OGH 9ObA78/13f

OGH9ObA78/13f27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. E***** GmbH & Co KG, 2. Mag. A***** E*****, vertreten durch Mag. Werner Piplits, Mag. Marko MacKinnon, LLM, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. F***** B*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 260.119,47 EUR sA (erstklagende Partei; Revisionsinteresse: 258.591,97 sA), 156.000 EUR sA (zweitklagende Partei) sowie Feststellung (erst- und zweitklagende Partei je 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 2013, GZ 7 Ra 13/13b-39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte, ehemaliger Vertriebsleiter der Rechtsvorgängerin der Erstklägerin, richtet sich in seiner außerordentlichen Revision im Wesentlichen gegen die erstinstanzliche Beurteilung, dass sein Verhalten im Zuge seines eigenen und des Wechsels mehrerer essenzieller Mitarbeiter zu einem Konkurrenzunternehmen ein vertrags- und rechtswidriges „Abwerben“ dargestellt habe. Er meint auch, dass die von ihm dem Konkurrenten weitergegebenen Daten (Kunden- und Händlerlisten, Umsatzübersichten nach Zeiträumen, Produktgruppen und Ländern über die gesamte Vertriebspalette, Aufstellungen mit Nettoverkaufspreisen und Deckungsbeiträgen, Gehaltsdaten, Marktbearbeitungskonzept mit der gesamten Marktsituation der Erstbeklagten ua) keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gewesen seien.

2. Nach ständiger Rechtsprechung kann die unterlegene Partei dann, wenn sie ihre Berufung nicht auch auf den Berufungsgrund einer unrichtigen Sachbeurteilung gestützt hat, die von ihr versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachtragen (RIS-Justiz RS0043573). Wurde die Entscheidung erster Instanz nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, können andere Punkte in der Rechtsrüge jedenfalls dann, wenn es um mehrere selbstständig zu beurteilende Rechtsfragen geht, in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043573 [T43 ua]).

3. Der Beklagte hat in seiner Berufung im Rahmen der Rechtsrüge ausschließlich - vom Berufungsgericht verneinte - sekundäre Verfahrensmängel wegen fehlender Feststellungen geltend gemacht. Sie betrafen zum einen vermeintliche Säumnisse der Klägerinnen zur Verhinderung des Verlustes der Mitarbeiter, zum anderen die Frage, ob die Weiterleitung der Daten an den Konkurrenten als ehemaligem Vertriebspartner der Klägerinnen nicht ohnedies in deren Interesse gewesen sei.

4. Für den von den Klägerinnen geltend gemachten Schadenersatzanspruch stellt die Frage eines vertrags- oder gesetzwidrigen Abwerbens der Mitarbeiter durch den Beklagten eine selbstständig zu beurteilende Rechtsfrage dar, auf die nach der dargelegten Rechtsprechung mangels Relevierung in der Berufung nicht mehr einzugehen ist. Das gilt in gleicher Weise für die Revisionsausführungen, dass der Zuspruch von Schadenersatz zu undifferenziert erfolgt sei und der Beklagte selbst in keinem direkten Wettbewerbsverhältnis mit den Klägerinnen gestanden sei.

5. Soweit er auch in der Revision vorbringt, mit den übermittelten Daten keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse weitergegeben zu haben, ist ihm Folgendes zu entgegnen:

Dem festgestellten Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass die dem Konkurrenten mitgeteilten Daten aufgrund der früheren langjährigen Kooperation mit der Rechtsvorgängerin der Erstklägerin ohnedies bekannt gewesen seien. Festgestellt wurde vielmehr, dass sämtliche vom Beklagten weitergeleiteten und gelöschten Daten für ein Unternehmen, das in Österreich einen eigenen Vertrieb aufbauen wollte, von großer Bedeutung waren und dass es dem Konkurrenten ohne die Datenweitergabe des Beklagten nicht möglich gewesen wäre, insbesondere in einem dermaßen kurzen Zeitraum, Mitarbeiter anzuwerben und einen eigenen Vertrieb aufzubauen (Ersturteil S 46 und 47).

6. Zu Unrecht vermisst der Beklagte auch weiterhin Feststellungen dazu, ob die dem Konkurrenten zugänglich gemachten Daten im Interesse der Klägerinnen versandt worden seien, weil dem Sachverhalt einschlägige, wenn auch nicht im Sinn des Beklagten getroffene Feststellungen zu entnehmen sind. Festgestellt wurde, dass der Beklagte begann, sich wichtige firmeninterne Daten per E-Mail an seine private E-Mail-Adresse zu schicken, zu denen auch das dem Konkurrenten weitergeleitete äußerst umfangreiche Datenkonvolut Beilage ./R zählte. Dies erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Konkurrenten, um diesem den Aufbau eines eigenen Vertriebs zu ermöglichen (Ersturteil S 43). Das vermeintliche Interesse der Klägerinnen an einer derartigen Datenweitergabe stünde damit aber in einem kaum auflösbaren Widerspruch. Das Erstgericht stellte auch fest, dass die Verkaufspreise (Beilage ./U) nicht an den Konkurrenten weitergegeben werden hätten dürfen (Ersturteil S 45) und dass es sich bei der Gehaltsliste der Mitarbeiter (Beilage ./AA) um eine Information gehandelt habe, die als intern und geheim zu bezeichnen gewesen sei (Ersturteil S 46). Der monierte sekundäre Feststellungsmangel wurde vom Berufungsgericht danach aber in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint.

7. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Für die ohne Freistellung gemäß § 508a Abs 2 ZPO eingebrachte Revisionsbeantwortung der Klägerinnen gebührt kein Kostenersatz (RIS-Justiz RS0043690 [T6, T7]).

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