OGH 2Ob30/14x

OGH2Ob30/14x29.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 132.964,19 EUR sA und Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2013, GZ 2 R 101/13g‑59, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat die durch das Erstgericht erfolgte Abweisung der Klage auf Zahlung des aus einer fehlerhaften Anlageberatung entstandenen Schadens sowie auf Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus einer Kreditaufnahme des Klägers wegen Verjährung bestätigt. Der Kläger habe schon im Herbst 2007 von der Möglichkeit substanzieller Kapitalverluste bei den erworbenen Wertpapieren und von der Risikoträchtigkeit der Investition Kenntnis erlangt, sodass die im Jänner 2011 eingebrachte Klage verspätet sei. Die ordentliche Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.

Der Kläger macht in der Zulassungsbeschwerde seiner außerordentlichen Revision geltend,

- das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung abgewichen, wonach die Behauptungs‑ und Beweislast für einen Verjährungstatbestand den Schuldner treffe. Die Beklagte habe sich nicht auf die Kenntnis des Klägers vom untauglichen „Gesamtkonzept“ berufen. Feststellungen ohne diesen Einwand wären überschießend und unbeachtlich;

- das „Hinhalten“ in „Nachberatungsgesprächen“ sei primär schon für die Kenntnis des Schadens relevant. Die Empfehlung der Beklagten, die Emittenten vorerst nicht zu klagen, habe der Kläger als Laie auch auf Ansprüche gegen die Beklagte selbst beziehen dürfen;

- die Vorinstanzen hätten unrichtigerweise die fehlerhafte Nachberatung als von der Erstberatung zu trennendes, eigenes schädigendes Ereignis angesehen;

- das Berufungsgericht habe die Beweisrüge des Klägers nicht erledigt.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Kläger jedoch keine iSv § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen auf. Seine außerordentliche Revision ist daher unzulässig:

1.1. Das Gericht darf die bei seiner Beweisaufnahme hervorkommenden Umstände nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden. Solche sogenannten „überschießenden“ Feststellungen dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS‑Justiz RS0040318). Die Beurteilung, ob das Berufungsgericht unter unzulässiger Berücksichtigung von „überschießenden Feststellungen“ entschieden hat, ist allerdings regelmäßig eine solche des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0112213 [T2]).

1.2. Die Beklagte brachte im Zusammenhang mit ihrem Verjährungseinwand vor, dem Kläger sei ‑ falls er von einer risikolosen, keinem Kapitalverlustrisiko unterliegenden Veranlagung ausgegangen sei ‑ spätestens nach der Besprechung vom 9. 10. 2007 die Möglichkeit von Kursverlusten bekannt gewesen.

Die Feststellungen der Tatsacheninstanzen, spätestens zum 9. 10. 2007 sei dem Kläger bewusst geworden, dass das Veranlagungskonzept der Beklagten hohe Risiken berge und er damit rechnen müsse, dass er mit seiner Veranlagung Verluste einfahren und eine Deckungslücke beim Fremdwährungskredit entstehen könne, die er aus anderweitigem Vermögen decken müsse, finden daher im Klagsvorbringen Deckung. Von „überschießenden Feststellungen“ kann also keine Rede sein.

1.3. Der Kläger beruft sich auch auf die Entscheidung 8 Ob 66/12g, wonach für den Beginn der Verjährung eine deutliche Mitteilung des beklagten Beraters, dass bisher unbekannte Nachteile drohen, erforderlich sei.

In dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, dass die dortigen Kläger, solange die Abwicklung des Kreditverhältnisses im Wesentlichen den ursprünglichen Erwartungen entsprochen habe, noch keinen Anlass gehabt hätten, an der Zuverlässigkeit ihrer professionellen Beratung zu zweifeln. Erst aufgrund einer entsprechenden Mitteilung durch die Zweitbeklagte hätten die Kläger den Verdacht geschöpft, dass ihnen aus der Umschuldung bisher unbekannte Nachteile drohen könnten. Die Verjährung habe daher erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen.

1.4. Aus diesem Judikat ist für den Kläger des gegenständlichen Verfahrens nichts zu gewinnen. Im Oktober 2007 wurde ihm ein aktueller Depotauszug vorgelegt, aus dem die deutlichen Verluste erkennbar waren. Dies entsprach keineswegs seinen ursprünglichen Erwartungen.

Das Berufungsgericht ist daher vertretbar vom Beginn des Laufs der dreijährigen Verjährungsfrist mit Herbst 2007 ausgegangen.

2.1. Dem Kläger ist darin zu folgen, dass Beschwichtigungsversuche des Anlageberaters die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben können (vgl 6 Ob 103/08b).

2.2. Die Tatsacheninstanzen haben jedoch festgestellt, dass der Kläger im Herbst 2007 nicht mehr auf die Aussagen der Beklagten vertraute. Deshalb entschied er sich gegen weitere Investitionen über die Beklagte und suchte er selbst nach (riskanten) Anlagemöglichkeiten, um die erlittenen Verluste auszugleichen.

Wenn das Berufungsgericht daher ein Hinausschieben der Erkennbarkeit des Schadenseintritts durch den Kläger aufgrund von Beschwichtigungsversuchen der Beklagten verneinte, so liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

2.3. Vertretbar hat das Berufungsgericht auch ein Verhalten der Beklagten verneint, durch das der Kläger veranlasst worden wäre, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen. Der Umstand, dass die Beklagte im Schriftverkehr mit dem Kläger erwog, Emittenten derzeit nicht zu klagen, stellt jedenfalls kein Abhalten des Klägers von einer Geltendmachung seiner Rechte gegen die Beklagte dar.

3. Die vom Kläger unter Berufung auf 8 Ob 66/12g ins Treffen geführte Einheit der gesamten Umschuldung wurde in der genannten Entscheidung im Zusammenhang mit der Frage des Eintritts eines Primär‑ oder Folgeschadens erörtert. Inwieweit und mit welcher Folge für die rechtliche Beurteilung diese Argumente auf den gegenständlichen Fall anzuwenden sein sollen, wird in der Revision nicht ausgeführt.

4. Die vom Berufungsgericht seiner Erledigung der Beweisrüge zugrunde gelegte Auffassung, der Kläger habe seine Tatsachenrüge (teilweise) nicht gesetzmäßig ausgeführt, bildet regelmäßig keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung (RIS‑Justiz RS0041835 [T6]). Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Beweisrüge des Klägers („der Vollständigkeit halber“) ohnehin auch inhaltlich erledigt, sodass die außerordentliche Revision des Klägers auch diesbezüglich keine erhebliche Rechtsfrage aufgreift.

Stichworte