European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0110NS00055.13X.0917.000
Spruch:
Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Landesgericht Wels zuständig.
Text
Gründe:
Zwischen dem Landesgericht für Strafsachen Graz und dem Landesgericht Wels liegt folgender negativer Kompetenzkonflikt vor:
Der Angeklagte Wolfgang L***** befand sich beim Landesgericht für Strafsachen Graz wegen des Verdachts des mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Graz vom 25. Juli 2013, AZ 23 St 147/13f, zur Last gelegten, als Verbrechen des „gewerbsmäßigen und schweren“ Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (früheste Tatzeit: 3. März 2013; ON 39) qualifizierten Verhaltens in Untersuchungshaft. Im Zuge einer Haftverhandlung am 31. Juli 2013 legte der Angeklagte Strafanträge der Staatsanwaltschaft Wels vom 30. April 2013, AZ 3 St 83/13b, wegen des Verdachts von als Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB subsumierten Handlungen (Tatzeitpunkt jeweils 27. Jänner 2013) und vom 19. Juni 2013, AZ 40 BAZ 203/13x, wegen des Verdachts der Begehung des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (Tatzeitraum vor dem 25. Jänner 2013) vor (ON 42).
Daraufhin trat die zuständige Richterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz am 31. Juli 2013 das Verfahren dem Landesgericht Wels zur Einbeziehung in das dg. Verfahren AZ 11 Hv 47/13w zur Verfahrensverbindung gemäß § 37 Abs 3 StPO ab (ON 1 S 17, ON 42 S 2).
Das Landesgericht Wels bezog das abgetretene Verfahren in das dort anhängige Hauptverfahren nicht ein, sondern verfügte am 7. August 2013 die Rückabtretung „unter Hinweis auf OGH 13 Ns 44/09p, wonach bisher der Beschluss vom 31. Juli 2013 nicht an die (rechtsmittellegitimierten) Parteien zugestellt wurde und dieser daher auch nicht in Rechtskraft erwachsen“ sei. Weiters vertrat es die Ansicht, dass die von der Staatsanwaltschaft Graz angeklagte Tat „das Verbrechen des § 148 zweiter Fall StGB begründet, weshalb ohnedies keine sachliche Zuständigkeit des Einzelrichters vorliegt“ (ON 1 S 19).
Mit Urteil vom 9. August 2013 sprach der Einzelrichter des Landesgerichts Wels den Angeklagten Wolfgang L***** im Sinne der Strafanträge der Staatsanwaltschaft Wels vom 30. April 2013 und 19. Juni 2013 schuldig (ON 59 in den gegenständlichen Akten).
Die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz legte die Akten zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt gemäß § 38 StPO in direktem Wege dem Obersten Gerichtshof vor und führte zur Begründung aus, dass der Einzelrichter des Landesgerichts Wels die Verfahren gemäß § 37 Abs 3 iVm Abs 2 StPO zu verbinden gehabt hätte, weil die früheste dem Angeklagten zur Last liegende Straftat im Sprengel dieses Gerichts verübt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat hiezu ‑ der Stellungnahme der Generalprokuratur folgend ‑ erwogen:
Gemäß § 37 Abs 3 StPO sind mehrere Hauptverfahren zu verbinden. Das dann zur Gesamtentscheidung zuständige Gericht bestimmt sich nach § 37 Abs 1 und 2 StPO.
Unter Gerichten gleicher Ordnung bei gleichzeitigen Fehlen einer Sonderzuständigkeit ist nach § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO jenes Gericht zur Entscheidung über sämtliche Tatvorwürfe berufen, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt, im vorliegenden Fall somit der Einzelrichter des Landesgerichts Wels aufgrund des im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 19. Juni 2013 zur Last liegenden Tatzeitraums „vor dem 25. Jänner 2013“. § 37 Abs 2 dritter Satz StPO (grundsätzlich dazu Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 5 mit Judikaturnachweisen) hat im Fall des § 37 Abs 3 StPO außer Betracht zu bleiben (13 Ns 61/09p sowie folgend Oshidari, WK‑StPO, § 37 Rz 9).
An der dergestalt vorliegenden Zuständigkeit des Landesgerichts Wels kraft subjektiver Konnexität vermag auch der zwischenzeitig erfolgte Schuldspruch, der die Strafanträge AZ 3 St 83/13b und 40 BAZ 203/13x je der Staatsanwaltschaft Wels antragsgemäß erledigte, nichts zu ändern (Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 10; 11 Os 63/13v, 64/13s, 12 Ns 36/10f).
Die vom Landesgericht Wels im Rahmen der Verfügung vom 7. August 2013 zur Begründung der Rückabtretung zitierte Entscheidung kommt fallbezogen nicht zum Tragen. Diese setzt sich mit der Prüfung eines Strafantrags vor Anordnung der Hauptverhandlung im Falle der örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit auseinander, für die § 485 Abs 1 Z 1 StPO ein Vorgehen gemäß § 450 StPO, sohin das Fassen eines bekämpfbaren und der Rechtskraft fähigen Beschlusses über die örtliche oder sachliche Unzuständigkeit anordnet. Die zitierte Entscheidung betrifft hingegen nicht die gegenständlich strittige Zuständigkeit des Zusammenhangs gemäß § 37 StPO. Nach dieser Bestimmung hat die Verbindung von Verfahren aufgrund subjektiver Konnexität nicht ‑ wie irrig vom Landesgericht Graz erledigt ‑ die Form eines Beschlusses sondern durch bloße weder bekämpfbare noch der Rechtskraft fähige Verfügung der Überweisung zu erfolgen (11 Os 63/13v, 64/13s).
Die Bedenken an der rechtlichen Subsumtion der dem Angeklagten im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Graz vom 25. Juli 2013, AZ 23 St 147/13f, angelasteten, die Zuständigkeit des Einzelrichters begründenden Taten müssen bei der hier in Rede stehenden Frage der Zuständigkeit des Zusammenhangs dahingestellt bleiben. Solchen Bedenken ist vom nunmehr zuständigen Einzelrichter des Landesgerichts Wels mit den hiefür gesetzlich gebotenen Mitteln zu begegnen (§ 485 Abs 1 Z 1 StPO; zum Bezugspunkt sämtlicher Zuständigkeitsprüfung vgl Oshidari, WK‑StPO § 38 Rz 2 mwN).
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