OGH 8ObA43/13a

OGH8ObA43/13a28.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Univ. Doz. Dr. S***** K*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/ Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 17. April 2013, GZ 12 Ra 25/13b‑22, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Februar 2013, GZ 7 Cga 159/12f‑18, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.259,64 EUR (darin 209,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger bewarb sich aufgrund einer Ausschreibung bei der beklagten Universität um die Stelle eines Vertragsprofessors. Er wurde an dritter Stelle in den Besetzungsvorschlag aufgenommen.

Mit seiner ursprünglich beim Arbeits‑ und Sozialgericht Wien eingebrachten Klage begehrt er die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, einen Arbeitsvertrag mit ihm abzuschließen, in eventu, mit ihm Berufungsverhandlungen gemäß § 98 UG 2002 für die angestrebte Stelle zu führen. Da die Berufungsverhandlungen mit den im Besetzungsvorschlag vor ihm gereihten Bewerbern gescheitert seien, treffe die Beklagte nunmehr die Verpflichtung, den Kläger einzustellen.

Die Beklagte wandte Unzulässigkeit des Rechtswegs sowie sachliche und örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Das gesetzlich geregelte Auswahlverfahren über die Besetzung einer Professorenstelle sei keine den Gerichten zugewiesene bürgerliche Rechtssache.

Das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien führte eine vorbereitende Tagsatzung ohne abgesonderte Verhandlung über die Einreden der Beklagten durch. Mit Beschluss vom 11. 6. 2012 wies es die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtswegs und der mangelnden sachlichen Zuständigkeit ab, erklärte sich für örtlich unzuständig und überwies die Klage an das Landesgericht Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht. Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten wurde mangels abgesonderter Anfechtbarkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 261 Abs 3 ZPO) ebenso als unzulässig zurückgewiesen wie ihr nachfolgender Revisionsrekurs.

Das Landesgericht Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht beraumte eine Tagsatzung an, in der es die Verhandlung auf die Erörterung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs einschränkte. Mit dem angefochtenen Beschluss wies es die Klage zurück. Der Kläger stütze seinen Anspruch auf Fehler im Ablauf des als Verwaltungsverfahren gestalteten universitären Berufungsverfahrens, es liege keine den Gerichten zur Entscheidung zugewiesene Rechtssache vor.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die weitere Verhandlung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.

Dem angefochtenen Beschluss stehe eine noch bindende Entscheidung gemäß § 42 Abs 3 JN über die Zulässigkeit des Rechtswegs entgegen, nämlich der Beschluss des ursprünglich vom Kläger angerufenen Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien. Auch wenn dessen Entscheidung nach dem Gesetzeswortlaut nicht gesondert auszufertigen gewesen wäre, binde sie doch bei unveränderter Tatsachengrundlage den Richter im fortgesetzten Verfahren. Im Übrigen sei die darin ausgedrückte rechtliche Beurteilung auch zutreffend.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage einer Bindung nach § 42 Abs 3 JN an die Beurteilung einer Prozessvoraussetzung durch ein unzuständiges Gericht fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger beantwortete Revisionsrekurs der Beklagten ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 42 Abs 1 JN hat das angerufene Gericht in jeder Lage des Verfahrens, selbst in höherer Instanz, seine Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens durch Beschluss auszusprechen, wenn die anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit oder den ordentlichen Gerichten entzogen ist. Nach § 42 Abs 3 JN kann ein Ausspruch im Sinn des Abs 1 aber nicht erfolgen, wenn ihm in Ansehung des Nichtigkeitsgrundes eine von demselben oder einem anderen Gericht gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht.

Eine die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs bejahende Entscheidung ist dann, wenn das Erstgericht über die Einrede bereits in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt hat, nicht abgesondert auszufertigen, sondern in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen und nur zusammen mit dieser anfechtbar (§ 261 Abs 3 ZPO). Auch wenn das Gericht, wie im vorliegenden Fall, seinen Beschluss dennoch vorzeitig ausgefertigt hat, ändert das nichts am Wesen der Entscheidung (RIS‑Justiz RS0037005; RS0040295; zuletzt 8 ObA 61/12x, 9 ObA 14/13v).

Die entgegen dem Gesetzeswortlaut verfügte Ausfertigung eines Beschlusses über die Prozessvoraussetzung der Rechtswegzulässigkeit ist somit nicht abgesondert anfechtbar (8 ObA 61/12x), deswegen aber noch kein wirkungsloses rechtliches Nichts. Das Gericht selbst ist an seine schriftlichen Entscheidungen gebunden, sobald es die schriftliche Abfassung zur Ausfertigung abgegeben hat (§ 416 Abs 2 ZPO). Ausgenommen sind nur die jederzeit abänderbaren verfahrensleitenden Verfügungen, zu denen aber nicht die Entscheidung über eine Prozesseinrede gehört. Die Selbstbindung des Gerichts tritt unabhängig davon ein, ob die Parteien die Entscheidung (abgesondert) anfechten können.

Eine Überweisung der Rechtssache vom örtlich unzuständigen an das zuständige Gericht ändert nichts an der Kontinuität des eingeleiteten Rechtsstreits, die vom ursprünglich angerufenen Gericht bereits gefassten Entscheidungen bleiben aufrecht (Kodek in Fasching/Konecny² § 261 ZPO Rz 190). Auch das örtlich zuständige Gericht, an das die Rechtssache überwiesen wurde, ist an einen vorangegangenen schriftlichen Beschluss des überweisenden Gerichts über eine Prozesseinrede gebunden, so wie wenn es sich um seine eigene Entscheidung handeln würde. Dem Rekursgericht ist daher beizupflichten, dass es dem Erstgericht innerhalb des selben Rechtsgangs verwehrt war, die von ihm abgelehnte Rechtsansicht des überweisenden Arbeits- und Sozialgerichts Wien durch eine gegenteilige Beschlussfassung zu korrigieren.

2. Der Oberste Gerichtshof darf in diesem Verfahrensstadium nicht über den Inhalt des nach § 42 Abs 3 JN noch bindenden Beschlusses entscheiden (vgl aber 9 ObA 121/12b). Die Prüfung der Rechtswegzulässigkeit wird erst aus Anlass eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung in der Sache möglich sein.

Die Kostenentscheidung im Zwischenstreit gründet sich auf § 2 ASGG, § 52 ZPO (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 296).

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