OGH 12Os28/14f

OGH12Os28/14f3.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müllner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maximilian H***** wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 9 U 30/13y des Bezirksgerichts Thalgau, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 1. August 2013, GZ 9 U 30/13y‑12, und weitere Vorgänge erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 9 U 30/13y des Bezirksgerichts Thalgau verletzt

1./ die Unterlassung der Verfahrenseinstellung trotz Fehlens der zur Verfolgung der angeklagten Straftaten vom 12. Februar, 16. Februar und 2. März 2013 nach der Aktenlage erforderlichen Ermächtigung zur Strafverfolgung § 451 Abs 2 StPO;

2./ das Urteil vom 1. August 2013, GZ 9 U 30/13y‑12, in den Schuldsprüchen Punkt 2./ bis 4./ § 108 Abs 3 StGB;

3./ die gekürzte Ausfertigung des Urteils durch Unterlassung einer zumindest schlagwortartigen Begründung der Anwendung des § 13 Abs 1 JGG, § 13 Abs 2 JGG iVm §§ 270 Abs 4 Z 2, 447 StPO.

Das Urteil wird aufgehoben und Maximilian H***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe Arnold K***** durch die Vorgabe, den Fuhrlohn für die Taxifahrt vom 10. Februar 2013 begleichen zu wollen, am 12. Februar, 16. Februar und am 2. März 2013 zu drei Taxifahrten verleitet, wodurch der Genannte einen Schaden von insgesamt 73,90 Euro erlitt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs zu Punkt 1./ wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Thalgau verwiesen.

Text

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 1. August 2013, GZ 9 U 30/13y‑12, wurde der am 6. November 1995 geborene Maximilian H***** des Vergehens des Betrugs nach § 146 Abs 1 StGB (1./) und mehrerer Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB (2./ bis 4./) schuldig erkannt.

Danach hat er Arnold K*****

1./ am 10. Februar 2013 in H***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Fahrgast zu sein, zur Durchführung einer Taxifahrt verleitet, die diesen am Vermögen im Betrag von 45 Euro schädigte;

sowie diesen

in S***** und E***** dadurch in seinen Rechten absichtlich einen Schaden am Vermögen zugefügt, dass er ihn durch die Vorgabe, den zu 1./ genannten Fuhrlohn und die jeweiligen Anreisen begleichen zu wollen, zur Durchführung weiterer Fahrten verleitete, und zwar

2./ am 12. Februar 2013 im Betrag von 10,10 Euro;

3./ am 16. Februar 2013 im Betrag von 12,50 Euro;

4./ am 2. März 2013 im Betrag von 51,30 Euro.

Gemäß § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten. Eine Begründung hiefür unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in der gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, stehen das Vorgehen des Bezirksgerichts Thalgau und die Schuldsprüche 2./ bis 4./ mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang.

Die Einleitung und Durchführung des Hauptverfahrens setzt in den vom Gesetz geforderten Fällen nicht nur eine Anklage, sondern auch eine Ermächtigung des Berechtigten zur Verfolgung voraus (§ 4 Abs 2 StPO), die spätestens bei Einbringen der Anklage vorliegen muss (§ 92 Abs 2 erster Satz StPO).

Eine Vorprüfung des Strafantrags auf Vorliegen eines Verfolgungshindernisses hat dabei nicht anhand der rechtlichen Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft, sondern nach Maßgabe des Akteninhalts zu erfolgen (Fabrizy, StPO11 § 451 Rz 2). Ein nach der Aktenlage ohne Vorliegen der erforderlichen Zustimmung angeklagtes Ermächtigungsdelikt muss noch vor Anberaumung der Hauptverhandlung zur Verfahrenseinstellung führen (RIS‑Justiz RS0126520).

Fallbezogen weisen nicht einmal die ‑ alleinige Grundlage für die Tatvorwürfe bildenden ‑ Angaben des Arnold K***** auf einen Bereicherungsvorsatz des Angeklagten bei den Tathandlungen vom 12. Februar, 16. Februar und 2. März 2013 hin. Die im (schriftlichen) Strafantrag dem Vergehen des Betrugs unterstellten Taten vom 12. Februar, 16. Februar und 2. März 2013 vermögen daher von vornherein lediglich eine Subsumtion unter das Delikt der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB zu begründen (RIS‑Justiz RS0093030 [T2]).

Zufolge Fehlens der von § 108 Abs 3 StGB geforderten Ermächtigung oder einer Erklärung des Geschädigten, als Privatbeteiligter am Verfahren mitzuwirken (§ 92 Abs 2 letzter Satz StPO iVm § 67 StPO), hätte im Umfang dieser Anklagevorwürfe nicht die Anberaumung der Hauptverhandlung, sondern die beschlussmäßige Verfahrenseinstellung erfolgen müssen.

Die nach erfolgter Modifikation des Strafantrags (ON 11 S 3 f) in der Hauptverhandlung zu 2./ bis 4./ anklagekonform ergangenen Schuldsprüche des Angeklagten wegen Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB verletzen § 108 Abs 3 StGB.

Da sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Angeklagten auswirkten, war deren Feststellung mit der aus dem Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu versehen (§ 292 letzter Satz StPO).

Gemäß § 292 erster Satz, § 289 StPO war aufgrund des Teilfreispruchs zudem der wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB ergangene Schuldspruch 1./ zu kassieren, um ein gegen den unbescholtenen jugendlichen und geständigen Angeklagten, der den Schaden bereits vor der Anklageerhebung gut gemacht hat (ON 2 S 5), mögliches Vorgehen des Bezirksgerichts nach dem 11. Hauptstück der StPO zu eröffnen (RIS‑Justiz RS0119278 [T1]).

Gemäß § 13 Abs 2 JGG ist die Entscheidung, dass der Ausspruch der Strafe vorbehalten und eine Probezeit bestimmt wird, in das Urteil aufzunehmen und zu begründen. Nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 13 Abs 2 JGG hat die in gekürzter Form erfolgte Urteilsausfertigung die als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die Gründe für den Vorbehalt der Strafe zumindest in Schlagworten zu enthalten. Der Hinweis auf § 13 JGG in der gekürzten Urteilsausfertigung entspricht diesem Begründungsgebot nicht (RIS‑Justiz RS0127274). Die Gesetzesverletzung war mit Blick auf die Kassation mangels weiterer nachteiliger Auswirkung für den Angeklagten lediglich festzustellen.

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