OGH 14Os160/13f

OGH14Os160/13f17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mascha als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard P***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB, AZ 26 Hv 75/13v des Landesgerichts Linz, über den auf das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. August 2013, AZ 9 Bs 241/13z (ON 14 der Hv-Akten), bezogenen Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens verfügt, das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. August 2013, AZ 9 Bs 241/13z, aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Gerhard P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 11. Juni 2013, GZ 26 Hv 75/13v-10, an das Oberlandesgericht Linz verwiesen.

Text

Gründe:

Gerhard P***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 11. Juni 2013, GZ 26 Hv 75/13v-10, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt, hiefür zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe sowie zu einer Schadenersatzzahlung an die Privatbeteiligte verurteilt.

Gegen dieses Urteil meldete er „volle Berufung“ an (ON 9 S 8), die in weiterer Folge unausgeführt blieb.

Die Ladung des Angeklagten (der nicht durch einen Verteidiger vertreten war und auf die Teilnahme nicht verzichtet hatte) zur Berufungsverhandlung wurde - laut im Akt erliegender Hinterlegungsmitteilung - nach erfolglosem Versuch persönlicher Zustellung beim zuständigen Postamt am 30. Juli 2013 hinterlegt (nicht journalisierte Hinterlegungsmitteilung [RSB] vom 31. Juli 2013 im Akt 9 Bs 241/13z).

Das Oberlandesgericht Linz führte die Berufungsverhandlung am 21. August 2013 - nach damaliger Aktenlage rechtskonform (vgl § 471 iVm §§ 286 Abs 1, 294 Abs 5 zweiter Satz StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 294 Rz 14, § 296 Rz 2 und § 471 Rz 2) - in Abwesenheit des Angeklagten durch (ON 13 S 3 der Hv-Akten). Es wies die Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe zurück und gab der Berufung im Übrigen nicht Folge (ON 14 der Hv-Akten).

Mit Schreiben vom 12. und vom 18. September 2013 teilte die Österreichische Post AG dem Berufungsgericht mit, dass dem Angeklagten der Rückscheinbrief mit der Ladung bei seinem Behebungsversuch am 19. August 2013 (dem letzten Tag der Abholfrist) nicht habe ausgefolgt werden können, weil dieses Schriftstück „trotz intensiver Suche nicht auffindbar war“.

Rechtliche Beurteilung

Diese (nachträglich zum Akt gekommenen) Urkunden wecken - wie die Generalprokuratur in ihrem gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO gestellten Antrag zutreffend aufzeigt - erhebliche Bedenken an der Annahme des Berufungsgerichts, dem Angeklagten sei die Ladung zur Berufungsverhandlung (wirksam) durch Hinterlegung zugestellt worden:

Gemäß § 17 Abs 3 dritter Satz ZustG gelten hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird (§ 17 Abs 3 zweiter Satz ZustG). Aus der Mitteilung der Österreichischen Post AG ergibt sich, dass der die Ladung enthaltende Rückscheinbrief (jedenfalls am 19. August 2013) nicht aufgefunden werden konnte. Zudem fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Sendung jemals zur Abholung bereitgehalten wurde.

Somit ist eine (nicht vom Obersten Gerichtshof getroffene) Entscheidung eines Strafgerichts auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv unrichtigen Verfahrensgrundlage ergangen, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler anzulasten ist. Dies war durch Verfügung der außerordentlichen Wiederaufnahme auf die im Spruch ersichtliche Weise in analoger Anwendung des § 362 Abs 1 Z 2 StPO zu sanieren (RIS-Justiz RS0117416, RS0117312).

Einer förmlichen Aufhebung der auf dem kassierten Berufungsurteil beruhenden Endverfügung des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 26. August 2013 (ON 15 der Hv-Akten) bedarf es nicht; deren Wegfall ist rechtslogische Folge dieser Entscheidung (vgl RIS-Justiz RS0100444).

Stichworte