European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00072.13S.0428.000
Spruch:
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art 267 AEUV folgende Frage betreffend die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. 3. 2002 über den Universaldienst und die Nutzungsrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten, geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 11. 2009 (Universaldienstrichtlinie), zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist das in Art 20 Abs 2 der Universaldienstrichtlinie für die Teilnehmer vorgesehene Recht, „bei der Bekanntgabe von Änderungen der Vertragsbedingungen“ den Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen, auch für den Fall vorzusehen, dass sich eine Anpassung der Entgelte aus den Vertragsbedingungen ableitet, die bereits bei Vertragsabschluss vorsehen, dass in der Zukunft eine Anpassung der Entgelte (Steigerung/Reduktion) entsprechend den Veränderungen eines objektiven Verbraucherpreisindex, der die Geldwertentwicklung abbildet, zu erfolgen hat?
II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.
Begründung:
I. Sachverhalt und bisheriges Verfahren:
1. Der klagende Verein für Konsumenteninformation ist nach den §§ 28 ff des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) berechtigt, Verbandsklagen auf Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen, zu erheben. Die Beklagte ist die größte Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich. Sie verwendet im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Sinne des KSchG Allgemeine Geschäftsbedingungen, die unter anderem folgende Klauseln enthalten (Hervorhebungen durch den Senat):
„Änderungen des Vertrags 4.1. …
4.2. Werden Kunden durch die Änderung(en) ausschließlich begünstigt, so kann/können diese Änderung(en) durch ***** bereits an dem Tag der Kundmachung der Änderung(en) angewandt werden. Dies gilt auch für Entgeltänderungen aufgrund einer vereinbarten Indexanpassung .
4.3. Werden Kunden durch die Änderung(en) nicht ausschließlich begünstigt, so wird ***** diese Änderung(en) ‑ soweit diese nicht nur für künftige Kunden gelten sollen ‑ zwei Monate vor ihrem Inkrafttreten kundmachen. Der wesentliche Inhalt der den Kunden nicht ausschließlich begünstigende(n) Änderung(en) und der Hinweis auf § 25 Abs 3 TKG 2003 wird dem Kunden in schriftlicher Form, etwa durch Aufdruck auf einer Rechnung, zumindest einen Monat vor Inkrafttreten mitgeteilt. Die Mitteilung über den wesentlichen Inhalt der Änderung wird einen Hinweis auf das kostenlose Kündigungsrecht und die Kündigungsfrist enthalten. Auf Ersuchen des Kunden wird der Volltext der aktuellen AGB übermittelt. Entgeltänderungen aufgrund eines vereinbarten Index berechtigen nicht zur außerordentlichen Kündigung .
...
10.12. Ist eine Indexanpassung in den Entgeltbestimmungen oder einer Individualvereinbarung ohne nähere Festlegung vereinbart, so gelten die nachfolgenden Regelungen .
10.12.1 Wenn sich der (Kalender‑)Jahres‑ durchschnitt des Verbraucherpreisindex („Jahres‑VPI“) der Statistik Austria ändert, hat das folgende Auswirkungen auf die Entgelte:
‑ ***** ist berechtigt Entgelte für das folgende Kalenderjahr entsprechend der Steigerung des Jahres‑VPI zu erhöhen.
‑ ***** ist verpflichtet Senkungen des Jahres‑VPI weiterzugeben und die besagten Entgelte entsprechend der Senkung zu reduzieren. Über die Anpassungen informiert ***** den Kunden in schriftlicher Form (zB über Rechnungsaufdruck).
10.12.2 Sofern nichts anderes vereinbart ergibt sich der Umfang der Entgeltanpassungen aus dem Verhältnis der Änderung des Jahres‑VPI für das letzte Kalenderjahr vor der Anpassung gegenüber dem Jahres‑VPI für das vorletzte Kalenderjahr vor der Anpassung (Indexbasis: Jahres‑VPI 2010 = 100). Schwankungen von 2 % (Schwankungsraum) gegenüber der Indexbasis berücksichtigt ***** nicht. Wird dieser Schwankungsraum allerdings in den Folgejahren insgesamt über‑ oder unterschritten, passt ***** die Entgelte in voller Höhe an. Der neue Wert stellt die neue Indexbasis für zukünftige Anpassungen dar. Eine Verpflichtung zur Entgeltreduktion verringert sich in dem Ausmaß, in dem ***** im Vorjahr ein Recht zur Erhöhung der Entgelt nicht ausgeübt hat.
10.12.3 Anpassungen der Entgelte erfolgen im Jahr nach der Änderung der Indexbasis, frühestens jedoch im Folgejahr des Vertragsabschlusses:
‑ Entgelterhöhung: 1. 4. bis 31. 12.
‑ Entgeltreduktion: Immer 1.4.
10.12.4 Wird der Jahres‑VPI nicht mehr veröffentlicht, tritt sein amtlicher Nachfolger an dessen Stelle.“
2. Der klagende Verein begehrt, die Beklagte dazu zu verpflichten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in AGB unter anderem diese Klauseln sowie sinngleiche Klauseln nicht mehr zu verwenden und es auch zu unterlassen, sich auf diese Klauseln oder sinngleiche Klauseln zu berufen. Eine Entgeltanpassung stelle in der Regel für den Verbraucher eine Entgelterhöhung dar und sei daher nur zulässig, wenn dem Verbraucher ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werde. Dies werde von den bekämpften Klauseln verschleiert. Die Bindung der Preise an den Verbraucherpreisindex sei auch unsachlich, da die Leistungen von Telekommunikationsunternehmen aufgrund des rasanten technischen Fortschritts einem laufenden Preisverfall unterliegen.
Die Beklagte wendete ein, dass die Indexänderung bereits Inhalt des Vertrags sei und daher kein außerordentliches Kündigungsrecht des Verbrauchers bestehe. Die Indexklausel orientiere sich an von der Beklagten nicht beeinflussbaren Parametern. Diese Preisanpassungen seien für den Konsumenten auch absehbar, überprüfbar und üblich.
3. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren insoweit zur Gänze statt. § 25 Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG) räume den Telekommunikationsdienstanbietern die Möglichkeit ein, seine AGB sowie Entgeltbestimmungen auch nach Vertragsabschluss einseitig unter Beachtung bestimmter Rahmenbedingungen zu ändern. Für die Teilnehmer sehe § 25 TKG bei nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen besondere Kundmachungs‑ und Mitteilungsverpflichtungen vor. Bei nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen der Entgeltbestimmungen werde den Verbrauchern durch § 25 Abs 3 TKG eine Kündigungsmöglichkeit eingeräumt. Bei einer durch die Indexanpassung bewirkten Entgelterhöhung könne es sich nicht um eine den Verbraucher ausschließlich begünstigende Änderung handeln. Daher sei das Verfahren nach § 25 TKG einzuhalten und dem Verbraucher die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung mitzuteilen.
4. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten im hier maßgebenden Zusammenhang nicht Folge. Eine Entgeltänderung aufgrund einer vereinbarten Indexanpassung stelle in der Regel eine Entgelterhöhung dar. Soweit die Beklagte zur einseitigen Änderung der Entgeltbedingungen berechtigt sei, stehe den Teilnehmern auch das außerordentliche Kündigungsrecht zu.
5. Die gegen dieses Urteil auch insoweit erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist schon deshalb zulässig, weil ein anderer Senat des Berufungsgerichts zu vergleichbaren Klauseln über die Indexbindung davon ausgegangen ist, dass der Schutzzweck des § 25 TKG Entgeltanpassungen aufgrund eines bereits vereinbarten Index nicht umfasse; diese Preisanpassungsklauseln seien ausreichend determiniert und unterlägen auch nicht dem Machtbereich des Telekommunikationsdiensteanbieters.
6. Im Revisionsverfahren regen beide Parteien die Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens zur Auslegung des Art 20 Abs 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und die Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) an.
Rechtliche Beurteilung
II. Zur österreichischen Rechtslage:
1. Die Bundesanstalt „Statistik Österreich“, die den Verbraucherpreisindex erstellt, wurde mit dem Bundesstatistikgesetz 2000 errichtet. Damit wurden auch verschiedene Richtlinien der Europäischen Union umgesetzt. Die Bundesanstalt soll objektiv und unparteiisch unter anderem Statistiken erstellen und veröffentlichen (§§ 22 ff BundesstatistikG).
2. Die §§ 25 und 25a im 3. Abschnitt des TKG 2003 („Kommunikationsdienste, Kommunikationsnetze“) lauten wie folgt (Hervorhebungen durch den Senat):
„§ 25. (1) Betreiber von Kommunikationsnetzen oder -diensten haben Allgemeine Geschäftsbedingungen zu erlassen, in welchen auch die angebotenen Dienste beschrieben werden, sowie die dafür vorgesehenen Entgeltbestimmungen festzulegen ...
(2) Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Entgeltbestimmungen sind vor ihrer Wirksamkeit der Regulierungsbehörde anzuzeigen und in geeigneter Form kundzumachen. Für den Teilnehmer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen gilt eine Kundmachungs- und Anzeigefrist von zwei Monaten. Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 140/1979, (KSchG), sowie des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches unberührt.
(3) Der wesentliche Inhalt der nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen ist dem Teilnehmer mindestens ein Monat vor In-Kraft-Treten der Änderung in schriftlicher Form, etwa durch Aufdruck auf einer periodisch erstellten Rechnung, mitzuteilen . Gleichzeitig ist der Teilnehmer auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Änderungen hinzuweisen sowie darauf, dass er berechtigt ist, den Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt kostenlos zu kündigen . ... Änderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Entgeltbestimmungen von Betreibern von Kommunikationsnetzen oder -diensten, die allein infolge einer von der Regulierungsbehörde auf Grundlage dieser Bestimmung erlassenen Verordnung erforderlich werden und die Nutzer nicht ausschließlich begünstigen, berechtigen den Teilnehmer nicht zur kostenlosen Kündigung des Vertrages ...
(5) Entgeltbestimmungen haben zumindest zu enthalten:
1. Einzelheiten über einmalige, regelmäßig wiederkehrende und variable Entgelte einschließlich des Beginn- und Endzeitpunkts der Tarifierung von Verbindungen und sowie die Art der Tarifierung,
2. die Angabe, mit welchen Mitteln aktuelle Informationen über alle anwendbaren Tarife und Wartungsentgelte eingeholt werden können,
3. allfällige Rabatte,
4. die Entgelte für die Übertragbarkeit von Nummern und anderen Teilnehmerkennungen ...“
3. § 6 KSchG enthält unter der Überschrift „Unzulässige Vertragsbestandteile“ folgende Regelungen:
„§ 6. (1) Für den Verbraucher sind besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen ...
...
5. dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, dass der Vertrag bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung auch eine Entgeltsenkung vorsieht, dass die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind sowie dass ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt ...“
4. Für den Teilnehmer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen der AGB gilt also nach § 25 Abs 2 TKG eine Kundmachungs- und Anzeigefrist von zwei Monaten. § 25 Abs 3 TKG legt fest, dass im Falle nicht ausschließlich begünstigender Änderungen deren wesentlicher Inhalt dem Teilnehmer mindestens einen Monat vor In‑Kraft‑Treten der Änderung in geeigneter Form mitzuteilen ist. Der Teilnehmer ist auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Änderung hinzuweisen; zudem muss er darauf aufmerksam gemacht werden, dass er berechtigt ist, den Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt kostenlos zu kündigen.
5. Der Oberste Gerichtshof hat § 25 TKG grundsätzlich als gesetzliche Ermächtigung zur einseitigen Vertragsänderung gesehen (4 Ob 50/00g; 6 Ob 16/01y; 1 Ob 123/09h; 7 Ob 84/12x). Das kostenlose außerordentliche Kündigungsrecht der Teilnehmer wird als Ausgleich dafür verstanden (7 Ob 84/12x).
6. Hier geht es nun darum, ob bei einer bereits im Vertrag vereinbarten Anpassung der Tarife entsprechend der Änderung des Verbraucherpreisindex überhaupt eine „Änderung“ der AGB bzw der „Entgeltbestimmungen“ vorliegt, die das besondere gesetzliche Auflösungsrecht nach § 25 Abs 3 TKG auslöst.
7. Im allgemeinen Vertragsrecht ist es gerade bei Dauerschuldverhältnissen üblich, bereits im Vertrag bei der Bestimmung der zukünftig zu leistenden Entgelte auf die Entwicklung des Verbraucherpreisindex abzustellen. Die aufgrund der Veränderung des Verbraucherpreisindex zu leistenden zukünftigen Entgelte werden dann nicht aufgrund einer Vertragsänderung, sondern aufgrund des ursprünglichen Vertrags geschuldet. Auch der Gesetzgeber verweist in zahllosen Gesetzen für die Anpassung von Entgelten, Gebühren und Leistungen auf die Veränderungen des Verbraucherpreisindex. Im Ergebnis soll durch den Verweis auf den Verbraucherpreisindex für die zukünftig zu leistenden Entgelte die Geldentwertung ausgeglichen (1 Ob 138/13w) und damit die von den Parteien vereinbarte Äquivalenz zwischen Sach- und Geldleistung aufrecht erhalten werden. Auch aus § 25 Abs 5 TKG, der bei den „Entgeltbestimmungen“ auf die Möglichkeit zur Information über die „aktuellen“ Tarife abstellt, ist wohl eher abzuleiten, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nicht jede Änderung der Tarife auch eine Änderung der „Entgeltbestimmungen“ darstellt.
III. Zum Recht der Europäischen Union:
1. Art 20 der Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG in der Fassung der Richtlinie 2009/136/EG im Kapitel IV („Interessen und Rechte der Endnutzer“) lautet wie folgt:
„1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucher und andere Endnutzer, die dies verlangen, bei der Anmeldung zu Diensten, die die Verbindung mit einem öffentlichen Kommunikationsnetz und/oder öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten bereitstellen, Anspruch auf einen Vertrag mit dem Unternehmen oder den Unternehmen haben, die derartige Dienste und/oder Verbindungen bereitstellen. In diesem Vertrag ist in klarer, umfassender und leicht zugänglicher Form mindestens Folgendes aufzuführen:
...
d) Einzelheiten über Preise und Tarife, einschließlich der Angabe, mit welchen Mitteln aktuelle Informationen über alle anwendbaren Tarife und Wartungsentgelte eingeholt werden können, der angebotenen Zahlungsmodalitäten und der durch die Zahlungsmodalität bedingten Kostenunterschiede;
...
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Teilnehmer das Recht haben, bei der Bekanntgabe von Änderungen der Vertragsbedingungen, die von den Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze und/oder -dienste bereitstellen, vorgeschlagen werden, den Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen. Den Teilnehmern werden diese Änderungen mit ausreichender Frist, und zwar mindestens einen Monat zuvor, angezeigt; gleichzeitig werden sie über ihr Recht unterrichtet, den Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht annehmen ...“
Punkt 30 der Präambel zur Richtlinie 2002/22/EG lautet:
„(30) Verträge stellen ein wichtiges Mittel für Nutzer und Verbraucher dar, um ein Mindestmaß an Informationstransparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten ...“
Punkt 27 der Präambel der Richtlinie 2009/136/EG lautet:
„Das Recht der Teilnehmer, das Vertragsverhältnis ohne Vertragsstrafe zu beenden, bezieht sich auf die Änderungen der Vertragsbedingungen, die die Betreiber elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste vornehmen.“
2. Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen verbietet im Anhang Klauseln, wonach
l) der Verkäufer einer Ware oder der Erbringer einer Dienstleistung den Preis zum Zeitpunkt der Lieferung festsetzen oder erhöhen kann, ohne dass der Verbraucher in beiden Fällen ein entsprechendes Recht hat, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Endpreis im Verhältnis zu dem Preis, der bei Vertragsabschluß vereinbart wurde, zu hoch ist.
Dazu wird in diesem Anhang der Richtlinie aber ausdrücklich festgehalten, dass diese Regelung „Preisindexierungsklauseln“ nicht entgegensteht, wenn diese rechtmäßig sind und der Modus der Preisänderung darin ausdrücklich beschrieben wird.
IV. Zu der Vorabentscheidungsfrage:
1. Fraglich ist, was unter „Änderungen der Vertragsbedingungen“ in § 25 Abs 2 der Richtlinie 2002/22/EG (geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG ) zu verstehen ist.
2. Ähnliche Fragestellungen hatte der Oberste Gerichtshof etwa im Zusammenhang mit der sogenannten Zahlungsdienste-Richtlinie (ZahlungsdiensteRL 2007/64/EG ) zu behandeln. In Art 44 der ZahlungsdiensteRL wird unter der Überschrift „Änderungen der Vertragsbedingungen“ angeordnet, dass der Zahlungsdienstleister Änderungen des Rahmenvertrags spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihrer Anwendung vorschlägt (Abs 1), wobei unter bestimmten Voraussetzungen Schweigen des Zahlungsdienstnutzers als Zustimmung gilt. Nach Abs 2 können „Änderungen der Zinssätze oder der Wechselkurse … unmittelbar und ohne vorherige Benachrichtigung angewandt werden, sofern dieses Recht im Rahmenvertrag vereinbart wurde ...“. Dazu ‑ und zwar aus Anlass der inhaltlich völlig identen Bestimmung des § 29 des österreichischen Zahlungsdienstegesetzes ‑ wurde festgehalten dass die in Abs 2 angeführten Fälle (vereinbarungsgemäß vorgenommene Anpassung der Zinssätze ...) typischerweise keine „Änderung“ des „Vertrags“ im Sinne des österreichischen Vertragsrechts darstellen, sondern den Vollzug einer vorweg (im Vertrag) vereinbarten Anpassung darstellen. Da aber für diese bloß einen Vollzug des Vertrags darstellenden Änderungen festgelegt wurde, dass die sonst für „Vertragsänderungen“ geltenden Regelungen nicht einzuhalten sind, wurde angenommen, dass in allen anderen als den in Abs 2 genannten Fällen offenbar auch ein bloßer Vollzug von Anpassungsbestimmungen unter den Begriff der „Vertragsänderung“ fallen soll (3 Ob 107/11y).
3. Durch die Richtlinie 93/13/EWG soll die schwächere Verhandlungsposition des Verbrauchers (EuGH 15. 3. 2012, Pereničová und Perenič, C‑453/10, Rn 27; EuGH 26. 4. 2012, Invitel, C‑472/10, Rn 33) durch das Verbot bestimmter nachteiliger Klauseln ausgeglichen werden (EuGH 21. 3. 2013, RWE Vertrieb AG, C‑92/11, Rn 42). Im Zusammenhang mit der Richtlinie 2003/55/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt hat der EuGH das berechtigte Interesse des Versorgungsunternehmens, im Rahmen von unbefristeten Verträgen Entgelte zu ändern, betont (EuGH 21. 3. 2013, RWE Vertrieb AG, C‑92/11, Rn 46). Der Vertrag muss aber entsprechend der RL 93/13 EWG den Anlass und den Modus der Änderung der Entgelte für die zu erbringende Leistung so transparent darstellen, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen dieser Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann. Der Verbraucher muss auch berechtigt sein, den Vertrag zu beenden, falls diese „Entgelte“ tatsächlich geändert werden sollten (EuGH 21. 3. 2013, RWE Vertrieb AG, C‑92/11, Rn 53, 54; vgl auch Anhang A lit b der RL 2003/55/EG ).
4. Die Ausführungen in den Vorentscheidungen nehmen also teilweise auf „Entgeltänderungen“ und nicht auf Änderungen der „Entgeltbedingungen“ Bezug. Dies könnte dahin verstanden werden, dass jede Entgeltänderung auch als „Vertragsänderung“ anzusehen ist, die den Verbraucher zur Kündigung berechtigt. Andererseits wird in Art 25 Abs 2 der RL 2002/22/EG ausdrücklich auf eine Änderung der „Vertragsbedingungen“ abgestellt und dies auch in Punkt 27 der Präambel der RL 2009/136/EG betont. In der RL 93/13/EWG werden „Preisindexierungsklauseln“ ausdrücklich von den Einschränkungen für einseitige Anpassung der Preise ausgenommen.
5. Die Frage, ob auch eine Änderung der Entgelte, die nur die bereits im Vertrag vereinbarte Anpassung an die Veränderungen des Wertes des Geldes umfasst, auch eine „Änderung der Vertragsbedingungen“ oder nur eine Aufrechterhaltung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zwischen Sach‑ und Geldleistung darstellt, wurde für den Bereich der Universaldienstrichtlinie vom EuGH noch nicht beantwortet. Die Beantwortung dieser Frage ist jedenfalls nicht so eindeutig, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bliebe (EuGH 6. 10. 1982, Cilfit , Rs 83/81, Slg 1982, 3415).
Die Aussetzung des Verfahrens stützt sich auf § 90a GOG.
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