OGH 3Ob132/13b

OGH3Ob132/13b17.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Marschitz, Dr. Petzer und Mag. Bodner, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei Straßeninteressentschaft *****, vertreten durch Brüggl & Harasser Partnerschaft, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen 31.160 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 34.960 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. April 2013, GZ 1 R 65/13p‑43, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Jänner 2013, GZ 41 Cg 205/11g‑38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00132.13B.0717.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die beklagte Straßeninteressentschaft (eine Körperschaft öffentlichen Rechts nach § 20 Abs 9 Tiroler Straßengesetz, LGBl 1989/13) als Verfügungsberechtigte des „*****wegs“ schloss mit einem näher bezeichneten Tourismusverband als Berechtigtem eine Vereinbarung, worin sie den Weg für Radfahrer frei gab.

Der Kläger stürzte im Jahr 2011 bei einer Fahrt mit seinem Mountainbike auf diesem Weg über zwei „Frostbeulen“ und zog sich Verletzungen zu.

Die Vorinstanzen verneinten sowohl eine vertragliche als auch eine deliktische Haftung der beklagten Partei.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger vermisst in seiner gegen das Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision Rechtsprechung dazu, ob der Vertrag zwischen der beklagten Partei und dem Tourismusverband Grundlage für eine Haftung der beklagten Partei nach den Grundsätzen des „Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ sein könne.

Damit zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Bei Verletzung vertraglicher Pflichten haftet auch der Halter eines Wegs ohne die in § 1319a ABGB normierte Beschränkung, wird also schon bei leichter Fahrlässigkeit ersatzpflichtig (4 Ob 211/11z ZVR 2013/105 [ Kathrein ]; RIS‑Justiz RS0023459 [T2]).

2. In den Entscheidungen 1 Ob 260/05z (ZVR 2006/198 [ C. Huber ] = SZ 2006/14) und 4 Ob 211/11z, die ebenfalls Unfälle auf Mountainbike‑Strecken betrafen, wurde eine Vertragshaftung des Wegehalters, der den Weg als Mountainbike‑Strecke ganz allgemein ‑ ohne individuelles Regelwerk, ohne Einzelbetreuung und ohne „organisierte Veranstaltung“ unentgeltlich zur Verfügung stellt, verneint.

3. Eine unmittelbare Vertragshaftung der beklagten Partei kommt nicht in Betracht, weil der Forstweg, auf dem sich der Unfall ereignete, ebenfalls ohne „organisierte Veranstaltung“ unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde.

4. Der berechtigte Tourismusverband übernahm gegenüber der verfügungsberechtigten beklagten Partei nur die Verantwortung als Wegehalter iSd § 1319a ABGB für den verkehrssicheren Zustand des Wegs als Mountainbike‑Strecke, nicht aber ‑ als weitere vertragliche Hauptleistung ‑ auch eine Sorgfaltspflicht gegenüber den diesen Weg benutzenden Mountainbikern. Die vertragliche Übernahme der Wegehalterhaftung durch den Tourismusverband kann aber nicht zu einem strengeren Haftungsmaßstab als dem in § 1319a ABGB normierten führen (1 Ob 260/05z; 4 Ob 211/11z).

5. Darüber hinaus übersieht der Kläger hier ganz grundlegend den Charakter der von Lehre und Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen bejahten Sorgfalts‑ und Schutzpflichten zugunsten Dritter, am Vertrag nicht beteiligter Personen: Solche Pflichten werden dann angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RIS‑Justiz RS0017195; 4 Ob 211/11z).

Die Verletzung allfälliger Sorgfalts‑ und Schutzpflichten könnte hier aber naturgemäß nur jenen treffen, der diese Pflichten im Verhältnis zum Verfügungsberechtigten vertraglich übernommen hat. Das war gerade nicht die beklagte Partei, sondern jener Tourismusverband, dem die beklagte Partei die Halterpflichten übertrug.

6. Darauf, ob der Vertrag zwischen der beklagten Partei und dem Tourismusverband nachträglich schlüssig dahin abgeändert wurde, dass die beklagte Partei dem Tourismusverband den Weg unentgeltlich zur Benützung überlässt, kommt es nicht an.

7. Hier steht fest, dass die Unebenheiten und Querrinnen auf dem Weg bei situationsgerechter Befahrung keine Gefahr darstellten. Der Kläger stürzte, weil er zu schnell und/oder technisch unrichtig über die Frostbeulen fuhr und deshalb die Kontrolle über sein Rad verlor. Die Frostbeulen können auch bei höherer Geschwindigkeit problemlos überfahren werden, wenn man sich fahrtechnisch richtig verhält.

Unter diesen Umständen ist eine grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei iSd § 1319a ABGB ‑ die der Kläger nur mit dem Satz in Zweifel zog, dass zwei Erhebungen eine Haftung nach § 1319a ABGB begründeten - nicht zu erkennen.

Stichworte