OGH 15Os105/13z

OGH15Os105/13z21.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kurzthaler als Schriftführer in der Strafsache gegen Daniel D***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 6 Hv 120/12i des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 23. Jänner 2013, GZ 6 Hv 120/12i-33, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23. Jänner 2013, GZ 6 Hv 120/12i-33, verletzt im Schuldspruch C./I./ § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie in den Schuldsprüchen C./II./1./ bis 4./ § 107 Abs 1 StGB.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen C./I./ und C./II./1./ bis 4./, zu C./I./ ersatzlos, demzufolge auch in den Aussprüchen über die Strafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung (ausgenommen zu C./I./) zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23. Jänner 2013, GZ 6 Hv 120/12i-33, wurde Daniel D***** des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB (A./), des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 (zu ergänzen: Abs 1), 145 Abs 1 Z 1 StGB (B./I./), des (richtig:) Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (B./II./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (C./I./), mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (C./II./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (D./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Soweit hier von Bedeutung hat er

B./ am 5. September 2012 in K***** in der Steiermark

I./ Johann H***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, durch gefährliche Drohung mit der Verletzung an Freiheit, Ehre, Vermögen und der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung zu einer Handlung zu nötigen versucht, die diesen am Vermögen schädigen sollte, indem er auf der Windschutzscheibe des PKW des Genannten einen Brief hinterlegte, in welchem er ihn zur Zahlung von 30.000 Euro aufforderte, widrigenfalls er gegen ihn Anzeige wegen des Verdachts der Vergewaltigung, des organisierten Kindesmissbrauchs, der schweren Körperverletzung, der Erpressung und einer öffentlichen Morddrohung erstatten werde;

C./ nachgenannte Personen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

I./ am 5. September 2012 in (richtig:) K***** in der Steiermark Johann H***** mit dem Tod durch die schriftliche Ankündigung „Ich werde dich in der Nacht mit KO-Tropfen betäuben und dich dann ins Auto zerren. Dann fahre ich mit dir zum Kriegerdenkmal, stecke dir durch deine Achillesferse einen Sauhaken. Daran werde ich dich dann Kopf abwärts hängen lassen, dir die Kehle aufschneiden und dich ausbluten lassen wie ein kleines Stück Vieh“;

II./ in Wien und Graz mit der Verletzung an Freiheit, Ehre und Vermögen durch schriftliche Ankündigungen, gegen nachgenannte Briefadressaten Anzeige wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zu erstatten, und zwar:

1./ am 28. September 2012 a./ Gregor I*****, b./ Raimund I*****, c./ Judith I***** und d./ Dr. Martin S*****;

2./ am 8. Oktober 2012 a./ Patrick L*****, b./ Andreas K*****, c./ Kurt W*****, d./ Dieter J***** und e./ Günter F*****;

3./ am 9. Oktober 2012 a./ Sylvia Hi*****, b./ Robert Ko*****, c./ Elisabeth N*****, d./ Wolfgang P*****, e./ Doris Ps*****, f./ Herbert So*****, g./ Sandra So***** und h./ Gunter Kö*****;

4./ im September oder Oktober 2012 a./ Andrea Pl*****, b./ Gunter We*****, c./ Johann Hi***** und d./ Mario Pf*****.

Nach den Urteilsfeststellungen zu B./I./ und C./I./ verfasste der Angeklagte einen Brief, den er auf die Windschutzscheibe des PKW seines Stiefvaters Johann H***** legte und diesem darin mitteilte, dass er beabsichtige, ihn auf der Polizeistation K***** wegen der im Tenor genannten Delikte anzuzeigen (US 6). Zusätzlich bedrohte er ihn in diesem Brief mit einer - auch im Urteilsspruch (C./I./) - wörtlich zitierten Ankündigung mit dem Tod, um ihn dadurch „mit Absicht“ in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 6 letzter Absatz, 7 erster Absatz). Abschließend schlug der Angeklagte H***** noch einen Handel vor, wonach er alle Anzeigen fallen lassen werde, beide einander nie mehr sehen würden und er K***** für immer verlassen werde, wenn H***** bis spätestens 10:00 Uhr 30.000 Euro auf das Konto des Angeklagten überweise. Dabei hielt es der Angeklagte ernstlich für möglich und fand sich damit ab, seinen Stiefvater durch das Drohen mit dem Tod und der Erstattung einer Anzeige zur Zahlung von 30.000 Euro zu nötigen, „und“ (gemeint: um) sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und fand sich damit ab. Dabei war es dem Angeklagten bewusst, dass er durch das Drohen mit dem Tod eine schwere Erpressung beging, die geeignet war, den Stiefvater zur Überweisung von 30.000 Euro zu bewegen (US 7 zweiter Absatz).

Zu C./II./ konstatierte das Schöffengericht zur subjektiven Tatseite, dass es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt, seine Bekannten gefährlich an Freiheit, Ehre und Vermögen zu verletzen, und sich damit abfand (US 8 erster Absatz). Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte es zudem aus, dass der Angeklagte die Bedrohten in Furcht und Unruhe versetzen und in weiterer Folge auf sich aufmerksam machen wollte (US 11 dritter Absatz).

Der Angeklagte zog seine zunächst gegen den Schuldspruch angemeldete und ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde am 30. April 2013 zurück (ON 40 S 3), sodass das Urteil in diesem Umfang in Rechtskraft erwuchs. Über die gegen die Sanktionsaussprüche gerichteten Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat das Oberlandesgericht Graz (AZ 9 Bs 230/13m) bisher nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz das Gesetz in mehrfacher Hinsicht:

Wer einen anderen mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, begeht das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB. Wird hingegen jemand durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung genötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, verantwortet der Täter, wenn er mit dem Vorsatz handelt, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, das Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB.

Im Falle der Anwendung der gefährlichen Drohung auch zu einem anderen strafrechtlich verpönten Zweck als bloß zu jenem, das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen, tritt § 107 StGB als subsidiäres Delikt (hier gegenüber jenem der schweren Erpressung) zurück (RIS-Justiz RS0093147; Ratz in WK2 Vor §§ 28-31 Rz 53; Schwaighofer in WK2 § 107 Rz 16).

Zwar hat das Erstgericht im Referat der zum Schuldspruch B./I./ entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) die als verwirklicht angesehene Qualifikation des § 145 Abs 1 Z 1 StGB nur durch Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung und nicht auch durch Drohung mit dem Tod dargestellt (B./I./). Die materielle Richtigkeit eines Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) ist jedoch stets nur anhand eines Vergleichs (nicht mit dem erwähnten Referat, sondern) mit den Feststellungen der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0118775; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 269).

Aufgrund der Feststellung (US 7 zweiter Absatz), dass die beschriebene Drohung mit dem Tod als weiteres Nötigungsmittel zur Begehung der schweren Erpressung verwendet wurde, wurde das zu B./I./ und C./I./ konstatierte Verhalten des Angeklagten somit sowohl jenem Verbrechen (§§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB; B./I./) als auch dem Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (C./I./) unterstellt. Weil aber die zusätzliche Subsumtion der dargestellten Drohung mit dem Tod (auch) nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB infolge stillschweigender Subsidiarität nicht in Betracht kommt, verletzt das Urteil im Umfang des zuletzt bezeichneten Schuldspruchs das Gesetz.

Das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB setzt die Absicht des Täters (§ 5 Abs 2 StGB) voraus, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen. Dieser handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt. Verlangt das Gesetz Absicht, so reicht für die Strafbarkeit die Feststellung einer Intention des Täters bloß in Richtung § 5 Abs 1 erster oder zweiter Satzteil StGB nicht aus.

Mit den vorliegenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der zu C./II./1./ bis 4./ vorgeworfenen Drohungen, der Angeklagte habe es ernstlich für möglich gehalten, seine Bekannten gefährlich an Freiheit, Ehre und Vermögen zu verletzen, und sich damit abgefunden (US 8 erster Absatz), sowie er habe diese in Furcht und Unruhe versetzen und in weiterer Folge auf sich aufmerksam machen wollen (US 11 vorletzter Absatz), wird jedoch nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht, dass es dem Angeklagten darauf ankam (§ 5 Abs 2 StGB), die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, er diesbezüglich sohin (nicht bloß vorsätzlich iSd § 5 Abs 1 StGB, sondern) absichtlich gehandelt habe.

Die Anführung der erforderlichen Vorsatzelemente im Urteilsspruch („um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen“) vermag die gebotene - hier jedoch fehlende - Feststellung der entscheidenden Tatsachen in den Entscheidungsgründen nicht zu ersetzen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580 mwN).

Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu C./II./1./ bis 4./ verletzt sohin ebenfalls das Gesetz.

Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen haben sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Der Oberste Gerichtshof sah sich gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst diese Feststellung mit der im Spruch genannten konkreten Wirkung zu verbinden.

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