OGH 4Ob22/13h

OGH4Ob22/13h9.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Norman Dick und Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** Stiftung, *****, vertreten durch LNR Lorenz Nesensohn Rabanser Rechtsanwälte in Vaduz, Einvernehmensanwalt Dr. Harald Bösch in Bregenz, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei D*****, vertreten durch Dr. Michael Polst, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 572.554,40 EUR sA, über den Rekurs des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. November 2012, GZ 1 R 177/12y‑85, womit die Berufung des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 23. Juli 2012, GZ 6 Cg 237/09w‑76, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Nebenintervenient ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.126,96 EUR (darin enthalten 521,16 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt mit ihrer Hypothekarklage die Zahlung von 572.554,40 EUR sA aus einem von ihr dem Nebenintervenienten gewährten Darlehen bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft der Beklagten.

Der Nebenintervenient trat dem Verfahren auf Seiten der Beklagten bei und stellte einen Zwischenfeststellungsantrag. Sein rechtliches Interesse am Beitritt begründete er damit, dass er Wohnungsgebrauchsberechtigter der Liegenschaft der Beklagten sei, wobei im Grundbuch zugunsten der Klägerin zwei eingetragene Pfandrechte dem ihm von der Beklagten eingeräumten Wohnungsgebrauchsrecht im Rang vorgingen. Sollte die Klägerin mit ihrer Klage durchdringen, könnte dies sein Wohnungsgebrauchsrecht berühren. Darüber hinaus sei er der Beklagten im Fall eines Prozessverlusts zum Regress verpflichtet.

Das Erstgericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung bei sonstiger Exekution in ihre Liegenschaft. Den Zwischenfeststellungsantrag des Nebenintervenienten wies es ab.

Nach Zustellung des Urteils erklärte die Beklagte, auf die Erhebung einer Berufung zu verzichten und eine allfällig vom Nebenintervenienten eingelegte Berufung zurückzuziehen.

Der Nebenintervenient erhob dennoch eine Berufung gegen das Ersturteil. Dieses entfalte auch auf sein Rechtsverhältnis mit der Klägerin Wirksamkeit, weil eine Versteigerung der Liegenschaft das zu seinen Gunsten einverleibte Wohnungsgebrauchsrecht obsolet machen würde. Die vorzeitige Rechtsmittelzurücknahme der Beklagten sei daher für ihn nicht bindend.

Die Beklagte wiederholte daraufhin ihren Rechtsmittelverzicht und zog die Berufung des Nebenintervenienten ausdrücklich zurück. Das Wohnrecht am Eigentumsobjekt der Beklagten vermittle dem (einfachen) Nebenintervenienten nicht die Stellung einer einheitlichen Streitpartei mit der Beklagten.

Das Berufungsgericht wies die Berufung des Nebenintervenienten als unzulässig zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für jedenfalls zulässig. Der (einfache) Nebenintervenient könne dann kein Rechtsmittel ergreifen, wenn die Hauptpartei ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichte oder ihr Rechtsmittel zurückgezogen habe. Diese könne auch die Rechtsmittel des Nebenintervenienten zurückziehen. Nur der streitgenössische Nebenintervenient könne auch gegen den Willen der Hauptpartei Rechtsmittel ergreifen. Hier handle es sich jedoch um eine einfache Nebenintervention. Das Wohnungsgebrauchsrecht betreffe nur das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zur Hauptpartei, von der es eingeräumt worden sei. Verfahrensgegenständlich sei die Zahlung einer offenen Kreditforderung, für die die Beklagte als Realschuldnerin hafte, während das Wohnungsgebrauchsrecht oder dessen Rangverhältnis zur Hypothek der Klägerin nicht zu beurteilen gewesen seien. Es sei daher keine rechtliche Wirksamkeit des Ersturteils in Bezug auf ein Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zur Klägerin gegeben. Der Nebenintervenient sei wie jeder nachrangig dinglich Berechtigte nur mittelbar betroffen, wenn ein vorrangiges Pfandrecht an der Liegenschaft realisiert wird. Der Rechtsmittelverzicht und die Zurückziehung der Berufung durch die Beklagte sei daher rechtswirksam und für den Nebenintervenienten bindend.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Nebenintervenienten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die materielle Entscheidung über seine Berufung aufzutragen. Die Rechtsverhältnisse der Parteien zum Nebenintervenienten seien so miteinander verwoben, dass ihm eine streitgenössische Position zukomme.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs des Nebenintervenienten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.

1.1. Der einfache Nebenintervenient ist befugt, alle Prozesshandlungen mit Wirksamkeit für die Partei vorzunehmen. Es steht aber im Belieben der Partei, durch ihren Widerspruch die vom Nebenintervenienten gesetzten Handlungen unwirksam werden zu lassen (Deixler-Hübner, Die Nebenintervention im Zivilprozess [1993], 146).

1.2. Einfache Nebenintervenienten (nach §§ 17 ff ZPO) können keine Prozesshandlungen setzen, die im Widerspruch zu den Prozesshandlungen der Hauptpartei stehen; es gelten sonst die Handlungen der Hauptpartei, die widersprechenden Handlungen der Nebenintervenienten sind unwirksam (RIS‑Justiz RS0035472).

1.3. Der Nebenintervenient kann nach Lehre und Rechtsprechung anstelle oder neben der Hauptpartei Rechtsmittel ergreifen, wenn die Hauptpartei nicht ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet oder ihr Rechtsmittel zurückgezogen hat (ecolex 1995, 256 mwN).

1.4. Ein Rechtsmittelverzicht der Hauptpartei bindet den Nebenintervenienten; die Hauptpartei darf auch ein vom Nebenintervenienten eingebrachtes Rechtsmittel zurücknehmen (RIS‑Justiz RS0035472 [T1]; vgl auch RS0035520, RS0035560; 5 Ob 245/10f).

2.1. Zieht die Prozesspartei die Revision zurück, dann steht dem Nebenintervenienten das Revisionsrecht nur zu, wenn ihm die Stellung nach § 20 ZPO (streitgenössischer Nebenintervenient) zukommt (RIS‑Justiz RS0035505).

2.2. Eine streitgenössische Nebenintervention nach § 20 ZPO liegt dann vor, wenn das Urteil kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auch in Bezug auf das Rechtsverhältnis des Intervenienten zum Gegner der Hauptpartei rechtlich wirksam ist.

2.3. Die rechtliche Wirksamkeit des Urteils ist in Bezug auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zum Gegner des Hauptprozesses nur dann gegeben, wenn das Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und der Hauptpartei durch die erweiterte Rechtskraftwirkung des Urteils mitumfasst wird oder wenn das Urteil auch gegen den Nebenintervenienten vollstreckt werden kann oder wenn die Tatbestandswirkung des Urteils auch das Rechtsverhältnis zwischen Nebenintervenienten und Hauptpartei ergreift (RIS‑Justiz RS0035579).

2.4. Weder eine dem Nebenintervenienten drohende Regressklage noch seine allfällige Solidarhaftung vermag ihm die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten zu verschaffen (RIS‑Justiz RS0035583).

3.1. Gegenstand des vorliegenden Prozesses ist die Frage der Haftung der Beklagten als Realschuldnerin für die Darlehensforderung der Klägerin. Die Rechtsstellung des Nebenintervenienten als nachrangig dinglich Berechtigter an der Liegenschaft der Beklagten wird durch die Entscheidung nur mittelbar berührt. Insbesondere liegt kein Fall der Rechtskrafterstreckung vor, die eine einheitliche Streitpartei von Beklagter und Nebenintervenient begründen würde (vgl Schubert in Fasching/Konecny 2, § 14 ZPO Rz 23).

Der Rekurswerber ist daher als einfacher Nebenintervenient iSd §§ 17 ff ZPO und nicht als streitgenössischer Nebenintervenient iSv § 20 ZPO zu qualifizieren.

3.2. Auf die vom Rekurswerber gegebene Begründung zu den „verwobenen Rechtsverhältnissen“ ist nicht näher einzugehen, weil es sich dabei um unzulässige Neuerungen handelt.

3.3. Soweit sich der Nebenintervenient auch auf seinen ‑ vom Erstgericht abgewiesenen ‑ Zwischenfeststellungsantrag stützt, ist ihm entgegen zu halten, dass die Hauptpartei (Beklagte) auch insoweit zur Zurückziehung seines Rechtsmittels befugt war (vgl Deixler-Hübner in Fasching/Konecny 2 § 236 ZPO Rz 2 mwN).

4. Dem Rekurs des Nebenintervenienten war somit nicht Folge zu geben.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte