OGH 9ObA161/13m

OGH9ObA161/13m29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Johann Schneller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** O*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** H***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.040,51 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 4.321,08 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 5. September 2013, GZ 10 Ra 40/13w‑40, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 24. Jänner 2013, GZ 38 Cga 72/11b‑35, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Streitteile haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die ordentliche Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Zulassungsausspruch nicht zulässig (RIS‑Justiz RS0102059). Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Der am 4. 6. 1952 geborene Kläger war bis 31. 8. 2009 bei der B***** GmbH als Beleuchter und Beleuchtungsmeister beschäftigt. Ab 2004 erkundigte er sich mehrmals über die ihm im Falle einer Pensionierung zustehende Pensionshöhe, die von der Beklagten jeweils errechnet und ihm als unverbindliche Information mitgeteilt wurde. Aufgrund des ihm Anfang 2009 bekannt gegebenen Betrags stimmte der Kläger seiner Versetzung in den Ruhestand zu. Mit Schreiben vom 24. 6. 2009 teilte ihm die Beklagte mit, dass er „gemäß § 2b Absatz 2 Ziffer 2 Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG), BGBl Nr. 159/1958, mit Ablauf des 31. August 2009 in den dauernden Ruhestand versetzt“ werde und ersuchte ihn zur Sicherstellung eines reibungslosen Ablaufs zur Auszahlung der Pension um die Bekanntgabe verschiedener Daten. Mit Schreiben vom 9. 7. 2009 berief sie sich auf die Versetzung in den Ruhestand nach dieser Bestimmung und teilte dem Kläger mit: „Gemäß den Bestimmungen der §§ 5, 6, 7 und 18c des zitierten Gesetzes wird Ihr Ruhegenuss entsprechend der anrechenbaren Gesamtdienstzeit von … mit 99,93 % der ermittelten Bemessungsgrundlage von EUR 2.475,63, das sind monatlich brutto EUR 2.473,90 EUR bemessen … Außerdem gebührt Ihnen ab dem gleichen Zeitpunkt sowie gemäß § 18f Abs. 3 Ziff. 4 des obzitierten Gesetzes ein Erhöhungsbetrag von brutto EUR 179,93 …“.

Dem Kläger wurde monatlich bis 1. 9. 2010 ein Ruhegenussbetrag von 2.690,82 EUR ausbezahlt. Mit Schreiben vom 26. 8. 2010 teilte ihm die Beklagte mit, dass sein Ruhebezug aufgrund fehlerhafter Berechnung irrtümlich zu hoch bemessen worden sei, der Ruhegenuss richtig 2.570,79 EUR brutto monatlich betrage und die Richtigstellung der Auszahlung zum 1. 9. 2010 veranlasst werde.

3. Das Berufungsgericht erachtete das Begehren des Klägers auf Auszahlung des Differenzbetrages und Feststellung seines Anspruchs auf entsprechend höhere künftige Pensionszahlungen als nicht berechtigt, weil das Schreiben vom 9. 7. 2009 nur als Wissenserklärung der Beklagten über die Höhe ihrer Zahlungspflicht nach Maßgabe des BThPG verstanden werden könne und die von ihr zunächst übersehene Kürzungsbestimmung des § 5b Abs 2 BThPG auch auf keine verfassungswidrigen Bedenken stoße. Dazu zeigt die Revision keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

4. Mit den Ausführungen, dass die Beklagte entgegen ihrer Bezugnahme auf § 2b Abs 2 Z 2 BThPG („bei Änderung in der Organisation oder im Betrieb der Bundestheater“) keine organisatorischen Änderungen geplant gehabt habe, entfernt sich der Kläger vom festgestellten Sachverhalt (Stelleneinsparungen bis 2009; Aufgabenumverteilungen in der Saison 2009/2010; s Ersturteil S 5).

5. Ob eine Erklärung als Wissens‑ oder Willenserklärung aufzufassen ist, begründet aufgrund ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0042555). Die Auslegung einer Urkunde ‑ hier das Schreiben vom 9. 7. 2009 ‑ kann wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nur bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnisgrundsätzen oder mit den gesetzten Auslegungsregeln etwa der §§ 914, 915 ABGB in Widerspruch stünde (vgl RIS‑Justiz RS0043415). Das ist hier nicht der Fall. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte durch die explizite Bezugnahme auf das BThPG in einer für einen redlichen Erklärungsempfänger klar zum Ausdruck kommenden Weise lediglich die Höhe des durch die Bestimmungen des BThPG zustehenden Ruhegenusses bekannt geben wollte, ist völlig vertretbar und bedarf keiner weiteren Korrektur.

6. Die Feststellung des Erstgerichts, dass das Schreiben auch nach Ansicht des unterfertigenden Prokuristen der Beklagten eine rechtsverbindliche Erklärung darstellen sollte, wurde bereits vom Berufungsgericht in den richtigen Kontext gerückt, indem es die Feststellung im Zusammenhang mit dessen Aussage sah, dass die Beklagte stets nur einen Ruhegenuss nach den Bestimmungen des BThPG errechne und die Vereinbarung einer anderen Pensionshöhe rechtlich nicht zulässig sei.

7. Der Kläger vermisst für die Auslegung des Schreibens vom 9. 7. 2009 auch die Berücksichtigung der Feststellungen, dass er mit dem ihm bekannt gegebenen Betrag einverstanden gewesen sei, darauf vertraut habe, dass ihm ein Ruhegenuss in dieser Höhe auch weiter zustehe, er seine Lebenserhaltungskosten danach ausgerichtet habe und er mit der ihm später bekannt gegebenen Pensionshöhe nicht einverstanden gewesen wäre. All das ist jedoch nicht entscheidungswesentlich, weil es noch nicht die Annahme rechtfertigen könnte, dass die Beklagte dem Kläger mit dem Schreiben eine Pension in einer über dem gesetzlichen Anspruch liegenden Höhe zusagen wollte.

8. Nach Ansicht des Klägers sollen aus diesen Feststellungen zu seinem Vertrauen in die Richtigkeit der ihm genannten Pensionshöhe auch Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte ableitbar sein, weil er dadurch veranlasst worden sei, seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand zuzustimmen. Für ein solches Vertrauen kann er sich jedoch weder auf das Schreiben vom 9. 7. 2009 noch auf die vorangegangene Mitteilung über seine Pensionshöhe berufen, weil ersteres erst nach seiner Versetzung in den Ruhestand erging, damit aber keinen Einfluss auf seine Entscheidung mehr haben konnte, und letztere ‑ ebenso wie frühere Mitteilungen der Beklagten ‑ nur unverbindlichen Charakter hatte.

9. Soweit der Kläger für seine Bedenken an der Verfassungskonformität der Kürzungsvorschrift des § 5b Abs 2 BThPG auf seinen Schriftsatz vom 27. 12. 2012 verweist, kann darauf nicht Bedacht genommen werden (RIS‑Justiz RS0043616). Sein weiteres Vorbringen, dass der gesetzliche Eingriff im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs „plötzlich und intensiv“ gewesen sei, begründet der Kläger nur damit, dass er auf die Auszahlungshöhe vertraut und seinen Lebensabschnitt darauf abgestellt habe. Damit widerlegt er aber nicht die Beurteilung des Berufungsgerichts, das unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, dass auch bei Reorganisationspensionierungen eine Kürzung des Ruhegenussanspruchs um rund 4,5 %, die knapp fünf Jahre vor der Ruhestandsversetzung des Klägers in Kraft trat, in Zusammenhalt mit dem gesetzgeberischen Ziel einer langfristigen Sicherung und Harmonisierung des Pensionssystems weder einen gleichheitswidrigen plötzlichen und intensiven noch einen unverhältnismäßigen Eingriff in erworbene Rechtspositionen bedeutet. Ein Sachvorbringen dazu, dass der Kläger im Vergleich zu anderen Berufsgruppen (Balletttänzer, Bläser) benachteiligt werde, enthält die Revision nicht.

10. Da die Revision danach insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft, ist sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).

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