OGH 8Ob34/13b

OGH8Ob34/13b30.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** F*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 5.664 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2013, GZ 21 R 232/12v‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte mit der am 22. 9. 2011 eingebrachten Klage den Ersatz von Reparaturkosten für eine von Mitarbeitern der beklagten GesmbH verursachte Beschädigung seines Tankanhängers. Mit Urteil des Erstgerichts vom 14. 9. 2012 wurde die Klage als unbegründet abgewiesen.

Über das Vermögen der Beklagten war bereits im Jahr 2007 der Konkurs eröffnet und am 15. 6. 2010 mangels Kostendeckung gemäß § 166 KO aufgehoben worden. Die entsprechende Eintragung im Firmenbuch erfolgte am 16. 7. 2011; am 8. 9. 2012 wurde die beklagte Gesellschaft amtswegig im Firmenbuch gelöscht. Der Konkursakt wurde im erstinstanzlichen Verfahren verlesen.

Das Berufungsgericht forderte den Kläger aus Anlass seines Rechtsmittels unter Bekanntgabe der amtswegigen Löschung der Beklagten zur Mitteilung auf, ob er das Verfahren fortsetzen wolle. Da er dies in seiner aufgetragenen Stellungnahme verneinte, hob das Berufungsgericht mit seinem angefochtenen Beschluss das angefochtene Urteil sowie das vorangegangene Verfahren unter Kostenaufhebung als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Der gegen diesen Beschluss erhobene, nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässige Rekurs der Beklagten strebt die ersatzlose Aufhebung dieses Beschlusses, in eventu die Änderung der Kostenentscheidung an. Der Kläger hat eine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Wird eine beklagte Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Prozesses gelöscht, ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen. Strebt der Kläger hingegen nicht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft an, ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären (RIS‑Justiz RS0110979; 8 ObA 2344/96f [verst Senat]).

Diese Grundsätze sind aber auch dann anzuwenden, wenn die Gesellschaft nicht nach § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wird, sondern gemäß § 39 FBG mit Rechtskraft des Beschlusses, durch den ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde, aufgelöst wird (8 Ob 197/02g; RIS‑Justiz RS0110979 [T2]). Der Eintragung der Löschung der Firma kommt nämlich nur deklarative Bedeutung zu; wesentlich ist, dass in beiden Fällen die Gesellschaft als aufgelöst gilt und keine Liquidation stattfindet.

Der Wille des Klägers zur Verfahrensfortsetzung gegen die aufgelöste oder gelöschte Gesellschaft muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch daraus ergeben, dass er trotz der ihm bekannten, den Verlust der Parteifähigkeit herbeiführenden Umstände das Verfahren durch Anträge oder Rechtsmittel fortsetzt (RIS‑Justiz RS0110979 [T4]).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dem Kläger war die Auflösung der Beklagten und deren Eintragung gemäß § 39 FBG spätestens seit der Verlesung des Konkursaktes im Verfahren erster Instanz bekannt. Er hat das Verfahren dessen ungeachtet fortgesetzt und gegen das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts Berufung erhoben. Damit hatte der Kläger aber zum Zeitpunkt der Aufforderung durch das Rekursgericht sein Wahlrecht bereits schlüssig zu Gunsten der Fortsetzung des Verfahrens konsumiert (vgl 1 Ob 153/02k).

Der Beklagten ist beizupflichten, dass es ihr Grundrecht auf ein faires Verfahren und gerichtliche Sachentscheidung (Art 6 EMRK; Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union) verletzen würde, es in das Belieben des Klägers zu stellen, von seiner bereits getroffenen Wahl bei drohendem Prozessverlust wieder abzugehen, um sich des Verfahrens kostengünstig zu entledigen.

Wegen des amtswegigen Vorgehens des Berufungsgerichts liegt kein „echter“ Zwischenstreit vor, die Kostenentscheidung ist daher gemäß § 52 Abs 1 ZPO vorzubehalten (Obermaier, Kostenhandbuch², Rz 297).

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