OGH 3Ob102/88

OGH3Ob102/885.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei I*** U***- und

S*** Aktiengesellschaft, Tegetthoffstraße 7, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Horst H***, Rechtsanwalt in Wien, und beigetretener betreibender Gläubiger wider die verpflichtete Partei GEV G***-E***- UND V*** mbH,

Laxenburgerstraße 117-119, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 8,400.000,- sA ua, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 16. Mai 1988, GZ 46 R 142/88-163, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 18. Jänner 1988, GZ E 22.016/82-155, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird. Die erstbetreibende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen und ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 27.012,15 (darin S 2.455,65 Umsatzsteuer) bestimmten Revisionsrekurskosten binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Bei der Wiederversteigerung der Liegenschaft

EZ 585 KG Hinterbrühl erteilte das Erstgericht den Zuschlag um das Meistbot von S 5,000.000,- an die betreibende Versicherungsaktiengesellschaft, deren Aktien sich überwiegend in ausländischem Besitz befinden.

Nach § 13 Abs 2 NÖ GVG 1973, LGBl 6800-3 - das hier maßgebend ist, weil das am 21. April 1988 beschlossene NÖ Grundverkehrsgesetz 1989 (NÖ GVG 1989) nach dessen § 26 Abs 1 erst am 1. Jänner 1989 in Kraft treten und das Vorgängergesetz außer Kraft setzen wird - hat das Exekutionsgericht vor der Ausfertigung und der Verlautbarung des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlages, wenn Meistbieter eine im § 1 Abs 4 NÖ GVG genannte Person, also etwa wie hier eine juristische Person ist, deren Aktienkapital sich überwiegend in ausländischem Besitz befindet, die Entscheidung der Ausländergrundverkehrskommission einzuholen, ob die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden dem NÖ Grundverkehrsgesetz widerspricht. Zur Entscheidung nach § 1 Abs 4 NÖ GVG ist die Ausländergrundverkehrskommssion berufen (§ 6a Abs 1 NÖ GVG). Sie ist beim Amt der Landesregierung einzurichten; ihr Wirkungsbereich ist das Landesgebiet (§ 6a Abs 2 NÖ GVG). Die Ausländergrundverkehrskommission hat dem Exekutionsgericht eine Ausfertigung des rechtskräftigen Bescheides zu übersenden (§ 13 Abs 2 NÖ GVG). Entscheidet die Ausländergrundverkehrskommission oder die nach § 6a Abs 6 NÖ GVG zur Entscheidung über Berufungen zuständige Landesregierung, daß die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden dem NÖ Grundverkehrsgesetz widerspricht, so hat das Exekutionsgericht den Zuschlag aufzuheben (§ 13 Abs 3 NÖ GVG). Entscheidet die Ausländergrundverkehrskommission, daß die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden diesem Gesetz nicht widerspricht, oder kommt dem Exekutionsgericht innerhalb von sechs Monaten nach dem Einlangen des gerichtlichen Ersuchens ein rechtskräftiger Bescheid nicht zu, so ist der Beschluß über die Erteilung des Zuschlages auszufertigen und zu verlautbaren (§ 13 Abs 4 NÖ GVG).

Am 3. Juni 1987 richtete das Erstgericht an das "Amt der NÖ Landesregierung - Abteilung Ausländer-Grundverkehr" das Ersuchen iSd § 13 Abs 2 NÖ GVG um Entscheidung, ob die Erteilung des Zuschlages an die meistbietende Versicherungs-Aktiengesellschaft um S 5,000.000,- dem NÖ Grundverkehrsgesetz entspricht, und übermittelte zugleich die Exekutionsakten zur Einsicht. Am 10. Juni 1987 stellt das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (Abt. I/8) dem Erstgericht das gerichtliche Ersuchen samt den Akten unter Hinweis auf den Erlaß des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. November 1984, Jv 16897-1b/84, zurück, womit den Gerichten des Sprengels das Ersuchen des Amtes der NÖ Landesregierung zur Kenntnis gebracht wurde, bei Zustellungen tunlichst die Bezugszahl oder die zuständige Abteilung anzuführen. Das Erstgericht übersendete die Akten dann am 30. Juni 1987 neuerlich an das "Amt der NÖ Landesregierung

Abt. VI/4 - Ausländergrundverkehr zH ORegRat Dr. Schön" mit dem Ersuchen um Prüfung, ob die Erteilung des Zuschlages an die Meistbietende dem NÖ Grundverkehrsgesetz entspricht. Das zweite Ersuchen langte am 6. Juli 1987 beim "Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Abt. VI/4 AGV" ein. Am 7. Oktober 1987 entschied die Ausländergrundverkehrskommission beim Amt der NÖ Landesregierung, daß die Übertragung des Eigentums dem Grundverkehrsgesetz widerspricht, weil kein im § 8 Abs 3 NÖ GVG 1973 angeführtes Interesse vorliege. Der rechtzeitig von der Meistbietenden erhobenen Berufung gab die Landesregierung am 23. Dezember 1987 nicht Folge. Der Berufungsbescheid, gegen den eine weitere Berufung nicht zulässig ist, langte mit den Exekutionsakten am 5. Jänner 1988 beim Erstgericht ein. Auf Ersuchen des Erstgerichtes um Mitteilung, wann das Ersuchen erstmals bei der Ausländergrundverkehrskommission beim Amt der NÖ Landesregierung eingelangt sei, teilte die Ausländergrundverkehrskommission am 13. Jänner 1988 mit, daß der Exekutionsakt laut Eingangsstempel (des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung) am 6. Juli 1987 eingelangt sei.

Das Erstgericht hob den erteilten Zuschlag nach § 13 Abs 3 NÖ GVG auf und kündigte die Anberaumung des neuen Wiederversteigerungstermins nach Eintritt der Rechtskraft seiner Entscheidung an. Die Frist des § 13 Abs 4 NÖ GVG sei eingehalten, weil das Ersuchen bei der Ausländergrundverkehrskommission erst am 6. Juli 1987 eingelangt und die rechtskräftige Entscheidung der Landesregierung dem Gericht am 5. Jänner 1988 noch innerhalb von sechs Monaten zugekommen sei. Wohl sei das Ersuchen an die Ausländergrundverkehrskommission schon Anfang Juni 1987 beim Amt der NÖ Landesregierung eingegangen, von dort aber nicht an die Ausländergrundverkehrskommission gelangt, sondern trotz Bezeichnung dieser Abteilung dem Exekutionsgericht zurückgesendet worden. Das Rekursgericht änderte über den Rekurs der betreibenden Partei den Beschluß dahin ab, daß es den angefochtenen Beschluß aufhob und dem Erstgericht auftrug, das Verfahren nach Eintritt der Rechtskraft geschäftsordnungsmäßig weiterzuführen. Das Rekursgericht trat der von der betreibenden Partei vertretenen Ansicht bei, die Frist des § 13 Abs 4 NÖ GVG habe schon mit dem erstmaligen Einlangen des Ersuchens beim Amt der NÖ Landesregierung, bei dem die Ausländergrundverkehrskommission als Abteilung eingerichtet sei, zu laufen begonnen. Der rechtskräftige Bescheid der Grundverkehrsbehörde müsse vor Ablauf der sechsmonatigen Frist beim Exekutionsgericht eingelangt sein. Die Frist sei spätestens am 10. Dezember 1987 abgelaufen, ohne daß bis dahin ein rechtskräftiger Bescheid der Grundverkehrskommission dem Exekutionsgericht zugekommen sei, so daß es den Beschluß über die Erteilung des Zuschlages auszufertigen und zu verlautbaren gehabt hätte. Gegen diesen abändernden Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich die verpflichtete Partei mit ihrem nach § 78 EO und den §§ 528 Abs 2 und 502 Abs 4 Z 2 ZPO wegen des für den Geldwert maßgebenden, S 300.000,- übersteigenden Meistbots zulässigen Revisionsrekurs, der auf Wiederherstellung der erstrichterlichen Aufhebung des erteilten Zuschlages abzielt.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Entscheidend ist, wann die Frist von sechs Monaten zu laufen begonnen hat, die § 13 Abs 4 NÖ GVG für das Einlangen der rechtskräftigen Entscheidung, daß die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden dem NÖ GVG widerspricht, beim Exekutionsgericht festsetzt, widrigens den Beteiligten mit Ablauf der Frist ein Anspruch darauf erwächst, daß der Beschluß über die Erteilung des Zuschlages ausgefertigt und verlautbart wird (OGH 3 Ob 35/79 zum Stmk GVG). Diese Frist soll eine unzumutbare Verzögerung des Ganges des Zwangsversteigerungsverfahrens durch die vom Landesgesetzgeber zur Regelung des Grundverkehrs getroffenen Eingriffe in das gerichtliche Verfahren verhindern. Das Gericht hat die Entscheidung der Grundverkehrskommission einzuholen, bevor es seinen Beschluß ausfertigt und verlautbart; den Zuschlag aufzuheben, wenn ihm innerhalb von sechs Monaten ein rechtskräftiger Bescheid zukommt, daß die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden dem Grundverkehrsgesetz widerspricht; hingegen mit der Ausfertigung und Verlautbarung des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlages das Verfahren fortzusetzen, wenn innerhalb der Frist von sechs Monaten kein rechtskräftiger Bescheid einlangt oder noch in der Frist eine Entscheidung ergeht, daß die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden dem Grundverkehrsgesetz nicht widerspricht. Nach § 13 Abs 4 NÖ GVG muß dem Exekutionsgericht der rechtskräftige Bescheid "innerhalb von sechs Monaten nach dem Einlangen des gerichtlichen Ersuchens" zugekommen sein, soll es zur Aufhebung des erteilten Zuschlages und zur neuen Versteigerung kommen. Darüber, bei welcher Stelle das gerichtliche Ersuchen eingelangt sein muß, damit der Lauf der Frist beginnt, sagt das Gesetz nichts. Nach § 13 Abs 2 NÖ GVG hat das Exekutionsgericht die Entscheidung der Ausländergrundverkehrskommission einzuholen und daher sein gerichtliches Ersuchen an diese Kommission zu richten. Erst ab dem 1. Jänner 1989 wird in Angelegenheiten des Ausländergrundverkehrs in erster Instanz das Amt der Landesregierung zu entscheiden, dessen Entscheidung das Exekutionsgericht bei Erteilung des Zuschlages an Ausländer einzuholen und die Ausländergrundverkehrskommission als "tribunal" mit Weisungsfreistellung der Kommissionsmitglieder nur mehr über Berufungen gegen Bescheide des Amtes der Landesregierung zu entscheiden haben (§ 17 Abs 3, § 8 und § 15 Abs 6 NÖ GVG 1989 LGBl 6800-0). Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung hatte das Gericht sein Ersuchen an die "Ausländergrundverkehrskommission" zu richten, weil es deren Entscheidung einholen mußte. Daß der Kommission keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt und für sie eine Abteilung VI/4 AGV beim Amt der NÖ Landesregierung eingerichtet ist, bedeutet nicht, daß die Kommission nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann (vgl etwa zu der Stellung der Bezirksverwaltungsbehörde als Vormund oder besonderer Sachwalter ÖA 1988, 85). Es kommt daher nicht darauf an, wann das gerichtliche Ersuchen beim Amt der NÖ Landesregierung in 1010 Wien, Herrengasse 11-13, einlangte, wenn es von dort, aus welchem Grund immer (hier auf Grund des Erlasses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. November 1984, Jv 16897 - 1b/84) nicht an die Abteilung der Ausländergrundverkehrskommission in 1010 Wien, Teinfaltstraße 8, weitergeleitet, sondern dem Gericht zurückgestellt wurde. Maßgebend ist vielmehr das Einlangen des Ersuchens bei der Ausländergrundverkehrskommission, wo das neuerliche Ersuchen erst am 6. Juli 1987 ankam.

Der Negativbescheid ist dem Exekutionsgericht damit noch vor dem Ablauf der Frist zugekommen. Es hatte nach § 13 Abs 3 NÖ GVG vorzugehen und den Zuschlag aufzuheben.

Da der verpflichteten Partei ein Rechtsschutzinteresse an der Einhaltung des durch Gesetz bestimmten Vorgehens nicht abgesprochen werden kann, ist über ihr Rechtsmittel die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die Kosten ihres damit erfolglosen Rekurses gegen den erstrichterlichen Beschluß hat die erstbetreibende Partei selbst zu tragen. Sie hat infolge des Unterliegens in dem durch ihren Rekurs ausgelösten Zwischenstreit der verpflichteten Partei nach § 78 EO und nach den §§ 41 und 50 ZPO der verpflichteten Partei die Kosten ihres Revisionsrekurses zu ersetzen.

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