OGH 4Ob109/13b

OGH4Ob109/13b27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, unter Mitwirkung der Schwarz & Partner Patentanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Grassner, Lenz, Thewanger & Partner Rechtsanwälte in Linz, unter Mitwirkung der Sonn & Partner Patentanwälte in Wien, wegen Patenteingriff (Unterlassung, Vernichtung und Zahlung; Streitwert im Sicherungsverfahren 400.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. April 2013, GZ 1 R 174/12h, 175/12f-56, womit die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 3. Juli 2012, GZ 10 Cg 59/11y-39, und vom 17. Juli 2013, GZ 10 Cg 59/11y-40, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab.

1.1. Dass der Sachverhalt (Verletzung chinesischer Patente der Klägerin durch Errichtung einer Industrieanlage in China, zu denen die inländische Beklagte einem chinesischen Unternehmen Pläne lieferte, die der Verwendung der geschützten Verfahren dienen) nach chinesischem Recht zu beurteilen ist, stellt die Beklagte nicht in Frage. Sie macht jedoch die unrichtige Ermittlung und Anwendung des chinesischen Rechts geltend; diesem sei der Tatbestand einer mittelbaren Patentverletzung fremd.

1.2. Das Rekursgericht hat - ebenso wie das Erstgericht - einen Patenteingriff der Beklagten in Form der Beitragstäterschaft nach chinesischem Patentrecht bejaht und sich dabei auf ein als umfassend und schlüssig beurteiltes Rechtsgutachten der Klägerin (Beil ./AF) gestützt, wonach eine Patentverletzung durch Beitragstäterschaft nach chinesischem Recht bereits vor Eintritt der unmittelbaren Verletzungshandlung möglich sei. Auch nach dem Gutachten Beil ./U sei es nicht erforderlich, dass eine direkte Patentverletzung gleichzeitig mit der Handlung eines Mittäters erfolgen müsse, es reiche aus, wenn die direkte Patentverletzung unmittelbar drohe; solches sei hier bescheinigt.

1.3. Die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO kann auch bei Maßgeblichkeit eines fremden Rechts zulässig sein, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Lehre und Rechtsprechung die Rechtssicherheit gefährdet wird. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat allerdings nicht die Aufgabe, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten, weil ihm insoweit nicht die dem § 502 Abs 1 ZPO zugrundegelegte Leitfunktion zukommt (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 48 ff und § 503 ZPO Rz 201; 4 Ob 136/99z = ZfRV 2000, 114; 4 Ob 255/04k; RIS-Justiz RS0042940 und RS0042948).

1.4. Einen Fehler bei Ermittlung und Anwendung des chinesischen Rechts zeigt das Rechtsmittel allerdings nicht auf. Ob das chinesische Recht eine mittelbare Patentrechtsverletzung kennt, ist unerheblich, haben sich die Vorinstanzen doch auf den Tatbestand der Beitragstäterschaft nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen der chinesischen Rechtsordnung gestützt, den sie aufgrund zweier Rechtsgutachten auch für den Fall als gegeben annehmen konnten, dass die unmittelbare Verletzungshandlung (hier: die Inbetriebnahme der Industrieanlage in China) unmittelbar bevorsteht.

2.1. Das Rechtsmittel macht geltend, die Vorinstanzen hätten die von der Klägerin vorgelegte Urkunde Beil ./AM deshalb nicht verwerten dürfen, weil diese erst durch eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung bei der Beklagten in den Besitz der Klägerin gelangt sei, wobei der die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme anordnende Beschluss nachträglich aufgrund der Befangenheit eines daran mitwirkenden Laienrichters als nichtig aufgehoben wurde.

2.2. Die Beklagte hat bereits in ihrem Rekurs gerügt, dass die Urkunde Beil ./AM unter Umgehung eines Beweisverwertungsverbots berücksichtigt worden sei. Das Rekursgericht hat diese Auffassung nicht geteilt.

2.3. Eine vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden, weil insoweit ein unanfechtbarer Beschluss des Rekursgerichts vorliegt (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 42; Kodek in Rechberger, ZPO³ § 528 Rz 6; 4 Ob 25/00f; RIS-Justiz RS0042981 [T2]).

2.4. Für einen vom Rekursgericht verneinten Verfahrensmangel erster Instanz gilt nichts anderes (RIS-Justiz RS0042963; RS0106371; RS0043172; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 44; Kodek in Rechberger, ZPO³ § 503 Rz 9).

3. Ob eine von der Klägerin im Verfahren abgegebene Erklärung das Klagebegehren eingeschränkt hat (so der Standpunkt der Vorinstanzen), oder ob damit eine Klageänderung erfolgt ist (so der Standpunkt der Rechtsmittelwerberin), berührt als einzelfallbezogene Auslegung von Prozesserklärungen keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0042828).

4.1. Die Frage, ob eine Tatsache als gegeben anzunehmen ist, wenn deren Vorliegen als „höchstwahrscheinlich“ bezeichnet wird, betrifft im Regelfall das Beweismaß (§ 272 ZPO) und ist damit nicht dem materiellen Recht, sondern dem Verfahrensrecht zuzuordnen (1 Ob 228/01p).

4.2. Hier hat das Rekursgericht mit der für das Sicherungsverfahren nötigen Sicherheit (Glaubhaftmachung; § 274 ZPO) die Rechtsbeständigkeit der gegenständlichen Patente deshalb für bescheinigt erachtet, weil diese Patente erteilt wurden und weiterhin aufrecht sind. Das Rekursgericht hat damit zum Ausdruck gebracht, von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines bestimmten Sachverhalts überzeugt zu sein und hat im Rahmen eines Indizienbeweises von der „Hilfstatsache“ der Eintragung der Patente auf die entscheidungswesentliche Tatsache deren Rechtsbeständigkeit im Rahmen der Beweiswürdigung geschlossen.

4.3. Ob der Indizienbeweis erbracht werden konnte, gehört zur unanfechtbaren Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0040196; ebenso RIS-Justiz RS0112460). Diese Frage kann im Verfahren dritter Instanz daher nicht überprüft werden.

5. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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