OGH 11Os176/13m

OGH11Os176/13m14.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sattlberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gertrude W***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB, AZ 9 U 165/13x des Bezirksgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang im Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 9 U 165/13x des Bezirksgerichts Innsbruck verletzt der in der Hauptverhandlung am 19. November 2012 erfolgte Vortrag von Aktenstücken § 252 Abs 2a StPO iVm § 447 StPO.

Das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 19. November 2012, GZ 9 U 165/13x-11, wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 9 U 165/13x des Bezirksgerichts Innsbruck legte die Staatsanwaltschaft Gertrude W***** und Josephus H***** mit Strafantrag vom 6. September 2012 (ON 6) ein von ihr rechtlich als Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB beurteiltes Verhalten zur Last.

In der am 19. November 2012 durchgeführten Hauptverhandlung erschienen die Angeklagten nicht, wobei deren persönliche Ladung durch Hinterlegung ausgewiesen war. Im Protokoll über die in Abwesenheit der Gertrude W***** und des Josephus H***** durchgeführten Hauptverhandlung wurde Folgendes festgehaltenen:

„Gemäß § 252 Abs 2 StPO wird dargetan die Anzeige der Polizeiinspektion Innere Stadt ON 2, die polizeilichen Erhebungen ON 5, insbesondere die Strafkarten S 21 und S 15 in ON 5.“

Zufolge der Bezugnahme auf die nicht in der ON 5, sondern in der ON 4 enthaltenen Strafregisterauszüge ist vom Vortrag letztgenannter Ordnungsnummer, demnach auch vom zusammenfassenden Referat des Inhalts des Protokolls über die Vernehmung der Gertrude W***** und Josephus H***** als Beschuldigte und des Zeugen Horst W***** auszugehen.

Mit Abwesenheitsurteil vom 19. November 2012 wurden Gertrude W***** und Josephus H***** des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB schuldig erkannt (ON 11).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht die Vorgangsweise der Richterin des Bezirksgerichts Innsbruck mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der Vortrag des Inhalts der Protokolle über die Vernehmung der Angeklagten, und zwar jeweils im Verhältnis zum Mitangeklagten, war ebenso unzulässig wie das Referat der Angaben des zur Hauptverhandlung nicht geladenen Zeugen Horst W*****.

Die durch § 252 Abs 2a StPO iVm § 447 StPO ermöglichte Abstandnahme von der Vorlesung oder Vorführung von Aktenstücken nach § 252 Abs 1 und Abs 2 StPO (§ 258 Abs 1 StPO) zugunsten eines zusammenfassenden Vortrags setzt die Zustimmung der Beteiligten, also auch die der Angeklagten voraus. Zudem gehören amtliche Protokolle über die Vernehmung von Zeugen und von Mitangeklagten nicht zu den im Abs 2 des § 252 StPO bezeichneten Urkunden und dürfen daher nur in den im Gesetz genannten Fällen (§ 252 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO) verlesen werden. Einer der dort genannten Ausnahmefälle lag gegenständlich nicht vor, insbesondere kann aus dem Nichterscheinen der Angeklagten zur Hauptverhandlung auch keine Zustimmung zur Verlesung von den sie belastenden Aussagen abgeleitet werden (vgl RIS-Justiz RS0117012; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 103).

Da die zu Unrecht vorgetragenen Aktenstücke auch Grundlage des Schuldspruchs waren (ON 11 S 3 dritter Absatz), kann ein durch die Gesetzesverletzung bewirkter Nachteil für die Angeklagten nicht ausgeschlossen werden. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

Die durch den Sachwalter des Zweitangeklagten eingebrachte Berufung (ON 24) gegen das kassierte Urteil ist damit gegenstandslos geworden.

Stichworte