OGH 6Ob152/13s

OGH6Ob152/13s16.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. V***** B*****, vertreten durch Dr. Sonja Jutta Sturm‑Wedenig und andere Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei B***** B*****, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz‑Schreiner und Dr. Helmut Klement, Rechtsanwälte in Graz, wegen 5.341,33 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. Mai 2013, GZ 2 R 165/13v‑24, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 14. März 2013, GZ 247 C 38/12d‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00152.13S.1216.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen wird.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.321,91 EUR (darin 220,32 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 821,16 EUR (darin 136,86 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Ehe der beiden deutschen Streitteile ist aufrecht, beim deutschen Amtsgericht Schöneberg behängt jedoch seit 2011 ein Scheidungsverfahren. Die Streitteile waren jeweils Hälfteeigentümer eines in G***** gelegenen Einfamilienhauses, welches als Ehewohnung diente; dieses Haus wurde 2013 veräußert.

Die Vorinstanzen wiesen über Einrede des beklagten Mannes die auf Zahlung von 5.341,33 EUR gerichtete Leistungsklage der Frau wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des Erstgerichts zurück. Die Klägerin mache von ihr getragene Kreditrückzahlungen und sonstige Kosten betreffend die Ehewohnung geltend, weshalb es sich „zweifellos“ um eine Streitigkeit um Vermögen, das sich aus der ehelichen Beziehung ergibt, handle; damit komme eine Anwendung der EuGVVO nicht in Betracht. Da die Klägerin ihre Ansprüche auf § 97 ABGB stütze, liege eine Streitigkeit aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten vor, für die gemäß § 76a JN das Scheidungsgericht ausschließlich zuständig sei; dies sei das deutsche Amtsgericht Schöneberg, an das ein österreichisches Gericht die Rechtssache jedoch nicht überweisen könne.

Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu; es sei denkbar, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Miteigentum an einer Ehewohnung tatsächlich keine Streitigkeit aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung kommt es zunächst einmal nicht darauf an, ob und seit wann in Deutschland ein Ehescheidungsverfahren zwischen den Streitteilen anhängig ist. § 76a JN über die örtliche Verbundzuständigkeit für sonstige Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis ist nämlich nicht als internationale Zuständigkeitsregel anzusehen (2 Ob 535/94 ZfRV 1994, 247; Simotta in Fasching, ZPO² [2000] § 76a JN Rz 42; Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 76a JN Rz 2 ‑ alle mit weiteren Nachweisen). § 76a JN darf deshalb auch keinesfalls so ausgelegt werden, dass während der Anhängigkeit eines Ehescheidungsverfahrens im Ausland das ausländische Gericht für alle aus dem Eheverhältnis entspringenden Streitigkeiten ausschließlich zuständig und deswegen für eine im Inland eingebrachte Klage die internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist (Simotta aaO Rz 43 unter Hinweis auf 2 Ob 535/94 und OLG Düsseldorf IPRax 1983, 129 [Jayme]); vor allem kann eine österreichische Bestimmung nicht die Zuständigkeit ausländischer Gerichte begründen (Simotta aaO).

2. Beide Streitteile hatten bei Klagseinbringung und haben nach wie vor ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich; darüber hinaus hatten sie ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt in Österreich. Bereits damit ist aber die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche gegeben, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Streitigkeit aus dem Eheverhältnis handelt (§ 76 Abs 2 Z 2 und 3 JN analog; vgl Simotta in Fasching, ZPO² [2000] § 76a JN Rz 42; Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 76a JN Rz 2 ‑ beide mit weiteren Nachweisen) oder nicht (§§ 27a, 65 JN) und ob die EuGVVO beziehungsweise die EuUVO zur Anwendung kommen (Art 2 EuGVVO, Art 3 EuUVO).

3. Ob der hier geltend gemachte Anspruch allenfalls von § 137 dFamFG erfasst wäre, kann mangels einer Anordnung im Gemeinschaftsrecht bei Prüfung der internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte dahin gestellt bleiben.

4. Damit war aber dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge zu geben und die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit zu verwerfen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 52 ZPO. Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des aus dem Schriftsatz ON 7 und den Streitverhandlungen vom 1. 10. 2012 und vom 14. 3. 2013 bestehenden erstinstanzlichen Zwischenstreits sowie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

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