Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Streitteile sind türkische Staatsangehörige und seit 1972/73 verheiratet. Die Klägerin lebt seit jeher in der Türkei, der Beklagte lebt und arbeitet seit 1973 in Österreich an einem Ort im Sprengel des Erstgerichtes.
Mit der Klage vom 24.11.1992 begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Leistung monatlichen Unterhalts von S 3.000,- ab Dezember 1992 mit dem Vorbringen, der Beklagte erziele ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.000,- und habe für sie keinen Unterhalt geleistet.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil er stets für die Klägerin und seine Kinder Unterhalt geleistet habe. Weiters wendete er mangelnde inländische Gerichtsbarkeit ein, weil in der Türkei derzeit ein Scheidungsverfahren behänge, sowie die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes, weil die Streitteile in Österreich nie einen gemeinsamen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätten.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurück. Es war der Rechtsmeinung, gemäß § 76a JN sei das Gericht, bei dem das Scheidungsverfahren anhängig sei, auch für den Rechtsstreit über den gesetzlichen Unterhalt zuständig. Gemäß Art 137 des türkischen Zivilgesetzbuches (idF des Gesetzes vom 4.5.1988) habe das für die Scheidung zuständige Gericht auch über die Scheidungsnebenfolgen (wie Unterhalt) zu beschließen, sodaß das türkische (Scheidungs-)Gericht ausschließlich zuständig sei.
Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Rekurses der Klägerin den erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluß ersatzlos auf, trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Es äußerte folgende Rechtsauffassung:
Dem die örtliche Verbundszuständigkeit für sonstige Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis regelnden § 76a JN komme internationale Bedeutung (Geltung) nicht zu, weil gerade die Jurisdiktionsnorm die örtliche Zuständigkeit und die inländische Gerichtsbarkeit unabhängig voneinander regle. Bei der notwendigen Lückenfüllung im Bereich der inländischen Gerichtsbarkeit (= internationalen Zuständigkeit) komme in vermögensrechtlichen Angelegenheiten den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit kraft Gesetzes (über die gesetzlichen Gerichtsstände) Bedeutung in dem Sinn zu, daß mangels ausdrücklicher Abgrenzungsvorschriften die inländische Jurisdiktion durch die Erfüllung (der Voraussetzungen) gesetzlicher Gerichtsstände als "indiziert" gelte und jedenfalls dann zu bejahen sei, wenn der örtliche Zuständigkeitstatbestand eine ausreichende Inlandsbeziehung repräsentiere. Dabei komme dem allgemeinen Gerichtsstand eines Beklagten gemäß § 65 JN besondere Bedeutung zu. Da der Beklagte seinen Wohnsitz im Sprengel des Erstgerichts habe, sei ein hinreichender Anknüpfungspunkt für das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz gerichtete Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, weil zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit in Unterhaltssachen von ausländischen Ehegatten, von denen nur der Beklagte im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, bislang Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt; er ist jedoch nicht berechtigt.
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung besteht die österreichische inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen, die durch positive gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind (für viele: SZ 62/101 = JBl 1990, 396 [Pfersmann]; SZ 62/31; SZ 60/106 uva zuletzt 3 Ob 506/94; Fasching Zivilprozeßrecht2 Rz 76). Für den vorliegenden Unterhaltsrechtsstreit zwischen der in der Türkei lebenden Klägerin und ihrem seit vielen Jahren in Österreich (im Sprengel des Erstgerichtes) lebenden, wohnenden und arbeitenden Ehemann, dem Beklagten, liegt mit dem von der Klägerin in Anspruch genommenen allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten gemäß § 65 JN ein in den österreichischen Verfahrensrechtsordnungen allgemein anerkannter tiefgreifender Anknüpfungspunkt an das Inland vor, der im Sinne der zutreffenden Darlegung der Vorinstanz zur Annahme der inländischen Gerichtsbarkeit führt (vgl Fasching aaO; Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Österreich, 88 mwN in FN 11). Dabei kommt es nicht darauf an, ob und seit wann in der Türkei vor einem türkischen Gericht ein Ehescheidungsverfahren zwischen den Streitteilen anhängig ist, weil die Bestimmung des § 76a JN über die örtliche Verbundszuständigkeit für sonstige Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis nicht als internationale Zuständigkeitsregel anzusehen ist (Schwimann, JBl 1990, 760 ff, 762; derselbe in FamRZ 1985/673 ff, 675).
Im übrigen macht die Klägerin im vorliegenden Fall einen Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
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