OGH 3Ob506/94

OGH3Ob506/949.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael S*****, vertreten durch Dr.Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Gröbming, wider die beklagte Partei S***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, wegen S 75.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 9. November 1993, GZ R 1054/93-44, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Irdning vom 9.September 1993, GZ C 592/92 g-40, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Rekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger führt ein Hotel in T*****; er begehrt von der Beklagten, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, S 75.000,-- sA als "Teilschadenersatz" aufgrund Stornierung von Reservierungsverträgen. Zur Begründung der Zuständigkeit behauptete der Kläger eine Gerichtsstandsvereinbarung, die er jedoch nicht vorlegte.

Die beklagte Partei beantragte, die Klage "wegen Unzuständigkeit" zurückzuweisen, weil weder ein Vertrag noch eine Gerichtsstandsvereinbarung iSd § 104 JN vorliege.

Das Erstgericht wies die Klage wegen des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurück. Dem Kläger sei der urkundliche Nachweis einer Zuständigkeitsvereinbarung nicht gelungen, sodaß der Gerichtsstand nach § 104 JN nicht gegeben sei. Da die beklagte Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland habe, fehle die inländische Gerichtsbarkeit.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers keine Folge. Es sei zwar eine ausreichende inländische Nahebeziehung gegeben, ein inländischer Gerichtsstand fehle jedoch, die Rechtsverfolgung im Ausland sei dem Kläger weder unmöglich noch unzumutbar. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht unter Hinweis auf die E JBl 1992, 331 (krit Pfersmann) für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zwar zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger hält seine Rechtsansicht, es sei ein inländischer Gerichtsstand gegeben, nicht mehr aufrecht (vgl. auch EvBl 1992/8 = JBl 1992, 331[Pfersmann], wo bei gleicher Sachlage das Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes verneint wurde), vertritt jedoch die Ansicht, die inländische Gerichtsbarkeit sei wegen einer ausreichenden Nahebeziehung zum Inland gegeben.

Nach nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung besteht die österreichische inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen, die durch positive gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind (SZ 62/101 = JBl 1990, 396 [Pfersmann]; SZ 62/31; SZ 60/106 ua; Fasching, ZPR2, Rz 76).

Besteht eine ausreichende inländische Nahebeziehung, fehlt es aber an

einem inländischen Gerichtsstand, hat § 28 JN Abhilfe zu schaffen

(EvBl 1991/182; EvBl 1992/8 = JBl 1992, 331 [Pfersmann]; JBl 1992,

330; SZ 62/101 = JBl 1990, 396 [Pfersmann]; RZ 1987/74; SZ 55/95 =

EvBl 1983/13 = JBl 1983, 541 [hiezu Schwimann in JBl 1984, 9] = ZfRV

1983, 147). Nach § 28 Abs 1 Z 2 JN hat der Oberste Gerichtshof, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder zu ermitteln sind, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die Bestimmung der Zuständigkeit (Ordination) durch den Obersten Gerichtshof setzt somit - außer bei Vorliegen einer völkerrechtlichen Regelung (§ 28 Abs 1 Z 1 JN) - eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland voraus; aus dem Vorhandensein einer solchen hinreichenden Nahebeziehung allein folgt jedoch noch nicht die inländische Gerichtsbarkeit. Für die Rechtsverfolgung im Inland muß darüber hinaus ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis gegeben sein (IPRax 1984, 214 [hiezu Pöch in IPRax 1984, 222]; SZ 53/124; ZfRV 1979, 277 [Hoyer]; SZ 52/43; EvBl 1979/94; SZ 51/34). Als besonderes Rechtsschutzbedürfnis in diesem Sinne kommt die Unzumutbarkeit oder unverhältnismäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung im Ausland oder die fehlende gegenseitige Anerkennung und Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in Betracht (IPRax 1984, 214 [hiezu Pöch in IPRax 1984, 222].

Eine ausreichende Inlandsbeziehung ist für den vorliegenden vermögensrechtlichen Anspruch des Klägers schon im Hinblick auf die Stornierung von Reservierungsverträgen im Hotel des Klägers in Österreich zu bejahen (EvBl 1992/8 = JBl 1992, 331 [Pfersmann]).

Ein weiters zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit erforderliches besonderes Rechtsschutzbedürfnis nach einer Rechtsverfolgung im Inland ist nicht zu erkennen. Eine Rechtsverfolgung in der Bundesrepublik Deutschland ist weder unzumutbar noch mit unverhältnismäßigen Erschwerungen verbunden. Der Umstand, daß mit der Bundesrepublik Deutschland ein Staatsvertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen geschlossen wurde (BGBl 1960/105), zeigt, daß der Gesetzgeber von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit des in der Bundesrepublik Deutschland gewährten Rechtsschutzes ausgeht (IPRax 1984, 214 [hiezu Pöch in IPRax 1984, 222]; SZ 51/34).

Ob die Prozeßführung im Inland dem Beklagten zuzumuten wäre, ist - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - bedeutungslos.

Für den - hier vorliegenden - Fall, daß eine auf die konkrete Rechtssache unmittelbar anwendbare örtliche Zuständigkeitsvorschrift fehlt, aber sonst ein im österreichischen Zuständigkeitsrecht an sich anerkannter Anknüpfungspunkt an das Inland vorliegt, ergibt sich somit, daß eine inländische Nahebeziehung für sich allein noch nicht die inländische Gerichtsbarkeit bewirkt. Die inländische Gerichtsbarkeit ist nämlich erst unter der Voraussetzung gegeben, daß die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Pfersmann in Glosse zu JBl 1992, 331; Pfersmann, Bermerkenswertes aus der SZ 62/1, ÖJZ 1992, 183 [187]; Fasching, ZPR2 Rz 76).

Dem Revisionsrekurs des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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