Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird keine Folge gegeben.
Text
Begründung
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts am 14. 5. 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Schuldnerin ist bücherliche Eigentümerin einer Liegenschaft, die nach dem Grundbuchsstand im ersten bis vierten Rang mit Höchstbetragshypotheken einer Bank im Gesamtbetrag von 1.191.190 EUR sowie im sechsten bis siebten Rang mit exekutiven Pfandrechten im Gesamtbetrag von 7.454,65 EUR belastet ist. Eine im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ob dieser Liegenschaft angemerkte Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung wurde vom Grundbuchsgericht am 17. 9. 2012 infolge Zeitablaufs gelöscht.
Am 8. 10. 2012 stellte der Insolvenzverwalter beim Erstgericht den Antrag, der Schuldnerin gemäß § 119 Abs 5 IO die Liegenschaft wegen Überbelastung zur freien Verfügung zu überlassen. Im April 2011 sei sie zusammen mit weiteren Liegenschaften, die im Eigentum einer KG stehen, zwecks Umschuldung mit „Anwartschaftsvertrag“ außerbücherlich an einen Gesellschafter der Schuldnerin verkauft worden. Mit dem Kaufpreis seien die mit den Höchstbetragshypotheken besicherten Forderungen der Bank getilgt worden, Löschungsquittungen seien bereits ausgestellt. Zu einer Verbücherung der Transaktionen sei es wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gekommen. Bei Abschluss des „Anwartschaftsvertrags“ habe das hypothekarisch sichergestellte Kreditobligo den Wert der Liegenschaft weit überstiegen.
Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag und sprach aus, dass die Liegenschaft der Schuldnerin zur freien Verfügung überlassen werde. Die Voraussetzungen des § 119 Abs 5 IO lägen vor, weil aus der Verwertung der Liegenschaft kein Erlös für die Masse zu erwarten sei.
Das Rekursgericht gab dem vom Insolvenzverwalter gemeinsam mit zwei Mitgliedern des (erst nach Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses bestellten) Gläubigerausschusses erhobenen Rekurs Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts im antragsabweisenden Sinn ab.
Gegen den Beschluss auf Ausscheidung nach § 119 Abs 5 IO stehe dem Insolvenzverwalter auch dann ein Rekurs zu, wenn er den Antrag selbst gestellt habe; seine materielle Beschwer sei zu bejahen. Auch die Mitglieder des Gläubigerausschusses, des primär für einen Überlassungsbeschluss zuständigen Organs, seien zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert.
Aus dem Sachverhalt und den im Rekursverfahren vorgelegten, nach § 260 Abs 2 IO zulässigen neuen Bescheinigungsmitteln ergebe sich, dass der „Anwartschaftsvertrag“ vom 25. 4. 2011 nicht in verbücherungsfähiger Form errichtet wurde und darüber hinaus keine Verbücherung in einem vor der Insolvenzeröffnung liegenden Rang (§ 13 IO) mehr möglich wäre. Der Anwartschaftsvertrag sei beidseits nicht zur Gänze erfüllt, sodass der Insolvenzverwalter gemäß § 21 IO die Wahl habe, einzutreten oder von der Vereinbarung zurückzutreten. Eine Ausübung dieses Wahlrechts sei bisher nicht erfolgt, insbesondere könne der Antrag nach § 119 Abs 5 IO nicht als schlüssiger Eintritt in den „Anwartschaftsvertrag“ ausgelegt werden. Weder sei er an den Vertragspartner der Masse gerichtet, noch lasse er einen Eintrittswillen erkennen.
Da aus dem Sachverhalt und den Urkunden kein Hinweis auf eine Einlösung der Höchstbetragspfandrechte der Bank durch den Käufer hervorgehe, seien diese Hypotheken forderungsentkleidet und die Liegenschaft keine Sache von „unbedeutendem Wert“ iSd § 119 Abs 5 IO.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung einerseits zur Rekurslegitimation des Insolvenzverwalters bei fehlender formeller Beschwer, andererseits zum Rücktrittsrecht nach § 21 IO bei vollständiger Erfüllung der Gegenleistung nicht bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Insolvenzverwalter beantwortete Revisionsrekurs der Schuldnerin strebt in erster Linie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, hilfsweise eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an. Er ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Der Revisionsrekurs bekämpft die meritorische Behandlung des Rekurses des Insolvenzverwalters, stellt aber die Rechtsmittellegitimation der beiden weiteren Rekurswerber nicht in Frage.
Abgesehen davon, dass es für das materielle Ergebnis der Entscheidung letztlich ohne Belang wäre, ob sie aufgrund des Rechtsmittels aller drei Rekurswerber oder nur jenes der beiden Mitglieder des Gläubigerausschusses getroffen würde, hält sich die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Es kommt im Insolvenzverfahren grundsätzlich demjenigen ein Rekursrecht zu, der durch eine Entscheidung (nicht bloß in seinen wirtschaftlichen Interessen, sondern) in einem Recht verletzt ist. Dem Insolvenzverwalter steht jedenfalls ein Rekursrecht zu, soweit er konkret gemeinsame Interessen der Insolvenzgläubiger gegenüber Einzelinteressen eines Gläubigers zu vertreten hat (RIS-Justiz RS0065135 [T34]).
Dieser Grundsatz gilt auch für die Bewilligung der Überlassung eines Massebestandteils nach § 119 Abs 5 IO, zumal die tatsächlichen Voraussetzungen dafür vom Insolvenzgericht amtswegig zu erheben und festzustellen sind (Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger InsR4, § 119 IO Rz 207).
Dem Insolvenzverwalter muss es daher möglich sein, im Interesse der Gläubigergemeinschaft die Schmälerung der Masse durch eine auf unrichtigen Voraussetzungen beruhende Gerichtsentscheidung selbst dann zu bekämpfen, wenn er sie ursprünglich selbst beantragt hat (Kodek aaO Rz 215; Riel in Konecny/Schubert, InsG, § 119 IO Rz 62). Innerhalb der Grenzen der beschränkten Neuerungserlaubnis nach § 260 Abs 2 IO steht es ihm frei, auch Argumente vorzutragen, die von seinem erstinstanzlichen Vorbringen abweichen (zur Geltendmachung von nova producta vgl Kodek aaO Rz 217).
Das Rekursgericht hat die Rekurslegitimation des Insolvenzverwalters daher ohne Rechtsirrtum bejaht.
2. Der Revisionsrekurs vertritt die Rechtsansicht, dem Insolvenzverwalter stehe nach § 21 IO das Recht zum Rücktritt vom „Anwartschaftsvertrag“ vom 25. 4. 2011 nicht mehr zu, weil der Käufer den Kaufpreis in der vereinbarten Form vollständig geleistet und seine Verpflichtungen aus dem Vertrag damit bereits zur Gänze erfüllt habe. Der Wortlaut des § 21 Abs 1 IO erfasse nur jene Fälle, in denen beide Teile den Vertrag noch nicht zur Gänze erfüllt haben. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts sei keine Abwicklung des Kaufvertrags über einen Treuhänder vereinbart gewesen, sodass es auch nicht darauf ankomme, ob ein solcher bereits in der Lage gewesen wäre, die bücherlichen Einverleibungen zu veranlassen.
Diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu. Das Rekursgericht hat zutreffend auf die Grundbuchssperre nach § 13 IO iVm § 25 GBG hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0102658; 8 Ob 109/03t). Nach herrschender Lehre ist § 21 IO bei Treuhandabwicklungen nicht mehr anzuwenden, wenn der Treuhänder bereits den gesamten Kaufpreis erhalten und - bei Liegenschaftskäufen - den Antrag auf Einverleibung gestellt oder einverleibungsfähige Urkunden und einen gültigen Rangordnungsbeschluss in Händen hat. Nur unter diesen Voraussetzungen kann der Insolvenzverwalter nicht mehr zurücktreten (vgl 4 Ob 2119/96p mwN). Der Revisionsrekurs vermag nicht zu begründen, weshalb die wegen § 13 IO unbedingt notwendigen Voraussetzungen für eine bücherliche Durchführung des Vertrags trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann nicht mehr erforderlich sein sollten, wenn kein Treuhänder bestellt ist und die Vertragsparteien die Abwicklung selbst übernommen haben. Auf die Frage der Reichweite des im „Anwartschaftsvertrag“ vereinbarten Treuhandauftrags kommt es daher nicht an.
Von einer vollständigen Erfüllung des „Anwartschaftsvertrags“ kann hier schon deswegen nicht die Rede sein, weil die Urkunde wesentlichen inhaltlichen und formalen Anforderungen für eine Verbücherung nicht genügt. So lässt sich der pauschale Kaufpreis den mehreren Liegenschaften der beiden Verkäufer nicht zuordnen, es fehlen ferner Aufsandungserklärung und Beglaubigung der Unterschriften. Zur endgültigen Abwicklung des Geschäfts wäre in jedem Fall, auch ohne Zwischentreten des Insolvenzverfahrens, noch die Errichtung einer grundbuchsfähigen Urkunde erforderlich gewesen, deren Zustandekommen wiederum zwingend eine Mitwirkung des Käufers voraussetzt. Allein mit der Zahlung des Kaufpreises waren dessen Verpflichtungen somit noch nicht erfüllt. Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 21 IO auf den Vertrag vom 25. 4. 2011 anzuwenden ist.
Nach § 119 Abs 5 IO dürfen nur Sachen von unbedeutendem, keinen Erlös für die Masse versprechendem Wert dem Schuldner überlassen werden. Dies trifft auf die gegenständliche Liegenschaft nicht zu, weil sie infolge Tilgung der den Hypotheken zugrundeliegenden Forderungen tatsächlich nur mehr in ganz unbedeutendem Umfang mit Absonderungsrechten belastet ist.
Ein Kostenersatz findet im Insolvenzverfahren nicht statt (§ 254 Abs 1 Z 1 IO).
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