OGH 4Ob212/13z

OGH4Ob212/13z17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** GesmbH, *****, vertreten durch Jeanne Rechtsanwalt GmbH in Wien, wider die beklagte Partei W***** B*****, vertreten durch Dr. Remo Sacherer, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 33.000 EUR), Rechnungslegung (Streitwert 2.000 EUR), Zahlung nach Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. September 2013, GZ 5 R 121/13w-35, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

1. Im Verletzungsstreit betreffend Eingriffe in Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin (Eierverpackungen) ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Umfang des der Klägerin zustehenden Schutzes aus den Gemeinschaftsgeschmacksmustern gemäß Art 10 Abs 1 GGVO auf jedes Geschmacksmuster erstreckt, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt.

2. Eine verletzungsbegründende Überein-stimmung erblickte das Berufungsgericht darin, dass die wesentlichen und auffälligen Merkmale der geschützten Eierverpackungen der Klägerin, nämlich

a) die deutlich hervorgehobenen Eier auf den Schmalseiten und

b) die oben nach außen gewölbte abgeflachte und dann auf den Schmalseiten bis zur Mitte senkrecht weiter verlaufende Fläche für die Etiketten,

im Wesentlichen ident sind mit den Merkmalen der vom Beklagten als Handelsvertreter vermittelten Eierverpackungen. Die vom Beklagten aufgezählten Unterschiede (die leichte Andeutung des mittleren vorderen Eies und die etwas weiter nach vorne ausgeführte Rundung für die vier Eier an den Seiten beim Eingriffsgegenstand, die etwas unterschiedlichen Ausführungen der Deckelfläche und der Versteifungsrillen und die etwas unterschiedliche Ausführung des bei beiden Verpackungen wenig charakteristischen Unterteils) seien unwesentlich, diese Unterschiede bestimmten den Gesamteindruck der beiden Eierverpackungen nicht mit.

3.1. Die einzige vom Beklagten in der Zulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage nach der richtigen Auslegung des Art 8 Abs 1 GGVO berührt keine erhebliche Rechtsfrage, weil von ihr die Entscheidung nicht abhängt.

3.2. Nach der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung hätten auch im Verletzungsstreit jene Merkmale des geschützten Geschmacksmuster bei der Prüfung einer Eingriffshandlung außer Betracht zu bleiben, die technisch-funktional bedingt seien, was auf solche Merkmale zutreffe, für deren Gestaltung technische und nicht ästhetische Gesichtspunkte maßgeblich gewesen seien; ob es Designalternativen gäbe, sei hingegen unerheblich. Die beiden vom Berufungsgericht als wesentliche und auffällige Merkmale der geschützten Eierverpackungen der Klägerin beurteilten Merkmale seien ausschließlich durch technische und nicht durch ästhetische Erwägungen motiviert und hätten daher bei der Verletzungsprüfung nicht berücksichtigt werden dürfen.

3.3. Die Richtigkeit der Auslegung des Art 8 Abs 1 GGVO durch den Beklagten unterstellt, lässt sich dennoch für den Standpunkt des Rechtsmittelwerbers für die Verletzungsprüfung nichts gewinnen:

a) Dass Eier platz- und materialsparend sowie möglichst bruchsicher gelagert werden müssen (Vorbringen der Beklagten Schriftsatz 31. 10. 2012 Punkt 2.2., AS 305/Bd I), begründet noch nicht schlüssig, weshalb zur Erreichung dieses Zwecks die Verpackung deutlich hervorgehobene Eier auf den Schmalseiten aufweisen muss. Zusätzlich ist aus Beilage ./W ersichtlich, dass Eierverpackungen auf dem Markt bestehen, denen das genannte Gestaltungselement völlig fehlt.

b) Weshalb die vom Berufungsgericht als für das Geschmacksmuster charakteristisch beurteilte Form der Etikettenfläche (auf der Oberseite an den Rändern nach außen gewölbt, dann auf den Schmalseiten bis zur Mitte senkrecht gerade weiter verlaufend) technisch-funktional bedingt sein soll, hat der Beklagte im Verfahren nicht vorgetragen. Auch in diesem Zusammenhang ist ergänzend auf den Formenreichtum der Etikettenflächen auf dem Markt befindlicher Eierverpackungen zu verweisen (siehe neuerlich Beil ./W).

3.4. Nach der Literaturstimme, auf die sich der Revisionswerber stützt (Zemann, „Form Follows Function“ - Technische Bedingtheit im Geschmacksmusterrecht, ip competence Heft 7/Juli 2012 5, 15) sei darauf abzustellen, ob durch ein Merkmal überhaupt eine für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Erzeugnisses erforderliche technische Funktion verwirklicht wird; könne man sich das Merkmal nicht wegdenken, ohne dass damit der bestimmungsgemäße Gebrauch des Erzeugnisses beeinträchtigt werde, sei das Merkmal ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt.

Da Eierverpackungen auch ohne deutlich hervorgehobene Eier auf den Schmalseiten und mit Etikettenflächen, die anders ausgeformt sind als beim Klagemuster, bestimmungsgemäß gebraucht werden können, sind beide Elemente - folgt man dieser Auffassung - nicht technisch-funktional bedingt.

Das Berufungsgericht ist daher nicht schon deshalb zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt, weil es beide genannten Merkmale in die Prüfung des Gesamteindrucks des Klagemusters einbezogen hat.

4.1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Einzelfall, das angegriffene Muster erwecke beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster und falle daher in dessen Schutzbereich, ist aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.

4.2. Die Feststellung des übereinstimmenden Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Muster liegt im Übrigen im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. In der Revisionsinstanz ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat.

4.3. Einen gravierenden Fehler bei der Würdigung und Gewichtung einzelner Merkmale des Klagemusters und der angegriffenen Verpackung zeigt das Rechtsmittel nicht auf.

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