OGH 15Os24/14i

OGH15Os24/14i23.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maximilian S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 20. November 2013, GZ 17 Hv 33/13y‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maximilian S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 schuldig erkannt.

Danach hat er am 11. November 2012 in K***** Bianca L***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie trotz heftiger Gegenwehr an ihren Unterarmen festhielt, ihr die Unterhose auszog, ihren Körper unter Anwendung seiner überlegenen Körperkraft mit seinem Gewicht fixierte und ihr den Zeige‑ und den Mittelfinger seiner rechten Hand in die Scheide einführte, diese darin bewegte, ihr im Anschluss daran mehrmals ins Gesicht schlug, sie in Bauchlage brachte und mit einem Finger in ihren After eindrang.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der Berechtigung zukommt.

Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Zeugin aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch‑psychologische Vorgang als solcher ist zwar der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS‑Justiz RS0106588). Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt einer solchen Kritik besteht allerdings nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 432). Schon wegen der solcherart eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeit im kollegialgerichtlichen Verfahren verdienen zudem gerade in jenen Fällen, in denen letztlich ‑ wie hier ‑ Aussage gegen Aussage steht, auch nicht unmittelbar das Tatgeschehen betreffende Umstände, die gegen die Überzeugungskraft der belastenden Zeugenaussage sprechen, erhöhte Beachtung (vgl dazu im Zusammenhang mit Kontrollbeweisen RIS‑Justiz RS0098429, RS0096368).

Das Erstgericht ging in Bezug auf die Aussagen der Zeugin L***** davon aus, diese seien „in dem die Feststellungen betreffenden Kernbereich […] übereinstimmend und schlüssig“ gewesen, die ‑ bei den mehrmaligen Vernehmungen zu Tage getretenen -„Widersprüchlichkeiten in Randbereichen“ hätten die Glaubwürdigkeit der Genannten erhöht und habe diese dadurch den Eindruck hinterlassen, dass sie „Reales und nicht einfach Gelerntes stereotyp wiedergab“. Daraus schlossen die Tatrichter in Zusammenhalt mit dem Umstand, dass die Zeugin „bei Gericht einen guten und um Wahrheit bemühten Eindruck“ hinterließ, auf die Wahrheit deren Angaben, zumal auch der psychiatrisch-neurologische Sachverständige die Aussagefähigkeit und ‑tüchtigkeit der Genannten nicht in Frage stellte (US 4 f).

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zeigt hiezu zutreffend auf, dass sich die Tatrichter nicht mit jenen Angaben der Zeugin L***** in ihrer Vernehmung vom 19. November 2012 auseinandergesetzt haben, wonach sie „ab diesem Zeitpunkt“ (als sie in ihrer Wohnung am Fußboden im Wohnzimmer liegend vor Beginn der inkriminierten Tathandlungen des Angeklagten munter geworden ist) das Gefühl gehabt habe, „in Trance“ zu sein, sich nicht genau daran erinnern könne, „was dann passiert ist oder nicht“, und auch nicht wisse, „ob sie die ganze Sache geträumt hat oder nicht“, was sie aber nicht glaube, weil ihr „alles so real vorgekommen“ sei und sie „das so wahrgenommen“ habe (ON 5 S 19).

In diesem Zusammenhang hat es das Erstgericht auch verabsäumt, sich mit jenen Depositionen des ‑ für glaubwürdig erachteten (US 6) ‑ Zeugen Su***** auseinander zusetzen, wonach L*****

‑ bereits auf dem Weg zur Polizei (sohin unmittelbar nach der inkriminierten Tat) Zweifel bezüglich einer Vergewaltigung geäußert habe („Wir haben unterwegs im Auto darüber gesprochen und da hat sie auf einmal diese Zweifel bekommen. Da hat sie das erste Mal zu mir gesagt: 'Was ist, wenn ich mich jetzt doch täusche?“),

Diese erheblichen, den den Schuldspruch tragenden Feststellungen entgegenstehenden und in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 39 S 13) Verfahrensergebnisse haben die Tatrichter unerörtert gelassen, was die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft macht (Z 5 zweiter Fall; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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