OGH 3Ob180/13m

OGH3Ob180/13m8.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** AG, *****, vertreten durch Dr. Engelhart & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei M***** O*****, wegen 15.993,94 EUR sA, über den Revisionsrekurs der Ersteher, als Antragsgegner zum Antrag der Antragstellerin Bezirkshauptmannschaft Wien‑Umgebung auf Anmerkung gemäß § 27 Abs 2 NÖ GVG 2007, C***** S***** und J***** S*****, beide vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Chyba Reiter Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 17. Juli 2013, GZ 7 R 92/13d‑94, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 15. Mai 2013, GZ 5 E 6/09w‑91, über Rekurs der Antragstellerin Bezirkshauptmannschaft Wien‑Umgebung, *****, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 1.885,73 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 192,29 EUR USt und 732 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 4. August 2010 wurde den Antragsgegnern in Ansehung einer teilweise als Grünland, forst‑landwirtschaftliche Vorrangfläche und teilweise als Natura 2000‑Gebiet gewidmete Liegenschaft aufgrund ihres Meistbots der Zuschlag vorbehaltlich der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung erteilt.

Am 18. August 2010 beantragten die Antragsgegner die grundverkehrsbehördliche Genehmigung bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (Antragstellerin). Zwei Interessenten erhoben im Genehmigungsverfahren Einspruch. Am 5. Jänner 2011 (beim Erstgericht eingelangt am 13. Jänner 2011) erteilte die Antragstellerin die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zur Übertragung des Eigentums durch Zuschlag an den genannten Grundstücken.

Mit Beschluss vom 21. Jänner 2011 erklärte das Erstgericht den Zuschlag für wirksam, weil nach Ablauf von vier Monaten nach Antragstellung bei der Grundverkehrsbehörde keine rechtskräftige Genehmigung erfolgt sei. Am 24. Jänner 2011 wurde gegen den Genehmigungsbescheid der Antragstellerin Berufung erhoben. Die Grundverkehrslandeskommission hob den erstinstanzlichen Genehmigungsbescheid auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Antragstellerin zurück.

Mittlerweile fand im Exekutionsverfahren die Meistbotsverteilung statt (rechtskräftiger Meistbotsverteilungsbeschluss vom 24. Juni 2011). Am 22. März 2012 wurde die Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragsgegner vollzogen.

Am 18. Februar 2013 wandelte die Antragstellerin das grundverkehrsbehördliche Genehmigungsverfahren in ein Prüfungsverfahren im Sinn des § 27 NÖ GVG 2007 um und setzte dieses als solches fort. Am gleichen Tag beantragte sie die Anmerkung der Einleitung dieses Prüfungsverfahrens im Grundbuch gestützt auf § 27 Abs 2 NÖ GVG 2007.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Anmerkung ab. § 27 NÖ GVG beziehe sich auf genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte und sei daher nicht auf den Eigentumserwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren anzuwenden. Hier sei die Einleitung eines Prüfungsverfahrens und damit auch dessen Anmerkung unzulässig. Der Eigentumserwerb nach rechtskräftiger Zuschlagserteilung sei nur schwer rückgängig zu machen, eine Rückforderung des bereits verteilten Meistbots führe zur Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, insbesondere seien auch Gläubiger des Erstehers betroffen, die auf der Liegenschaft Pfandrechte erworben hätten. Der Eigentumserwerb der Ersteher könne nicht mehr rückabgewickelt werden, die Eintragung könne nicht mehr gelöscht werden, weshalb auch die Anmerkung der Einleitung eines Prüfungsverfahrens unzulässig sei.

Das Rekursgericht ordnete über Rekurs der Antragstellerin die Anmerkung der Einleitung eines Prüfungsverfahrens nach § 27 NÖ GVG 2007 an und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Anmerkung des Prüfungsverfahrens nach Rechtskraft und Verbücherung des Zuschlags sowie Abwicklung der Meistbotsverteilung fehle.

Die Verweisungsbestimmung des § 33 NÖ GVG umfasse auch § 27 NÖ GVG. Die grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen könnten viel zu leicht umgangen werden, wenn sich die Wirkungen des Genehmigungsverfahrens nicht auch auf das Zwangsversteigerungsverfahren erstrecken würden. Eine Rückabwicklung im engeren Sinn inklusive der Rückforderung der an die Gläubiger des Verpflichteten ausgezahlten Beträge aus dem Meistbot scheine im Hinblick auf das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren ausgeschlossen. Da die grundverkehrsrechtlichen Fragen ausschließlich in die Kompetenz der Länder (der Grundverkehrsbehörden) fielen und den ordentlichen Gerichten bei Beurteilung dieser Fragen jegliche Kompetenz fehle, biete eine erneute Versteigerung im Sinn des § 31 NÖ GVG, die die bereits erfolgte Eigentumsübertragung an die Ersteher im Grundsatz unberührt lasse, einen dem Grundsatz entsprechenden Ausweg, dass die grundverkehrsrechtlichen Vorschriften der Exekutionsordnung materiell nicht derogierten. Die Liegenschaft werde vielmehr neuerlich versteigert und zwar nicht aufgrund einer Verpflichtetenstellung des Eigentümers, sondern aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung. Für den Fall, dass keine Bieter auftreten oder aber den Interessenten die Zulassung verwehrt werde, bleibe die Eigentümerstellung der Antragsgegner unberührt. Diese erneute Versteigerung bilde auch keinen unzulässigen Eigentumseingriff, weil der Versteigerungserlös den Antragsgegnern zukäme, sollte überhaupt eine derartige Versteigerung stattfinden. Eine erneute Versteigerung im Fall des negativen Ausgangs des Prüfungsverfahrens nach § 27 NÖ GVG stelle ohne Rückabwicklung der bereits abgeschlossenen und grundbücherlich durchgeführten Versteigerung einen rechtskonformen Zustand her, weshalb einem solchen Prüfungsverfahren auch nach einem schon abgeschlossenen Zwangsversteigerungsverfahren nicht jede Sinnhaftigkeit abgesprochen werden könne. Dementsprechend sei auch die Einleitung eines solchen Prüfungsverfahrens im Grundbuch anzumerken.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegner, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Antragsabweisung anstreben, ist aus den vom Rekursgericht genannten Erwägungen zulässig und auch berechtigt.

Der Revisionsrekurs ist rechtzeitig, weil er innerhalb der hier anzuwendenden Frist des § 123 GBG (vgl RIS‑Justiz RS0017265; 3 Ob 127/13t mwN) erhoben wurde.

Gemäß § 30 NÖ GVG 2007 hat das Exekutionsgericht den Zuschlag im Zwangsversteigerungs-verfahren unter dem Vorbehalt zu erteilen, dass er erst bei Vorliegen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung rechtswirksam wird. Der oder die Meistbietende ist aufzufordern, binnen vier Wochen die Entscheidung der Behörde über die Genehmigungspflicht oder die erforderliche Genehmigung bei der Behörde zu beantragen (Abs 1). Entscheidet die Behörde, dass der Zuschlag an den Meistbietenden oder die Meistbietende keiner Genehmigung bedarf, erteilt sie die Genehmigung oder kommt dem Exekutionsgericht innerhalb von vier Monaten nach dem Einlangen des Antrags im Sinn des Abs 1 ein erstinstanzlicher Bescheid nicht zu, ist der Beschluss über die Erteilung des Zuschlags vom Exekutionsgericht für Wirksam zu erklären, auszufertigen und zu verlautbaren (Abs 2). Wird ein Antrag nach Abs 1 nicht fristgerecht gestellt oder kommt dem Exekutionsgericht binnen der viermonatigen Frist ein Bescheid der Behörde zu, mit dem die Genehmigung versagt wird, und wird die Versagung rechtskräftig, hat das Exekutionsgericht auf Antrag eine erneute Versteigerung anzuordnen (Abs 3).

Mit derartigen Regelungen greift der Landesgesetzgeber im Geltungsbereich des GVG in die EO ein, wofür Art 15 Abs 9 B‑VG die verfassungsrechtliche Grundlage bildet. Diese Kompetenz der Länder, im Bereich ihrer Gesetzgebung die zur Regelung des Gegenstands erforderlichen Bestimmungen auch auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechts zu treffen, reicht nur so weit, als derartige Bestimmungen mit der Hauptmaterie in unerlässlichem Zusammenhang stehen oder für diese erforderlich sind. Daraus folgt, dass durch die Regelungen in den Landesgrundverkehrsgesetzen der normale Ablauf des Exekutionsverfahrens so wenig wie möglich gestört werden soll. Es ist somit in einem größeren als erforderlichen Ausmaß bei verfassungskonformer Auslegung eine (materielle) Derogation der EO nicht anzunehmen (3 Ob 256/99i mwN; Fischer/Jordan/Kraft/Limbacher/Lukas/ Müller/Putz/Schöffmann/Schön/Walzl v. Wiesentreu, Die Grundverkehrsgesetze der österreichischen Bundesländer Rz 5 zu § 29 mwN).

Die Verweisungsbestimmung des § 33 NÖ GVG gibt nach ihrem Wortlaut („für die Entscheidung der Grundverkehrsbehörden im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens gelten die Bestimmungen für den rechtsgeschäftlichen Erwerb“) lediglich vor, nach welchen inhaltlichen Maßstäben die Grundverkehrsbehörde zu entscheiden hat, wenn die Zwangsversteigerung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung unterliegender Liegenschaften zu prüfen ist. Die für den privatrechtlichen Rechtsverkehr erlassenen Verfahrensbestimmungen der §§ 27 f NÖ GVG (Unwirksamkeit der Eintragung und Rückabwicklung) sind daher bei Prüfung von Erwerbsvorgängen in Zwangsversteigerungsverfahren nicht anwendbar. Dafür spricht auch, dass für die in einem eigenen (achten) Abschnitt des GVG geregelte freiwillige Feilbietung ‑ anders als für die Zwangsversteigerung ‑ ein ausdrücklicher Verweis (unter anderem) auf die §§ 27 f GVG enthalten ist (§ 34 GVG).

Die spezielle Regelung des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens bei Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 30 GVG) lässt aber keinen Raum für die nachträgliche Prüfung allenfalls im Lichte grundverkehrsbehördlicher Regelungen unwirksamer Grundbuchseintragungen. Kommt dem Exekutionsgericht - wie im vorliegenden Fall ‑ innerhalb von vier Monaten nach Einlangen des Genehmigungsantrags bei der Grundverkehrsbehörde ein erstinstanzlicher Bescheid nicht zu, ist der Beschluss über die Erteilung des Zuschlags vom Exekutionsgericht für wirksam zu erklären, auszufertigen und zu verlautbaren (§ 30 Abs 2 NÖ GVG). Mit dieser Fallfrist endet die Eingriffsmöglichkeit der Grundverkehrsbehörde in das gerichtliche Zwangsversteigerungsverfahren (RIS‑Justiz RS0066153, RS0108245; insbesondere 3 Ob 56/07t mwN). Zweck dieser Frist ist es, eine unzumutbare Verzögerung des Gangs des Zwangsversteigerungsverfahrens durch die vom Landesgesetzgeber zur Regelung des Grundverkehrs getroffenen Eingriffe in das gerichtliche Verfahren zu verhindern (3 Ob 102/88; Fischer ua aaO Rz 10 zu § 30 NÖ GVG; vgl Schneider, Handbuch österreichisches Grundverkehrsrecht 443).

Auch die Systematik der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a B‑VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugründstücken, BGBl 1993/260 (BaugruV), die im Licht des Erfordernisses der vertragskonformen Interpretation (vgl Art 15a Abs 3 B‑VG) zur Auslegung der entsprechenden Bestimmungen in den GVG der Bundesländer herangezogen werden muss, spricht dafür, dass die in Abschnitt III unter der Überschrift „Grundbuchseintragungen“ enthaltenen Regelungen nur für aufgrund von Rechtsgeschäften bewilligte Grundbuchseintragungen gelten. Art 3 Abs 2 Z 1 BaugruV ordnet an, dass der vorangehende Abs 1 nicht gilt, wenn der Verbücherung ein rechtskräftiger Zuschlag oder ein rechtskräftiger Beschluss über die Annahme eines Überbots zugrunde liegt. Es kann angenommen werden, dass dies nicht nur für die Regelung des ausdrücklich genannten Art 3 Abs 1 BaugruV gelten soll, sondern dass sämtliche Bestimmungen dieses Abschnitts, die inhaltlich zusammenhängen, und damit auch Art 4 Abs 3 nicht für Grundbuchseintragungen gedacht sind, denen in einer Zwangsversteigerung gefasste Beschlüsse zugrunde liegen. Erst der folgende Abschnitt IV ist mit „Zwangsversteigerung“ überschrieben. Überdies ist die in Art 5 BaugruV enthaltene Regelung der Rückabwicklung nicht für den Fall des Erwerbs des Eigentums im Zwangsversteigerungsverfahren geeignet, was einer analogen Anwendung der Bestimmungen über die Löschung der Eintragung im Grundbuch ebenfalls entgegensteht (Angst, EO², Rz 23 zu § 183 mwN).

Da innerhalb der Vier‑Monats‑Frist des § 30 Abs 2 NÖ GVG kein grundverkehrsbehördlicher Bescheid beim Erstgericht einlangte, war vom Erstgericht nicht nur der bereits erteilte Zuschlag für wirksam zu erklären, sondern der exekutive Rechtserwerb der Antragsgegner einer weiteren grundverkehrsrechtlichen Kontrolle entzogen.

Nach rechtskräftiger Erklärung der Wirksamkeit des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren nach Ablauf der Frist für die Grundverkehrsbehörde, mit Wirkung für das Exekutionsverfahren die grundverkehrsbehördliche Genehmigung der Zuschlagserteilung zu versagen, ist der Eigentumserwerb der Ersteher aus Gründen des Grundverkehrs nicht mehr angreifbar, weshalb auch die Anmerkung eines diesbezüglichen Verfahrens zu unterbleiben hat.

Die letztlich erfolglose Antragstellerin hat den Antragsgegnern, die im Rechtsmittelweg die Antragsabweisung erzielten, gemäß § 75 Abs 2 GBG iVm § 78 Abs 2 AußStrG die Rechtsmittelkosten zu ersetzen (1 Ob 56/10g).

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