OGH 2Ob29/14z

OGH2Ob29/14z28.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin E***** F*****, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten H***** F*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. November 2013, GZ 4 R 176/13d‑29, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. August 2013, GZ 41 Cg 143/12m‑24, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin 30.000 EUR sA zu zahlen und die Prozesskosten zu ersetzen, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 17.044,54 EUR (darin 2.391,09 EUR USt und 2.698 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Tochter des Beklagten. Dieser führte ab dem Jahr 1993 eine Tabaktrafik. Mit 1. 10. 2001, als der Beklagte sein 60. Lebensjahr vollendet hatte, übergab er die Trafik der Klägerin ‑ die dazu mit der Monopolverwaltung GmbH einen Bestellungsvertrag abschloss -, führte sie aber vereinbarungsgemäß für vorerst vier Jahre selbst weiter. Im Dezember 2004 einigten sich die Parteien auf eine monatliche Zahlung des Beklagten an die Klägerin ab 1. 10. 2005 von 2.500 EUR. Ein Teil dieses Betrags, und zwar 1.000 EUR, wurde ‑ ausschließlich aus steuerlichen Gründen ‑ (fälschlich) als Gehalt für die damalige Lebensgefährtin der Klägerin tituliert. Für den Fall, dass sich die wirtschaftliche Lage der Trafik, aus welchem Grund auch immer, derart verschlechtere, dass die vereinbarten Leistungen nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht erbracht werden können, stand es der Klägerin frei, die Vereinbarung durch einseitige Erklärung fristlos aufzulösen. Von Oktober 2005 bis September 2006 überwies der Beklagte der Klägerin regelmäßig monatlich 2.500 EUR. Ab September 2006 bezahlte er ihr nur mehr 1.500 EUR pro Monat. Als die Monopolverwaltung der Klägerin die Möglichkeit eröffnete, eine Tabaktrafik an einem anderen Standort zu übernehmen, kündigte sie die Vereinbarung mit dem Beklagten und schloss die Trafik im August 2011. Seit 1. November 2011 führt sie eine Tabaktrafik an einem anderen Standort.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten ‑ gestützt auf die im Dezember 2004 getroffene Vereinbarung ‑ die Zahlung von 30.000 EUR an rückständigen Beträgen für den Zeitraum März 2009 bis einschließlich August 2011 (30 Monate à 1.000 EUR).

Der Beklagte bestreitet seine Zahlungsverpflichtung: Zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, dass sich seine Leistungen am Umsatz der Trafik orientieren und bei Bedarf herabgesetzt werden könnten. Vereinbart worden sei schließlich eine Reduzierung auf einen monatlichen Betrag von 1.500 EUR. Die Klägerin habe Wechsel des Beklagten in dieser Höhe akzeptiert, womit sie zumindest konkludent mit dieser Reduktion einverstanden gewesen sei. Die Klägerin habe gegen ihre Verpflichtung zur Schadenminderung verstoßen, indem sie die Vereinbarung trotz des behaupteten Zahlungsverzugs des Beklagten nicht fristlos aufgelöst habe. Zudem sei sie in einem Verfahren des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, das der Beklagte gegen sie angestrengt habe, selbst von einem Pachtverhältnis zwischen den Streitteilen ausgegangen. Gemäß § 36 Abs 6 Tabakmonopolgesetz (TabMG) sei eine Verpachtung eines Trafikunternehmens jedoch verboten, die Vereinbarung zwischen den Streitteilen daher nichtig iSd § 879 ABGB. Aus einem nichtigen Vertrag könne die Klägerin keine Leistung fordern.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Streitteile hätten die vereinbarte Zahlung weder ausdrücklich noch schlüssig von 2.500 EUR auf 1.500 EUR monatlich herabgesetzt. Zwar sei jede Art von Abtretung oder Verpachtung einer Trafik gemäß § 36 Abs 6 TabMG verboten, die Zahlungsvereinbarung zwischen den Streitteilen widerspreche aber nicht dem Zweck der verletzten Norm. Diese wolle nämlich sicherstellen, dass nur geeignete Personen, die auch über einen Bestellungsvertrag mit der Monopolverwaltung verfügen, eine Trafik führen, und dass der Zweck der Schaffung von Existenzgrundlagen, insbesondere für behinderte Menschen, nicht umgangen werde. Zur Durchsetzung dieses Zwecks bestehe die Möglichkeit der Monopolverwaltung, den Bestellungsvertrag mit dem zuwiderhandelnden Trafikanten zu kündigen. Beide Streitteile hätten die Voraussetzungen für die Führung einer Tabaktrafik erfüllt. Die Nichtigkeitssanktion des § 879 Abs 1 ABGB sei daher für die Zahlungsvereinbarung zwischen den Streitteilen nicht erforderlich, weil dadurch die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks nicht gefährdet sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision zur Frage des Normzwecks des § 36 Abs 6 TabMG 1996 für zulässig. Es verneinte ein konkludentes Einverständnis der Klägerin mit der Reduktion der Zahlungen, da sie den Beklagten häufig zu Zahlungen aufgefordert und dieser sie vertröstet habe. Die Berufung des Beklagten auf eine Schadenminderungspflicht der Klägerin scheitere schon daran, dass die Klägerin keinen Schadenersatz geltend mache. Zur behaupteten Nichtigkeit der Verpachtung der Tabaktrafik führte das Berufungsgericht aus, die Vereinbarung zwischen den Streitteilen verstoße zwar formal gegen das Abtretungs- und Verpachtungsverbot des § 36 Abs 6 TabMG und hätte zur Auflösung des Bestellungsvertrags der Klägerin mit der Monopolverwaltung GmbH führen können. Die Vereinbarung sei aber nicht geeignet, den vom Gesetzgeber mit der Bestimmung angestrebten sozialpolitischen Zweck ‑ die Bevorzugung von wirtschaftlich benachteiligten Personen ‑ zu gefährden, zumal davon auszugehen sei, dass für den Beklagten die seinerzeit vorgelegenen Bestellungsvoraussetzungen auch über den Zeitpunkt der Übergabe der Trafik an die Klägerin hinaus aufrecht gewesen seien. Der Beklagte könne sich daher nicht erfolgreich auf die Nichtigkeit seiner Vereinbarung mit der Klägerin berufen. Es stehe fest, dass der Beklagte monatlich 2.500 EUR vereinbarungsgemäß an die Klägerin zu leisten gehabt habe. Dass mit Kenntnis beider Streitteile aus steuerlichen Gründen eine Dritte mit einem Gehalt von 1.000 EUR im Betrieb angemeldet, tatsächlich dort aber nie beschäftigt gewesen sei und den Gehalt auch nie erhalten habe, möge noch Rechtsfolgen nach sich ziehen, führe aber nicht zur zivilrechtlichen Leistungsfreiheit des Beklagten in diesem Umfang. Denn nicht die vereinbarte Zahlung von 2.500 EUR an die Klägerin (in der jener Betrag von 1.000 EUR enthalten gewesen sei) diene einem verpönten Zweck, sondern die wahrheitswidrige Anmeldung einer Angestellten im Betrieb sei verboten.

Der Beklagte macht in seiner Revision die unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts geltend und beantragt, die Klage abzuweisen. Die Entscheidung widerspreche einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1934 zur Verlegervorschrift bzw Trafikantenvorschrift aus 1911 (SZ 16/169). Demgemäß sei eine diesen Normen entgegenstehende zivilrechtliche Vereinbarung über die Verpachtung einer Tabaktrafik gemäß § 879 ABGB unwirksam. Dasselbe lasse sich auch aus Entscheidungen aus den Jahren 1932 (SZ 14/160) und 1962 (SZ 35/135) ableiten. Der nunmehrige § 36 Abs 6 TabMG 1996 enthalte eine absolute Nichtigkeitssanktion. Die Bestimmung bedürfe daher keiner Interpretation und der Normzweck sei nicht zu hinterfragen. Im Übrigen bedinge aber der Normzweck, dass die bestellte Person das Unternehmen selbst zu führen habe. Das Geschäft sei daher absolut nichtig und die Klägerin könne daraus keine Ansprüche ableiten. Der Beklagte wiederholt auch noch sein Argument, wonach die Klägerin durch die nicht (früher) erfolgte Inanspruchnahme des fristlosen Auflösungsrechts ihre Schadenminderungspflicht verletzt habe.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Das TabMG enthält unter anderem folgende Bestimmungen: Die Monopolverwaltung GmbH bestellt den Bewerber durch zivilrechtlichen Vertrag zum Tabaktrafikanten (§ 34 Abs 1). Bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern sind bestimmte Gruppen von begünstigten Personen, wie etwa nach dem Opferfürsorgegesetz, Heeresversorgungsgesetz, Kriegsopferversorgungsgesetz, oder nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (§ 29) bzw deren Angehörige, wenn sonst deren wirtschaftliche Existenz wesentlich erschwert wäre (§ 31), zu bevorzugen. Für die Auswahl unter mehreren Personen ist das Maß der Bedürftigkeit entscheidend. Dabei sind die besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles … zu berücksichtigen (§ 30). Grundsätzlich bestimmt die für jedes Bundesland zu bildende Besetzungskommission, bestehend aus je einem Vertreter des zuständigen Zollamts, der rechtskundig sein muss, der Monopolverwaltung GmbH, des Sozialministeriumservice, des Landesgremiums der Tabaktrafikanten und entweder der organisierten Kriegsopfer oder der organisierten Behinderten (§ 20 Abs 1), wer als Tabaktrafikant zu bestellen ist (§ 32 Abs 1). Jede Art von Abtretung oder Verpachtung eines Tabakfachgeschäfts und die Einräumung von Gewinnbeteiligungen an einem Tabakfachgeschäft sind verboten (§ 36 Abs 6).

2. Zwischen den Parteien ist nicht mehr strittig, dass die (neben dem Übergabevertrag aus dem Jahr 2001) getroffene Vereinbarung zwischen den Streitteilen, wonach der Beklagte die Trafik ab dem 1. 10. 2001 (ohne Bestellungsvertrag, den die Monopolverwaltung GmbH in der Zwischenzeit mit der Klägerin abgeschlossen hatte) weiterführe und die gesamten Einnahmen lukriere, sowie die Vereinbarung aus Dezember 2004, wonach der Beklagte der Klägerin ‑ ohne Rücksicht auf den Geschäftsgang ‑ monatlich 2.500 EUR zu zahlen habe, gegen die Bestimmung des § 36 Abs 6 TabMG verstößt.

3. Gemäß § 879 Abs 1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig.

Nicht jedes Rechtsgeschäft, das in irgendeiner Weise gegen die Rechtsordnung verstößt, ist deshalb nichtig. Diese Rechtsfolge muss vielmehr entweder ausdrücklich angeordnet oder vom Verbotszweck erfordert werden (RIS‑Justiz RS0016840; RS0016417; Bollenberger in KBB3 § 879 ABGB Rz 3 mwN).

Bei Verstößen gegen Gesetze, die dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit dienen, ist die Rechtsfolge der Nichtigkeit eine absolute. Sie ist von Amts wegen wahrzunehmen und hat die Nichtigkeit des gesamten Geschäfts zur Folge. Auf die Nichtigkeit kann sich dann auch der Vertragspartner berufen, der diese beim Vertragsabschluss gekannt hat, weil anders der Zweck solcher Verbotsnormen kaum zu erreichen wäre. Ein Vertrag, der auf die Umgehung des Fehlens einer Erlaubnis zur Ausübung eines Gewerbes durch einen vorgetäuschten Anstellungsvertrag abzielt, verstößt gegen das Gewerberecht und ist absolut nichtig (9 ObA 338/98s mwN).

4. Die Entscheidung 1 Ob 533/34 = SZ 16/169 beurteilte einen gegen § 29 der Verlegervorschrift bzw § 36 der Trafikantenvorschrift verstoßenden Pachtvertrag als nichtig und wies deshalb die Klage des Verpächters auf Zahlung von Pachtzins ab. Die Tabakverschleißbefugnis sei ein höchstpersönliches Recht des Trafikanten und das Verbot der Verpachtung solle die Gewähr für die Vertrauenswürdigkeit des befugten Verschleißers bieten, seine Überwachung ermöglichen und seinen wirtschaftlichen Bestand sichern.

Gemäß 2 Ob 853/32 = SZ 14/160 sei der Verschleiß von Tabakmaterial ein persönliches Recht des Trafikanten, das nur von der Finanzbehörde übertragen werden könne. Die Tabaktrafik als Unternehmen sei daher nicht Gegenstand einer Exekution.

In der Entscheidung 1 Ob 4/62 = SZ 35/135 wurde ausgesprochen, dass durch das in § 34 der Trafikantenvorschrift angeordnete Verbot der Abtretung oder Verpachtung der Trafik verhindert werden solle, dass der Lizenzinhaber während des aufrechten Bestands seines Vertrags mit der Monopolverwaltung die Trafik faktisch durch andere Personen führen oder andere Personen am Gewinn teilnehmen lasse. Dieser Vorschrift sei aber nicht zu entnehmen, dass eine Abtretung oder Verpachtung auch mit Genehmigung der Monopolverwaltung verboten wäre.

5. Im vorliegenden Fall liegt keine Genehmigung der Verpachtung der Trafik der Klägerin an den Beklagten durch die Monopolverwaltung vor. Die dennoch vorgenommene Verpachtung bzw Abtretung der Trafik ist daher jedenfalls verboten iSd § 36 Abs 6 TabMG.

Die genannte Verbotsbestimmung hat ‑ wie dem Gesamtzusammenhang der oben dargestellten Regelungen des TabMG zu entnehmen ist ‑ zum Zweck, die nicht von der Monopolverwaltung autorisierte Weitergabe von Trafiken zu unterbinden. Das Gesetz sieht einen detaillierten Bestellungsmechanismus unter Beteiligung einer eigens zu bildenden Besetzungskommission vor. Die zwischen den Streitteilen vorgenommene Verpachtung bzw Abtretung der Trafik verstieß eklatant gegen diesen Bestellungsmechanismus. Nur die Besetzungskommission wäre dazu befugt gewesen, die Auswahl der Person des Tabaktrafikanten vorzunehmen. Die Argumentation der Vorinstanzen, der Beklagte habe (in der Vergangenheit) ohnehin die Voraussetzungen für die Zuteilung einer Trafik erfüllt, ist spekulativ und auch irrelevant, weil die Bestimmungen des TabMG nicht nur zum Ziel haben, irgendeine Person, die unter eine der im Gesetz genannten Gruppen von Begünstigten fällt, mit der Trafik zu betrauen, sondern eine konkrete ‑ nach dem von der Besetzungskommission nach dem Maß der Bedürftigkeit und den besonderen Umständen des Einzelfalls auszuwählende ‑ Person. Der Verbotszweck des § 36 Abs 6 TabMG erfordert die Rechtsfolge der Nichtigkeit des Pacht- bzw Überlassungsvertrags zwischen den Streitteilen. Andernfalls würden die zwingenden Vergabekriterien des TabMG unterlaufen.

Der Klägerin erwächst daher aus der nichtigen Vereinbarung mit dem Beklagten kein Anspruch. Über die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ist hier nicht zu entscheiden.

Der Revision ist daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Schriftsatz vom 7. 11. 2012 ist ‑ wegen der Mitteilung des Vollmachtwechsels ‑ nur mit TP 1 zu honorieren, weil die Ausführungen zur Sache im Wesentlichen bloß jene im Einspruch wiederholen.

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