OGH 25Os5/14v

OGH25Os5/14v12.2.2014

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 12. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Dr. Fink sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in der Disziplinarsache gegen Dr. Harald M*****, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 7. Oktober 2013, GZ D 3/13‑12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0250OS00005.14V.0212.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass Dr. Harald M***** bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens das Vertretungsrecht in Strafsachen vor den Gerichten des Sprengels des Landesgerichts Leoben entzogen wird.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde dem Disziplinarbeschuldigten als einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 1 Z 1 und Abs 3 Z 1 lit b DSt bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens das Vertretungsrecht in Strafsachen vor den Gerichten des Oberlandesgerichtssprengels Graz entzogen, weil gegen ihn zu AZ 6 U 31/13g des Bezirksgerichts Liezen ein Strafverfahren geführt wird, in dem ihm die Staatsanwaltschaft Leoben ‑ mit am 6. März 2013 eingebrachten Strafantrag ‑ das Vergehen der Umtriebe während einer Geschäftsaufsicht oder im Insolvenzverfahren nach § 160 Abs 1 Z 2 erster Fall StGB zur Last legt. Danach habe er zwischen Februar und 2. März 2011 in Klagenfurt als Vertreter der Verlassenschaft nach Michael B*****, die Gläubigerin im Insolvenzverfahren der Gertrude Ba***** war, für die Ausübung des Stimmrechts in einem bestimmten Sinn oder für das Unterlassen der Ausübung des Stimmrechts einen Vermögensvorteil von 2.400 Euro für seine Mandantin angenommen. Eine Hauptverhandlung fand bisher nicht statt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten mit dem Begehren, die Entziehung des Vertretungsrechts in Strafsachen auf die Gerichte des Sprengels des Landesgerichts Leoben zu beschränken, damit ihm durch die einstweilige Maßnahme nicht die wirtschaftliche Existenz entzogen werde, zumal er 90 Prozent seiner Vertretungsfälle in Strafsachen vor Gerichten des Sprengels des Landesgerichts Klagenfurt verrichte.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Bei der Anordnung einer einstweiligen Maßnahme nach § 19 DSt sind einerseits das Gewicht des dem Rechtsanwalt zur Last gelegten Disziplinarvergehens, andererseits aber die Besorgnis besonders schwerer Nachteile für die Interessen der rechtssuchenden Bevölkerung und das Ansehen des Standes zu beachten. Um dem Rechtsanwalt nicht seine wirtschaftliche Existenz zu entziehen, muss der Eingriff so behutsam wie möglich erfolgen (RIS-Justiz RS0117087 [T1]).

Die einstweilige Maßnahme der Entziehung des Vertretungsrechts vor bestimmten Gerichten (§ 19 Abs 1 Z 1 iVm Abs 3 Z 1 lit b DSt) soll primär sicherstellen, dass der Anwalt nicht vor jenen Strafgerichten ‑ und diesen übergeordneten Rechtsmittelgerichten ‑ für Mandanten einschreitet, bei denen er sich selbst als Angeklagter zu verantworten hat. Denn es ist davon auszugehen, dass er vor diesen Gerichten wegen des gegen ihn anhängigen Verfahrens nicht unbefangen auftreten und die Interessen seiner Mandanten nicht mit Nachdruck durchsetzen kann, sodass Nachteile für die rechtssuchende Bevölkerung, aber auch für das Ansehen des Standes zu befürchten sind (vgl RIS-Justiz RS0117087 [T2]; Rant in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte, 95 f).

Im vorliegenden Fall endet der Instanzenzug des gegen den Disziplinarbeschuldigten beim Bezirksgericht Liezen geführten Strafverfahrens beim Landesgericht Leoben (§ 31 Abs 6 Z 1, § 479 StPO), sodass eine Kollision zwischen dem gegen ihn im Sprengel des Landesgerichts Leoben geführten Verfahren und gegen Klienten in anderen Sprengeln anhängigen Strafverfahren in der Regel nicht möglich ist.

Hinzu kommt, dass das dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfene, mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohte ‑ und laut Strafantrag nicht zum eigenen, sondern zum Vorteil seiner Mandantin begangene ‑ nicht so gravierend ist, dass die Besorgnis schwerer Nachteile für die Interessen der rechtssuchenden Bevölkerung und das Ansehen des Standes eine über den Sprengel des Landesgerichts Leoben hinausgehende Entziehung der Vertretungsbefugnis rechtfertigen würde.

Die vom Disziplinarrat beschlossene einstweilige Maßnahme der Entziehung des Vertretungsrechts in Strafsachen vor den Gerichten des (gesamten) Oberlandesgerichtssprengels Graz ist daher unverhältnismäßig und war in Stattgebung der Beschwerde spruchgemäß zu reduzieren.

Stichworte