3 C 379/12d‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00193.13W.0515.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, zu deren Gutsbestand auch die Grundstücke 2815 und 2817 (im Plan gelb eingezeichnet) gehören. Mit dem Eigentum an dieser ist die Zugehörigkeit zur Gemeindegutsagrargemeinschaft T***** in „EZ ***** d.H.“ und „EZ ***** GB *****“ verbunden.

Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks 2783 (im Plan blau schraffiert eingezeichnet) im Gutsbestand der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****. Mit dem Eigentum an dieser Liegenschaft ist das Recht des Holzbezugs aus EZ *****, Grundbuch *****, für 2 Pillen auf Grundstück 2783 sowie für einen Stall und Stadel auf Grundstück 2698/1 verbunden. Die Beklagte war und ist nicht Mitglied der Agrargemeinschaft.

 

Zugunsten der Liegenschaft der Beklagten sind keine bücherlichen Rechte an den Grundstücken 2815 und 2817 des Klägers eingetragen. Die Bewirtschaftung des Grundstücks 2783 der Beklagten (Mähen, Einbringen von Heu, Viehtrieb) erfolgte bis zur Errichtung des (in diesem Verfahren strittigen) Wegs im Jahr 1980 ohne Benutzung der Grundstücke des Klägers. Die Verbindung zwischen dem Hof der Beklagten und dem Grundstück 2783 östlich der Grundstücke des Klägers erfolgte über Agrargemeinschaftsgrund beziehungsweise über die Grundstücke 2819 und 2978/1, sei es auf dem Boden über die begehbare, jedoch nicht befahrbare so genannte „Gasse“, sei es mittels einer nicht mehr bestehenden Seilbahn.

Das Eigentumsrecht an der Liegenschaft EZ *****, zu der auch die Grundstücke 2819 und 2978/1 gehören, ist für die Agrargemeinschaft und nicht für deren Mitglieder einverleibt. Die Agrargemeinschaft hat in den Jahren 1980 (erster Abschnitt) beziehungsweise 1986 (zweiter Abschnitt) unter ihrem damaligen Obmann einen geschotterten zweispurigen Forstweg (im Plan rot eingezeichnet) zur forst- und landwirtschaftlichen Erschließung der Grundstücke 2815 sowie 2817 und weiterer, dritten Personen gehöriger Grundstücke errichtet. Der Forstweg zweigt im Ortsteil G***** von der Gemeindestraße ab. An der Abzweigung befindet sich ein „Fahrverbotsschild“ mit der Aufschrift „Forststraße“, jedoch keine Absperrung und kein Schranken. Der Weg dürfte „eigentlich“ nur zu forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden, die Agrargemeinschaft ist jedoch damit einverstanden, dass die durch den Forstweg erschlossenen Grundstücke, darunter jene der Streitteile, den Forstweg auch zu landwirtschaftlichen Zwecken nutzen. Nach Errichtung dieses Wegs frühestens ab dem Sommer 1982, jedenfalls aber ab dem Sommer 1986 brachte die Beklagte das auf ihrem Grundstück 2783 gewonnene Heu mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen über diesen Forstweg ein.

Nach mehrjähriger allseitiger Nutzung wurde im Rahmen einer Vermessung im Jahr 1990 bekannt, dass der Weg nicht, wie von der Agrargemeinschaft beabsichtigt, zur Gänze auf agrargemeinschaftlichen Grundstücken (insbesondere 2819 und 2978/1), sondern kurz vor der Grenze des Grundstücks der Beklagten im Bereich einer (bergwärts gesehen Links‑)Kurve fast in der ganzen Wegbreite auf den Grundstücken 2815 und 2817 des Klägers verläuft.

Im Juli 2007 verbot der Kläger der Beklagten und ihren Angehörigen aus persönlichen Gründen mündlich und im Jahr 2010 auch schriftlich, seine beiden Grundstücke 2815 und 2817 über den Forstweg zu befahren oder zu begehen; anderen Personen gegenüber hat der Kläger kein derartiges Verbot ausgesprochen. Dessen ungeachtet benützt die Beklagte weiterhin den Weg wie bisher.

Der Weg ist eine „Forststraße“, der von der Agrargemeinschaft erbaut wurde und von dieser auch betrieben und erhalten wird. Der Agrargemeinschaft ist bekannt, dass die Beklagte den Forstweg zum beschriebenen Zweck benutzt; sie hat dagegen auch keine Einwände; vielmehr hat ihr Obmann vor zehn oder zwölf Jahren auf Nachfrage des Ehegatten der Beklagten ausdrücklich bejaht, dass der Forstweg zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung des Grundstücks 2783 der Beklagten benutzt werden dürfe. Vor vielen Jahren hatte der Ausschuss der Agrargemeinschaft nämlich beschlossen, dass bis auf Widerruf alle Anlieger den Forstweg für die Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Grundstücke benutzen dürfen, obwohl der Forstweg eigentlich nur von Agrargemeinschaftsmitgliedern zu forstlichen und nicht zu landwirtschaftlichen Zwecken befahren werden dürfte.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers, der Beklagten das Begehen und Befahren der Grundstücke 2815 und 2817 zum Zweck der wegmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung ihres Grundstücks 2783 zu verbieten, ab. Das Berufungsgericht sprach außerdem aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob und in welchem Umfang der Waldeigentümer die Nutzung einer Forststraße trotz erteilter Zustimmung des Erhalters der Forststraße untersagen kann.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, eine über die Legalservitut des § 33 Abs 1 ForstG (Betreten des Waldes und Aufenthalt dort zu Erholungszwecken) hinausgehende Benützung wie etwa Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren und Reiten sei nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, hinsichtlich von Forststraßen mit Zustimmung jener Person zulässig, der die Erhaltung der Forststraße obliegt (§ 33 Abs 3 ForstG). Der Kläger dulde schon so lange den Forstweg der Agrargemeinschaft auf seinen Grundstücken, dass an einer schlüssigen Vereinbarung kein Zweifel bestehe; die Agrargemeinschaft wiederum sei Halter des Wegs, trage sie doch die Kosten für dessen Errichtung und Erhaltung und habe die Verfügungsmacht, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. Die Agrargemeinschaft habe aber der Beklagten nicht nur schlüssig, sondern sogar mehrfach ausdrücklich die Erlaubnis zur Nutzung der Forststraße auch zu landwirtschaftlichen Zwecken erteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Das Begehren des Klägers stellt sich als Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 2. Fall ABGB dar. Diese Bestimmung räumt dem Eigentümer die Klage nicht nur gegen denjenigen ein, der sich unbefugterweise das Recht einer Dienstbarkeit anmaßt; sie steht vielmehr auch gegenüber demjenigen zu, der in das Eigentumsrecht des Klägers unbefugterweise eingreift, mag er ein Recht hiezu behaupten oder nicht (6 Ob 323/99i). Der Liegenschaftseigentümer kann dabei die Klage selbst dann (auch) gegen den unmittelbaren Störer richten, wenn sich dieser zwar dem Kläger gegenüber nicht auf ein unmittelbares Recht zur Ausübung der Dienstbarkeit beruft, wohl aber sein (angebliches) Recht mittelbar von jemandem ableitet, der zur Einräumung dieses Rechts nicht befugt war (1 Ob 417/61 SZ 34/156). Die Überlegung der Beklagten, die Agrargemeinschaft habe als Halterin des Forstwegs der Beklagten dessen Nutzung zum Zweck der wegmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft erlaubt, allein greift somit zu kurz. Maßgeblich ist vielmehr das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Agrargemeinschaft.

2.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde im Rahmen einer Vermessung des Forstwegs im Jahr 1990 bekannt, dass der Weg nicht, wie von der Agrargemeinschaft beabsichtigt, zur Gänze auf agrargemeinschaftlichen Grundstücken, sondern kurz vor der Grenze des Grundstücks der Beklagten im Bereich einer Kurve fast in der ganzen Wegbreite auf den Grundstücken 2815 und 2817 des Klägers verläuft; diese Feststellung hat der Kläger in seiner Berufung nicht bekämpft.

Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang bereits im Verfahren erster Instanz ausdrücklich vorgebracht, es sei (gemeint: dem Kläger) bereits bei Errichtung des Wegs bekannt gewesen, dass dabei der Grund des Klägers in Anspruch genommen wird. Weiters brachte die Beklagte vor, es stehe so viel Grund im Eigentum der Agrargemeinschaft, dass ein Begehen und Befahren des Forstwegs ohne Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers möglich ist.

Dass der Kläger bereits bei Errichtung des Wegs in Kenntnis der Inanspruchnahme seiner Grundstücke war, entspricht auch seiner Aussage vor dem Erstgericht. Danach habe „man“ nach Errichtung des Wegs vermutet, dass dieser teilweise über seine Grundstücke 2815 und 2817 (also im hier strittigen Bereich der Kurve) verläuft; er selbst habe bereits im Zuge der Errichtung des Wegs aufgrund eines weggekommenen Zauns an der Ostgrenze seiner Grundstücke angenommen, dass der Weg teilweise über seine Grundstücke führt. Besprechungen mit Vertretern der Agrargemeinschaft habe es diesbezüglich allerdings nicht gegeben. In seiner Berufung wiederum strebte der Kläger ausdrücklich die ergänzende Feststellung an, Absicht der Agrargemeinschaft sei es gewesen, den Forstweg zur Gänze auf ihren Grundflächen zu errichten; der Agrargemeinschaft sei nicht bewusst gewesen, dass im Bereich der Grundstücke 2815 und 2817 der Wegverlauf auf den Grundstücken des Klägers zu liegen kommt beziehungsweise kam.

Auf Sachverhaltsebene ist somit davon auszugehen, dass der Kläger bereits anlässlich der Errichtung des Wegs wusste, dieser werde teilweise über seine Grundstücke führen, was sich letztlich auch als zutreffend herausstellte. Darüber informierte er die Agrargemeinschaft jedoch nicht, wobei ihm klar war, dass sich die Vertreter der Agrargemeinschaft dieses Umstands nicht bewusst waren.

2.2. Das Erstgericht konnte eine Abtretung des maßgeblichen Grundstreifens durch den Kläger an die Agrargemeinschaft nicht feststellen (der Kläger strebte in seiner Berufung insoweit sogar eine ausdrückliche Negativfeststellung an), bezüglich der Eigentumsverhältnisse ist aber auch eine Bedachtnahme auf die sachenrechtlichen Bestimmungen über die Bauführung im Sinne der §§ 417 ff ABGB notwendig. Das ABGB unterscheidet dabei zwischen dem Bauen auf eigenem Grund mit fremdem Material, dem Bauen mit eigenem Material auf fremdem Grund und dem Bauen auf fremdem Grund mit fremdem Material. Nach der hier maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage interessiert hier die zweite Variante, konkret das Errichten der Forststraße durch die Agrargemeinschaft teilweise auf fremdem (konkret: klägerischem) Grund.

Da der Kläger von der (teilweisen) Errichtung der Forststraße auf seinem Grund wusste, kommt § 418 letzter Satz ABGB, wonach der redliche Bauführer Eigentum am Grund erwirbt, zur Anwendung; der unredliche Bauführer wird (nur) wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag behandelt. Dabei ist zwar die Redlichkeit des Bauführers bereits bei leichter Fahrlässigkeit ausgeschlossen (3 Ob 103/05a) und an seine Aufmerksamkeit ein strengerer Maßstab anzulegen als an jene des Grundeigentümers (7 Ob 2352/96z), doch ist der Bauführer redlich, wenn er sich aus wahrscheinlichen Gründen für bauberechtigt halten konnte; dabei unterstellt im vorliegenden Verfahren nicht einmal der Kläger der Agrargemeinschaft Unredlichkeit und wies anlässlich seiner Aussage ausdrücklich auf den Umstand hin, dass der Zaun an der Ostgrenze seiner Grundstücke damals bereits ziemlich verfallen gewesen war. Damit erwarb aber die Agrargenossenschaft durch die Bauführung außerbücherliches Eigentum an jenem Grundstreifen, über den der Forstweg auf den Grundstücken 2815 und 2817 führt (RIS‑Justiz RS0011088). Dass nur ein Teil der Forststraße auf fremden Grundstücken gebaut wurde und dort auch nur einen geringen Anteil der Fläche in Anspruch nahm, führt hier zu keinem anderen Ergebnis (Cerha, immolex 2011/84 [Entscheidungsanmerkung zu 6 Ob 167/10t]); die für die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 416 ABGB bei Überbauten unter Inanspruchnahme einer nur geringwertigen Grundfläche des Nachbargrundstücks (bejahend etwa 10 Ob 18/05b, insbesondere aber die überwiegende Literatur [vgl die Nachweise bei Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2012] § 416 Rz 3], verneinend 6 Ob 167/10t JBl 2011, 379 [krit Holzner] = immolex 2011/84 [Cerha] = NZ 2011, 147 [Hoyer]) relevante Unredlichkeit des Bauführers lag hier nicht vor.

2.3. Da somit die Agrargemeinschaft bereits durch die Bauführung außerbücherliches Eigentum an jenem Grundstreifen der Grundstücke 2815 und 2817 erwarb, über den der Forstweg verläuft (vgl Klicka/Reidinger aaO § 418 Rz 8 mit Nachweisen von Rechtsprechung und Literatur), steht dem Kläger insoweit kein Unterlassungsanspruch gegen Benutzer des Wegs zu. Die Vorinstanzen haben sein Unterlassungsbegehren daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen, ohne dass es einer ‑ auf dasselbe Ergebnis hinauslaufenden ‑ Prüfung der Frage bedarf, ob nicht der Kläger ohnehin aufgrund seines Verhaltens im Zeitraum von (jedenfalls) 1990 bis 2007 der Beklagten die Nutzung des Wegs im Bereich der Grundstücke 2815 und 2817 zum Zweck der wegmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung ihres Grundstücks 2783 konkludent eingeräumt hat; ein rechtlich relevanter Grund für einen einseitigen Widerruf dieser Erlaubnis im Jahr 2007 durch den Kläger (aus persönlichen Gründen) ließe sich den Feststellungen, aber auch den Ausführungen in der Revision des Klägers nämlich nicht entnehmen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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