OGH 9Ob30/13x

OGH9Ob30/13x27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn und den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. F***** P*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. U***** AG, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien und 2. H***** S.A., *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 237.699,87 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 18. Februar 2013, GZ 15 R 2/13v-33, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag der Zweitbeklagten auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO iVm § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von der Zweitbeklagten, die ihren Sitz nicht in Österreich hat, die Zahlung von 237.699,87 EUR sA Zug um Zug gegen Übertrag der in der Klage näher bezeichneten Wertpapiere, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Zweitbeklagten für verschiedene Schäden. Die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts ergebe sich einerseits aus § 29 Abs 2 InvFG 1993. Die Zweitbeklagte sei Vertriebsgesellschaft im Sinn des § 29 Abs 1 InvFG 1993, sodass die Erstbeklagte sie gemäß § 29 Abs 2 InvFG 1993 gerichtlich und außergerichtlich vertrete. Darüber hinaus sei das Erstgericht hinsichtlich der Zweitbeklagten auch gemäß Art 5 Nr 3 EuGVVO örtlich und sachlich zuständig.

Das Erstgericht wies die Klage gegen die Zweitbeklagte mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit iSd § 180 InvFG 2011 zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht über Rekurs des Klägers diese Entscheidung. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist zwar gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht jedenfalls unzulässig. Der Kläger zeigt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf.

1. Der Kläger hat die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass der Tatbestand des Art 5 Nr 3 EuGVVO nicht vorliege, in seinem Rekurs nicht bekämpft. Soweit er sich daher im Revisionsrekurs auf diesen gesondert zu beurteilenden zuständigkeitsbegründenden Tatbestand stützt, ist das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043338 [T11 und T13]).

2. Durch § 29 InvFG 1993 wurde ein spezieller österreichischer (Wahl-)Gerichtsstand insbesondere für Klagen gegen ausländische Kapitalanlagegesellschaften und deren (ausländische) Verwaltungs- und Vertriebsgesellschaften, die auf den Vertrieb von ausländischen Kapitalanlagefondsanteilen im Inland Bezug haben, geschaffen. Für diese Klagen ist das für den Repräsentanten örtlich zuständige Gericht zuständig (RIS-Justiz RS0122313). Da die Klage am 3. 10. 2011 eingebracht wurde, haben die Vorinstanzen im konkreten Fall zutreffend die Nachfolgebestimmung des § 29 InvFG 1993, nämlich den am 1. 9. 2011 in Kraft getretenen § 180 InvFG 2011 (in seiner bis zum Ablauf des 21. 7. 2013 geltenden Fassung, vgl § 200 Abs 7 InvFG 2011 idF BGBl I 2013/135) angewendet. Vertriebsgesellschaft im Sinn dieser Bestimmungen ist nach der Rechtsprechung die Hauptvertriebsgesellschaft. Sie ist die für den Vertrieb der Anteile zuständige Verkaufsgesellschaft, der also von der Kapitalanlagegesellschaft vertraglich das Recht eingeräumt wird, neue Fondsanteile zu emittieren (vgl die ebenfalls die Zweitbeklagte betreffende Entscheidung 6 Ob 142/12v).

Die darauf beruhende Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Zweitbeklagte nicht Hauptvertriebsgesellschaft in diesem Sinn war, ist schon deshalb keineswegs unvertretbar, weil die Zweitbeklagte nach den Feststellungen hier nicht einmal jene Tätigkeiten zur Gänze ausübte, die noch in 6 Ob 142/12v genannt sind. Da hier nicht feststeht, dass sie auch Kundenanfragen zu behandeln hatte, ist der Revisionsrekurs, soweit er nicht davon ausgeht, nicht gesetzmäßig ausgeführt. Darauf, dass die Zweitbeklagte „Verwaltungsgesellschaft“ iSd § 29 InvFG 1993 bzw § 180 InvFG 2011 sei, hat sich der Kläger, worauf bereits das Rekursgericht hingewiesen hat, im Verfahren erster Instanz weder in der maßgeblichen und in der Verhandlung vorgetragenen verbesserten Form der Klage (ON 6), noch in seinem Vorbringen in der abgesonderten Verhandlung vom 5. 9. 2012 (Prot ON 22, S 2) berufen, sodass auf die diesbezüglichen Revisionsrekursausführungen nicht einzugehen ist.

3. Richtig ist, dass die Wahrnehmung des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und anderer Prozesshindernisse gemäß § 42 Abs 3 JN dann nicht mehr möglich ist, wenn bereits eine bindende Entscheidung dieses oder eines anderen Gerichts über diese Voraussetzungen vorliegt (RIS-Justiz RS0035572; Mayr in Rechberger ZPO³ § 42 JN Rz 11). Die Voraussetzung für die bindende Wirkung nach § 42 Abs 3 JN entspricht den Voraussetzungen für die Rechtskraftwirkung iSd § 411 ZPO, sodass insbesondere die Identität der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben sein muss (Ballon in Fasching/Konecny² § 42 JN Rz 22; RIS-Justiz RS0041572 ua). Eine solche bindende Entscheidung liegt jedoch entgegen der - erstmals im Revisionsrekurs erstatteten - Behauptung des Revisionsrekurswerbers hier schon deshalb nicht vor, weil er lediglich die Identität der Zweitbeklagten in einem Parallelverfahren des Rekursgerichts behauptet hat.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 510 Abs 3, 528a ZPO).

Stichworte