OGH 6Ob96/13f

OGH6Ob96/13f28.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** R*****, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. DI B***** K*****, 2. DI W***** K*****, 3. Mag. R***** H*****, alle vertreten durch Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Februar 2013, GZ 3 R 17/13i‑15, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Dezember 2012, GZ 22 Cg 37/12h‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 1.424,74 EUR (darin 237,46 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile waren Gesellschafter einer GmbH. Im Gesellschaftsvertrag wurde unter Punkt 4 den Gesellschaftern die Möglichkeit eingeräumt, die Gesellschaft durch Aufkündigung aufzulösen. Die verbleibenden Gesellschafter sind jedoch berechtigt, die Gesellschaft fortzusetzen und den aufgekündigten Geschäftsanteil im Verhältnis ihrer Stammeinlagen zu übernehmen. Nach § 4 der Satzung soll der Übernahmspreis mangels Einigung nach dem Fachgutachten der Kammer für Wirtschaftstreuhänder KFS/BWI (FG Nr 74) ermittelt werden. Dem gegenüber enthält § 6 der Satzung eine abweichende Berechnungsvariante. Der Kläger kündigte die Gesellschaft zum 31. 12. 2011. Die drei Beklagten setzten die Gesellschaft fort und möchten den Geschäftsanteil des Klägers im Verhältnis ihrer Stammeinlagen übernehmen. Strittig ist die Berechnung des Übernahmspreises/Abfindungsbetrags.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Abtretungspreis für den Geschäftsanteil nach § 4 des Gesellschaftsvertrags zu bilden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege kein Dauerrechtsverhältnis vor, dass es erlaube, ein Rechtsverhältnis mittels Feststellungsklage rechtlich qualifizieren zu lassen. Darüber hinaus habe der Kläger nicht dargelegt, inwiefern sein rechtliches Interesse über die Klärung der Wertermittlung des Geschäftsanteils hinausgehe. Das Feststellungsbegehren würde auch keine Grundlage für weitere Rechtsbeziehungen der Streitteile darstellen. Es hätte ein Leistungsbegehren erhoben werden können, weshalb die Feststellungsklage unzulässig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar sei es nach der Entscheidung 8 Ob 1567/95 möglich, die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens zum Gegenstand einer Feststellungsklage zu machen. Jedoch könne im vorliegenden Fall bereits eine Leistungsklage erhoben werden, weshalb das Feststellungsbegehren unzulässig sei. Der Leistungsanspruch würde den Anspruch des Klägers vollständig erschöpfen, weil er bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden sei und dies den einzigen mit den Beklagten bestehenden Konflikt darstelle. Daher fehle es dem Kläger am rechtlichen Interesse für die Erhebung einer Feststellungsklage.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil in der Auslegung des Berufungsgerichts ein Abgehen von der Entscheidung 8 Ob 1567/95 gesehen werden könnte.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Jede Feststellungsklage erfordert nach § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts. Regelmäßig verneint wird das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger seinen Anspruch zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RIS‑Justiz RS0038817). Die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt nach ständiger Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage; die Feststellungsklage ist also gegenüber der Leistungsklage subsidiär (RIS‑Justiz RS0038849, RS0039021). Der Geschädigte muss naheliegende zur Ermittlung der Schadenshöhe zweckmäßige Maßnahmen ergreifen, um auf diese Weise die Voraussetzungen für die Schadensbezifferung in einer Leistungsklage zu schaffen (RIS‑Justiz RS0118968). Das Feststellungsbegehren ist unzulässig, wenn mit dem Leistungsbegehren das strittige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt wird (RIS‑Justiz RS0039021 [T16]). Der Mangel des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0039123).

2.1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts steht im Einklang mit diesen Grundsätzen. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass dem Gesellschafter einer GmbH gegenüber der Gesellschaft zur Unterstützung seiner Leitungs‑ und Prüfungsrechte nicht nur das im Gesetz geregelte Bucheinsichtsrecht, sondern auch ein allgemeiner, nicht näher zu begründender, alle Geschäftsangelegenheiten umfassender Informationsanspruch zusteht (Michlits/Unger in Straube, GmbHG § 22 Rz 37).

2.2. Dieses Recht kommt auch ausgeschiedenen Gesellschaftern zu, wobei diese jedoch ihr entsprechendes Informationsinteresse konkret darzulegen haben (RIS‑Justiz RS0060098). Dass die Geltendmachung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens bzw Übernahmspreises ein ausreichendes Informationsinteresse begründet, kann aber keinem Zweifel unterliegen.

3. Die vom Kläger angeführten Unterlagen, die er angeblich zur Einbringung einer Leistungsklage benötigte, nämlich Jahresabschlüsse der vergangenen drei Wirtschaftsjahre, Kalkulationsunterlagen der bisher umgesetzten Projekte (inklusive Nachkalkulation), Erfolgsplanung für die nächsten drei bis fünf Jahre (Plan‑, Gewinn‑ und Verlustrechnungen), Personalkostenplanung, Kalkulations‑ und Projektunterlagen für bereits in Umsetzung befindliche bzw geplante Projekte Finanzplanung für die nächsten drei bis fünf Jahre (inklusive Details zur geplanten Fremdfinanzierung) sowie Planbilanzen für die nächsten drei bis fünf Jahre müssten in der Gesellschaft entweder vorhanden sein oder aber aufgrund der in der Gesellschaft vorhandenen Unterlagen erstellt werden können. Der Kläger behauptete auch nicht, dass die Beklagten oder die Gesellschaft ihm entsprechende Auskünfte und die Zurverfügungstellung entsprechender Unterlagen verweigerten.

4.1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts widerspricht auch nicht der Entscheidung 8 Ob 1567/95. Dieser Entscheidung lag vielmehr ein anderer Sachverhalt zugrunde. Zunächst unterscheidet sich der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt vom vorliegenden Fall schon dadurch, dass der 8. Senat ein Verfahren zu beurteilen hatte, in dem ‑ anders als im vorliegenden Fall ‑ eine Leistungsklage eingebracht wurde. Das Problem der Subsidiärität des Feststellungsbegehrens stellte sich in diesem Verfahren nicht. Der 8. Senat hatte vielmehr lediglich ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs zu beurteilen, nicht hingegen ein Zwischenurteil über einen Zwischenfeststellungsantrag, der dem im vorliegenden Verfahren ausschließlich gestellten Feststellungsbegehren vergleichbar gewesen wäre. Für ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs ist aber kein Feststellungsinteresse erforderlich, zumal dieses lediglich der qualitativen Gliederung des Prozessstoffes dient und nicht über das Anlassverfahren hinaus wirkt (RIS-Justiz RS0040736 [T7]).

4.2. Auch aus der Entscheidung 2 Ob 189/01k kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. In dieser Entscheidung wurde ein Feststellungsbegehren über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens nach Kündigung einer Gesellschaft für zulässig angesehen, wobei jedoch auch ein Eventual‑Leistungsbegehren erhoben worden war. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt war jedoch dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Gesellschaftsvertrag das ‑ in zwei Halbjahresraten zu entrichtende ‑ Auseinandersetzungsguthaben erst nach dessen Feststellung fällig war. Aus diesem Grund kam dort die sofortige Erhebung einer Leistungsklage nicht in Betracht. Aus dieser Entscheidung ist daher für den vorliegenden Fall für den Kläger nichts zu gewinnen.

5. Damit ist das Berufungsgericht aber nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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