OGH 7Ob195/13x

OGH7Ob195/13x19.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch Dr. Franz Grauf, Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen 13.608,31 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Juli 2013, GZ 7 R 19/13p‑37, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 31. Jänner 2013, GZ 27 Cg 5/12g‑33 bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 908,64 EUR (darin enthalten 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Beklagten für sein Wirtschaftsgebäude in B***** eine „Betrieb & Planen‑Versicherung“ abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen die „B*****-Bedingungen für die Einbruchsdiebstahl-, Feuer-, Leitungswasser- und Sturmversicherung“ (BEFLS) der Beklagten mit der Klauselnummer F 741 in der Fassung 01/2002 zugrunde.

Art 1 Z 2 dieser BEFLS legt Folgendes fest:

2. Gebäude

Versichert sind

sämtliche in der Polizze angegebene Gebäude einschließlich alle r Fundamente, Grund- und Kellermauern und aller befestigten Bauteile, die innen oder außen mit dem Gebäude fest verbunden sind

sowie [...]

Art 3 Z 1 dieser BEFLS hat folgenden Wortlaut:

1. Einbruchsdiebstahlversicherung

Versichert sind

Schäden durch versuchten oder vollbrachten Einbruchsdiebstahl.

Als Einbruchsdiebstahl gilt,

wenn der Täter in die Versicherungsräume gelangt ist

- durch […]

- mit richtigen Schlüsseln (Original- oder Duplikatschlüsseln), die sich der Täter durch Einbruch in andere als den versicherten Räumen eines Gebäudes oder durch Raub angeeignet hat.

In der Zeit zwischen 15. 4. 2011 (20:00 Uhr) und 16. 4. 2011 (8:00 Uhr) brachen unbekannte Täter das ‑ auf dem Firmengelände abgestellte ‑ Firmenfahrzeug des Klägers mit einem meiselähnlichen Gegenstand auf und stahlen daraus die Schlüssel für den Lagerraum des Betriebs des Klägers. Mit diesem Schlüssel öffneten sie den Lagerraum und stahlen von dort diverses, im Einzelnen angeführtes Werkzeug.

In der Polizze ist das versicherte Gebäude mit „R*****, Wirtschaftsgebäude massiv gebaut, hart gedeckt“ angegeben. Darüber hinaus gibt es hinsichtlich des versicherten Gebäudes keine weiteren Vereinbarungen zwischen den Streitteilen. Es besteht auch keine besondere Vereinbarung betreffend die Versicherung von Kraftfahrzeugen. Gemäß Punkt 0200 der Versicherungspolizze sind Kraftfahrzeuge vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Einen Schlüssel zum Lager hatten der Kläger und einer seiner Mitarbeiter, der vom Kläger angewiesen war, den Lagerschlüssel im Auto, versteckt im Handschuhfach, aufzubewahren.

Zum Zeitpunkt des Diebstahls war das Firmenfahrzeug des Klägers, ein VW Transporter, auf dem Firmengelände des Unternehmens unter einem Flugdach, das direkt an das Bürogebäude angebaut ist, abgestellt. Der Lagerraum ist als eigenes Gebäude mit dem Bürogebäude baulich nicht verbunden, aber unmittelbar daneben situiert. Die beiden Türen des Lagerraumes sind versperrt. Nur wenn der Kläger im Büro anwesend ist, ist die Vordertür des Lagerraumes geöffnet. Die Hintertür ist hingegen immer versperrt. Die Werkzeuge wurden in einer Nische im Lagerraum neben einem Regal verwahrt. Das Betriebsgelände ist von der Straße aus frei zugänglich und wird auch nicht überwacht.

Der Kläger begehrt die Bezahlung von 13.608,31 EUR sA. Als Einbruchsdiebstahl gelte nach den maßgeblichen AVB, wenn der Täter mit richtigen Schlüsseln, die er sich durch Einbruch in andere als die versicherten Räume eines Gebäudes oder durch Raub angeeignet habe, in die Versicherungsräume gelange. Diese Bestimmung sei gemäß §§ 914 f ABGB dahin auszulegen, dass bei einem Einbruch in ein Kraftfahrzeug zur Erlangung der Originalschlüssel Versicherungsschutz gegeben sei. Daher sei die Beklagte zur Bezahlung des Wiederbeschaffungswerts der gestohlenen Werkzeuge verpflichtet.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Ein Kraftfahrzeug sei nicht unter den Begriff „Raum eines Gebäudes“ zu subsumieren. Es liege im Interesse der Beklagten als Versicherer, dass Originalschlüssel in versperrten Räumen verwahrt würden, weil die Überwindung einer PKW‑Verriegelung mit wesentlich weniger Mühe zu bewerkstelligen sei als ein Einbruch in Räume eines Gebäudes. Außerdem habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt, weil er die Schlüssel in einem PKW zurückgelassen habe, weshalb die Beklagte auch gemäß § 61 VersVG leistungsfrei sei. Das Klagebegehren sei auch überhöht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unter Berücksichtigung der möglichen Bedeutung des Wortes „Raum“ sei durchaus im weitesten Sinn auch ein Kraftfahrzeug als solcher anzusehen. Betrachte man allerdings den gesamten Wortlaut der maßgebenden Bestimmung, insbesondere die Formulierung „in andere als den versicherten Räumen eines Gebäudes“, so könne auch bei weitester noch möglicher Auslegung des Wortsinns ein Kraftfahrzeug nicht darunter subsumiert werden. Aufgrund „doch klaren“ Wortlauts dieser Bestimmung bleibe für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 915 ABGB kein Platz.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil unter Verweisung auf die zutreffende, die oberstgerichtliche Judikatur zur Auslegung von Versicherungsbedingungen berücksichtigende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Ergänzend hielt es den Argumenten des Klägers entgegen, durch die zitierte Wortfolge werde unmissverständlich klargestellt, dass nur ein Einbruch in einen Raum eines Gebäudes die Deckungspflicht des Versicherers auslösen solle. Selbst wenn man den PKW als Raum qualifiziere, sei für den Kläger daher nichts gewonnen, weil sich der PKW in keinem Gebäude, sondern am ungesicherten Firmengelände befunden habe. Die angestrebte Auslegung der maßgeblichen Versicherungsbedingung scheitere auch dann an dem die äußerste Grenze der Auslegung darstellenden Wortlaut der Bedingung, wenn man berücksichtige, dass eine Versicherungsdeckung auch gegeben sei, wenn sich der Täter während der Betriebszeit des Unternehmens heimlich in die versicherten Räumlichkeiten einschleiche, um nach Betriebsschluss gestohlene Sachen wegzubringen.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage befasst habe, ob die AVB der Beklagten dahin auszulegen seien, dass von einem Einbruchsdiebstahl auszugehen sei, wenn die Täter den Originalschlüssel durch Einbruch in dem am Firmengelände abgestellten PKW erlangen.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der Revisionsbeantwortung der Beklagten wird beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

AVB sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie sie sich dem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Ihre Klauseln sind, wenn sie ‑ wie hier ‑ nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901). Die Auslegung von AVB hat sich also ‑ mit anderen Worten ‑ am Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu orientieren und an einem Maßstab, der den Kriterien der §§ 914 f ABGB weitgehend entspricht. Unklarheiten sind zu Lasten des Versicherers auszulegen, weil dies die Interessen des Vertrauensschutzes erfordern, der „erkennbare Zweck“ einer Bestimmung der AVB muss aber stets beachtet werden. Risikoeinschränkende Klauseln besitzen daher in dem Maße keine Vertragskraft, als deren Verständnis von einem Versicherungsnehmer ohne juristische Vorbildung nicht erwartet werden kann (RIS‑Justiz RS0112256).

Dementsprechend müssen nach objektivem Gesichtspunkt als unklar aufzufassende AVB (zwar) so ausgelegt werden, wie dies der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen (7 Ob 183/13g); zu berücksichtigen bleibt allerdings in allen Fällen der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck der Bestimmung (RIS-Justiz RS0017960; 7 Ob 19/10k; 7 Ob 212/09s).

Die vorliegende Klausel stellt klar, dass nur ein Einbruch in den Raum „ eines Gebäudes “ die Deckungspflicht des Versicherers auslösen soll. Die Beurteilung der Vorinstanzen, diesem Begriff könne ein Kraftfahrzeug jedenfalls nicht unterstellt werden, weshalb die vom Kläger angestrebte Auslegung an dem „die äußerste Grenze darstellenden“ Wortlaut der Bedingung scheitere, entspricht der dargelegten ständigen Rechtsprechung.

Wenn der Revisionswerber demgegenüber meint, die konkrete Textpassage könnte auch so verstanden werden, dass es sich um andere Räume „als den versicherten Räumen eines Gebäudes handeln muss“ und das Wort „Gebäudes“ am Ende des Satzes nicht zwingend auf das Wort „andere“ zu beziehen sei, bleibt Folgendes unberücksichtigt:

Um ein solches Verständnis zu ermöglichen, müssten in der Bestimmung (grammatikalisch richtig) „andere als die versicherten Räume“ angeführt sein, und außerdem müsste die Beschränkung auf Räume „ eines Gebäudes “ fehlen oder zumindest der bestimmte Artikel („des Gebäudes“) verwendet werden. Nur dann wären lediglich „die versicherten Räume, also jene des (versicherten) Gebäudes“ ausgenommen, sodass eine Auslegung (zu Lasten des Versicherers) ergeben könnte, dass eine Aneignung der „richtigen“ Schlüssel durch Einbruch in jegliche Art von anderen Räumen (also auch in einen PKW) geschützt sein könnte.

Die hier auszulegende Klausel enthält aber keine solche Formulierung. Ihr Text umschreibt vielmehr die vom Versicherungsschutz mitumfasste Schlüsselaufbewahrung in anderen ‑ als den versicherte n Räumen eines Gebäudes: Der hier definierte Versicherungsfall, soll demnach nur dann eintreten, wenn sich der Täter die verwendeten Schlüssel in „ einem Gebäude“ angeeignet hat und damit in die Versicherungsräume gelangte.

Der einem objektiven Betrachter klar erkennbare Zweck des ‑ der allgemeinen Bezeichnung „in anderen Räumen“ beigefügten ‑ Zusatzes („eines Gebäudes“) liegt offenkundig in der Beschränkung auf Räume, die eine solche weitere (für den Innenraum eines PKW eindeutig nicht zutreffende) Qualifikation erfüllen. Die hier zu beurteilende Klausel legt damit näher fest, wo sich der Täter die richtigen Schlüssel „angeeignet“ haben muss.

Dass sich die verwendeten Schlüssel zuvor in Räumen eines Gebäudes , die andere als die versicherten sind, befunden haben müssen, ergibt im Übrigen auch ein Vergleich mit der Klausel des Art 2 Abs 1 lit e AEB 1996, die der Entscheidung 7 Ob 218/97b (auf die sich der Kläger auch in der Revision ausdrücklich stützt) zugrunde lag. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut:

e) unter Anwendung der richtigen Schlüssel, d.s. Original- oder Duplikatschlüssel gelangt ist, sofern er diese anderwärts durch Einbruchsdiebstahl in Räumlichkeiten eines Gebäudes im Sinne der vorstehenden Bestimmungen zu lit. a - d oder durch Beraubung (Anwendung von tätlicher Gewalt gegen eine Person oder Androhung einer solchen, um sich der Schlüssel zu bemächtigen) an sich gebracht hat .

Nichts anderes ist der zitierten Formulierung in den Klauseln der Beklagten zu entnehmen, in der offenbar nur der Buchstabe „n“ am Ende des Wortes „andere“ fehlt: Auch hier wird genau festgelegt, wie und wo sich der Täter die richtigen Schlüssel „ angeeignet “ haben muss: nämlich „ durch Einbruch “ und zwar „ in andere [n] als den versicherten Räumen eines Gebäudes “; auch er muss sie ‑ wie nach der Bestimmung des Art 2 Abs 1 lit e AEB 1996 im Fall 7 Ob 218/97b ‑ „ anderwärts “ und durch „ Einbruchsdiebstahl in Räumlichkeiten eines Gebäudes “ an sich gebracht haben.

Dass die damaligen Versicherungsbedingungen „im Wesentlichen den hier gegenständlichen entsprechen“, hält der Revisionswerber selbst fest. Soweit sich die Revision weiterhin auf diese Entscheidung beruft, ist ihr zu erwidern, dass zwar zu 7 Ob 218/97b die Auffassung des dort klagenden Versicherers wiedergegeben wurde, dass nur der durch Einbruch in einen anderen Raum „oder ein Fahrzeug“ entwendete Originalschlüssel, mit dem letztlich der Diebstahl erfolgte, die Deckungspflicht des Versicherers auslösen könne. Die hier zu beantwortende Frage stellte sich dort aber gar nicht, weil der Schlüssel ohnehin (in einem versperrten Behältnis) im Raum eines Gebäudes aufbewahrt war.

Da die Beurteilung des Berufungsgerichts keinen Bedenken begegnet, ist der Revision des Klägers ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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