Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard H***** des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er „im April 2009 in G***** die ihm als Einzelunternehmer der mit der Hausverwaltung des Objektes *****, betrauten G***** durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch der W*****, einen Vermögensnachteil in der Höhe von zumindest 46.020,93 Euro zugefügt, indem er pflichtwidrig die Überweisung des laut Meistbotsverteilungsbeschlusses des Bezirksgerichts Mödling vom 4. März 2009 der W***** zugewiesenen Meistbotsverteilungserlöses - nach Abzug der Verfahrenskosten - in der Höhe von 146.371,55 Euro anstatt auf das Hausverwalterkonto auf sein Kanzleikonto veranlasste, in sein Vermögen übernahm und einen Teil in der Höhe von 46.020,93 Euro widmungswidrig verwendete, wobei er durch die Tat einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte“.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wurde der zwischen dem Angeklagten und der W***** (im Folgenden kurz „W*****“ genannt) abgeschlossene Verwaltervertrag „per 30. April 2009“ gekündigt (US 5 zweiter Absatz). Am 28. April 2009 wurde dem Angeklagten der mit Meistbotsverteilungsbeschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 4. März 2009, AZ 5 E 145/00s, der W***** als Vorzugspfandrecht zugewiesene Betrag von 146.371,55 Euro überwiesen. Diesen Betrag erhielt der Beschwerdeführer am 4. Mai 2009 (US 4 erster Absatz). Er ließ das Geld auf eines „seiner Konten“, jedoch nicht auf das W*****-Konto überweisen, wobei er in der Folge - zu nicht konkretisierten Zeitpunkten - 46.020,93 Euro, teilweise zur Abdeckung von Konten der GA***** GmbH, die „nichts mit der W***** zu tun hatten“, widmungswidrig verwendete (US 4 iVm US 2 oben).
Nach den Konstatierungen des Erstgerichts wusste der Angeklagte, dass er 146.371,55 Euro auf das „Hausverwalterkonto“ einzuzahlen und Rechnung zu legen gehabt hätte. Es war ihm auch bewusst, dass ihm keine Verzugszinsen gegen die W***** zustanden, und er rechnete damit, die W***** durch die Geldüberweisung auf das eigene Konto, die Säumnis der Rechnungslegung und die Einbehaltung der Verzugszinsen am Vermögen in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag zu schädigen, womit er sich auch abfand (US 5 Mitte).
In rechtlicher Hinsicht beurteilten die Tatrichter diesen Sachverhalt als das Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, weil der Angeklagte wissentlich die ihm eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der W***** zu verfügen, missbrauchte, indem er die Auszahlung des ihr zugewiesenen Meistbotserlöses auf sein Kanzleikonto anstelle des Verwaltungskontos veranlasste und in weiterer Folge das Geld nicht nur für die W***** verwendete, wodurch er diese - von seinem Vorsatz umfasst - in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag schädigte (US 10 erster Absatz).
Zutreffend vermisst die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen, ob die dem Angeklagten rechtsgeschäftlich mittels Verwaltungsvertrag eingeräumte Befugnis, über Eigentum der W***** zu verfügen, im Tatzeitpunkt noch bestand.
Gegenstand des nach § 153 StGB inkriminierten Verhaltens ist der Missbrauch eingeräumter Befugnis. Als Täter dieses Sonderpflichtdelikts kommt auch ein Hausverwalter in Betracht (Fabrizy, StGB10 § 153 Rz 2; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 153 RN 37), der sich als Inhaber einer nach außen wirksam gewährten Verfügungsmacht bewusst über die im Innenverhältnis gezogenen Schranken hinwegsetzt und demgemäß im Rahmen des durch seine Machthaberposition bestehenden rechtlichen Könnens gegen sein rechtliches Dürfen verstößt (Fabrizy, StGB10 § 153 Rz 1; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 1, 28). Diese (nach außen wirksame) Rechtsmacht muss im Tatzeitpunkt noch aktuell sein. Aufgehobene Vollmachten und frühere Befugnisse reichen nicht aus. Bei genereller Befugnisüberschreitung oder Befugnisvortäuschung (falsus procurator) kann nicht Untreue, wohl aber nach Lage des Falles anderes strafbares Verhalten vorliegen (RIS-Justiz RS0095943 [T6]; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 16; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 153 RN 44 f).
Dem Schuldspruch fehlen daher konkrete Feststellungen, wonach trotz des „per 30. April 2009“ gekündigten Verwaltervertrags eine über dieses Datum hinaus weiterbestehende, seitens der W***** gegenüber dem Angeklagten rechtsgeschäftlich eingeräumte oder kraft Gesetzes bzw behördlichen Auftrags diesem zukommende Befugnis über Vermögen der W***** zu verfügen, vorlag.
Sollte dem Angeklagten zu den Tatzeitpunkten eine solche Befugnis nicht (mehr) zugestanden sein, kommt Untreue nicht in Betracht; dies zieht jedoch nicht zwingend den vom Beschwerdeführer angestrebten Freispruch nach sich.
Beruht nämlich der Eintritt des Vermögensschadens auf einem durch Täuschung über Tatsachen, etwa über die tatsächlich nicht (mehr) bestehende Vertretungsbefugnis, bewirkten Verhalten des Getäuschten, könnte unter der weiteren Voraussetzung eines erst festzustellenden, auf unrechtmäßige Bereicherung und Schädigung gerichteten Vorsatzes, Betrug nach §§ 146 f StGB vorliegen (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153 Rz 50; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 153 RN 140).
Nach der Aktenlage ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass der genannte Betrag in Ansehung der Übernahme der künftigen Verwaltung durch die Hausverwaltung H***** KG (US 5 zweiter Absatz) zunächst dem Angeklagten - ohne Irrtum - mit der Verpflichtung, in einer bestimmten Weise damit zu verfahren, anvertraut wurde. Missbraucht der Täter in diesem Fall eine tatsächlich bestehende Verfügungsmöglichkeit zum Nachteil der W*****, könnte dies - unter der weiteren Voraussetzung eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes - zu einer rechtlichen Beurteilung nach § 133 StGB führen (Fabrizy, StGB10 § 133 Rz 4; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 48 f; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 153 RN 132 f).
Da somit auf Basis des Urteilssubstrats eine abschließende rechtliche Beurteilung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tathandlungen nicht möglich ist, ist eine Aufhebung des Urteils im gesamten Umfang und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO) unvermeidlich.
Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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