OGH 15Os42/14m

OGH15Os42/14m23.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Memedali A***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Jänner 2014, GZ 64 Hv 14/13s‑157, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Memedali A***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG (A/I), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall, Abs 2 (A/II), des Verbrechens des Suchtgifthandels als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B/I) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 erster Satz dritter Fall und Abs 2 SMG (B/II) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ vorschriftswidrig Suchtgift,

I./ teilweise (zu 1.) gewerbsmäßig in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge anderen überlassen, nachdem er bereits einmal, und zwar mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Mai 2010, AZ 82 Hv 70/10d, wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, und zwar

1./ von etwa 3. Oktober 2012 bis 24. November 2012 (US 5: in Wien) insgesamt etwa 551 Gramm Heroin, beinhaltend etwa 16,53 Gramm reines Heroin, in zahlreichen Angriffen unbekannt gebliebenen Abnehmern durch gewinnbringenden Verkauf;

2./ im Oktober 2012 in Skopje/Mazedonien 2.327 Gramm Heroin (darin enthalten insgesamt 15,81 Gramm Monoacetylmorphin, 231,76 Gramm reines Heroin und 18,34 Gramm Acetylcodein), dem Samet Aj***** für die Einfuhr nach Österreich;

II./ am 25. November 2012 in Wien in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das Fünfzehnfache übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar 3.752,6 Gramm Heroin (darin in Reinsubstanz 30 Gramm Monoacetylmorphin, 47,9 Gramm Heroin und 6 Gramm Acetylcodein), die er in seiner Wohnung aufbewahrte;

B./ Nachgenannte dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift

I./ in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge aus Mazedonien aus‑ und über Serbien und Ungarn nach Österreich einzuführen, und zwar

1./ im Oktober 2012 den Samet Aj***** zur Ausfuhr von 997 Gramm Heroin (beinhaltend 6,5 Gramm Monoacetylmorphin, 98,9 Gramm Heroin und 7,7 Gramm Acetylcodein), indem er ihn beauftragte, es in einem Anhänger zu verbergen und auf dem beschrieben Weg nach Österreich zu schmuggeln, woraufhin der Genannte seinen Onkel Imer Aj***** ersuchte, den Anhänger zunächst nach Serbien zu bringen, der ihn dort ohne Kenntnis des Inhalts an einen Eurolines‑Bus anhängte, wobei in weiterer Folge Ismet K***** und Fekret S***** in Unwissenheit über den Inhalt des Anhängers den Bus samt Anhänger von Serbien über Ungarn nach Österreich brachten und am 21. Oktober 2012 in Wien von Polizeikräften angehalten wurden;

2./ im November 2012 den Rufki D***** über unbekannte Täter in Mazedonien zur Lieferung von 500 Gramm Heroin beinhaltend 15 Gramm reines Heroin (US 7: nach Wien), indem er das Suchtgift bei unbekannten Tätern in Mazedonien bestellte;

3./ im November 2012 Rufki D***** über einen „B*****“ zur Lieferung von 965 Gramm Heroin beinhaltend 4,7 Gramm Monoacetylmorphin, 153,5 Gramm Heroin und 9,76 Gramm Acetylcodein (US 8: nach Wien), indem er dieses Suchtgift beim Letztgenannten in Mazedonien bestellte, das Geld dafür in Mazedonien bezahlen ließ und dem Kurier D***** während der Fahrt die Zieladresse per SMS mitteilte, wobei D***** am 25. November 2012 (US 8: in Wien) festgenommen wurde;

II./ jeweils mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das Fünfzehnfache übersteigenden Menge von der österreichischen Staatsgrenze nach Wien zu befördern, und zwar

1./ im Oktober 2012 die in Punkt B./I./1./ genannte Heroinmenge durch die dort beschriebenen Handlungen,

2./ im November 2012 die zu Punkt B./I./3./ genannte Heroinmenge durch die dort beschriebenen Handlungen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurde der in der Hauptverhandlung am 4. Juni 2013 (ON 119) erfolgte Widerruf der den Angeklagten ursprünglich belastenden Angaben des Zeugen Aj***** nicht übergangen, sondern ausführlich erörtert (US 16 ff). Auf jedes Detail dieser in ihrer Gesamtheit ohnehin gewürdigten Aussage einzugehen, war der Gerichtshof nicht verhalten, weil § 270 Abs 2 Z 5 StPO nur eine auf das Wesentliche beschränkte gedrängte Darstellung der Urteilsgründe verlangt (RIS‑Justiz RS0106642).

§ 258 StPO gebietet dem erkennenden Gericht, bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist, und die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft zu prüfen ( Lendl , WK‑StPO § 258 Rz 3, 5, 9, 25 f, 31). Mit der Behauptung einer unzureichenden Begründung des Urteils (Z 5 vierter Fall) wegen der (mehrmaligen) Bezugnahme im Rahmen der Beweiswürdigung (auch) auf die (nicht protokollierten) Schlussworte des Verteidigers und die Replik des Staatsanwalts vermag das Rechtsmittel gerade keine Verwertung von nicht in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismitteln aufzuzeigen (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 459; Danek , WK‑StPO § 255 Rz 26). Dass den Tatrichtern bei Beleuchtung der Verfahrensergebnisse ein Eingehen auf (selbst nach dem Schluss des Beweisverfahrens vorgetragene und nicht im Protokoll über die Hauptverhandlung aufscheinende) beweiswürdigende oder wertende Argumente der Verfahrensparteien verwehrt wäre, lässt sich nämlich weder aus § 258 StPO noch aus § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO ableiten.

Gleichfalls unberechtigt ist der Einwand einer bloßen Scheinbegründung der den Schuldspruch A/I betreffenden Annahmen zur subjektiven Tatseite (Z 5 vierter Fall), der sich darauf stützt, dass das Urteil in diesem Zusammenhang (unter anderem) erwähnt, es habe „keinen Zweifel“ daran gegeben, „dass der Angeklagte das Suchtgift gewinnbringend in Verkehr gesetzt haben muss“, und er habe sich mit den festgestellten Umständen „offenbar“ abgefunden (US 14). Denn die Ableitung des deliktsspezifischen Vorsatzes aus den unmittelbar davor im Zusammenhang mit den Erwägungen zum objektiven Tatgeschehen (US 12 f) ausführlich dargelegten Ergebnissen der Telefonüberwachung und den daraus erhellenden laufenden Lieferungen, der permanenten telefonischen Erreichbarkeit sowie der Diskussion der Qualität des betroffenen Suchtgifts, zudem aus der Schuldenlast des Angeklagten, der in der Wohnung aufbewahrten Suchtgiftmenge (vgl US 7; A/II) und dem - nicht zuletzt durch eigenen Konsum bedingten - stetigen Geldbedarf (US 14) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Auch der zu A/I/2, B/I/1 und B/II/1 erhobene Vorwurf einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) durch Verwendung des Wortes „offensichtlich“ im Zuge der Verwerfung der in der Hauptverhandlung getätigten Aussage des Zeugen Aj***** als unglaubwürdig (US 16) und der Bewertung der entgegen früheren Angaben vor dem erkennenden Gericht aufgestellten Behauptung des Genannten, er habe den Angeklagten nach seiner Festnahme bloß angerufen, um mit ihm über ein Auto zu sprechen, das nach Mazedonien gebracht werden solle, als „völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung“ (US 17) geht ins Leere. Denn auch er vernachlässigt die darüber hinausgehenden umfangreichen Erwägungen zu Umständen, die die Tatrichter von der Unwahrheit dieser Aussage überzeugten, nämlich der zusammengefasst dargelegte Inhalt der früheren (den Angeklagten belastenden) Angaben dieses Zeugen, die referierten Ergebnisse der Telefonüberwachung, insbesondere der Zeitpunkt eines nach der Festnahme des Samet Aj***** geführten Telefonats und dessen Inhalt, der sich mit der (nunmehr behaupteten) Bezugnahme auf die geplante Abholung bloß eines Fahrzeugs für sie nicht nachvollziehbar in Einklang bringen ließ (US 14 ff).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit b) zu A/I/2 mit bloßem Hinweis auf den im Ausland gelegenen Tatort und die mazedonische Staatsangehörigkeit des Angeklagten das - vom Erstgericht aus § 64 Abs 1 Z 4 StGB erschlossene (US 2 und 26) ‑ Vorliegen inländischer Gerichtsbarkeit bestreitet, leitet sie die gewünschte rechtliche Konsequenz (Freispruch) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116565), weil sie darzulegen verabsäumt, weshalb eine Verletzung österreichischer Interessen im Sinn der genannten Norm (vgl RIS‑Justiz RS0092209, RS0092207) gerade im Fall einer (hier konstatierten) Bestimmung des tatverfangenen Suchtgifts für die Einfuhr nach und den Verkauf in Österreich (US 6 f) nicht gegeben sein soll.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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