OGH 10Ob29/13g

OGH10Ob29/13g25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M*****, geboren am *****, J*****, geboren am ***** und T*****, geboren am *****, in Pflege und Erziehung der Mutter J*****, vertreten durch das Land Vorarlberg als Jugendwohlfahrts-träger (Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, Schlossgraben 1, 6800 Feldkirch), wegen Gewährung von Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Vaters B*****, vertreten durch Mag. Hans-Christian Obernberger, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 12. Juli 2011, GZ 3 R 198/11g, 3 R 199/11d, 3 R 200/11a-18, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Feldkirch vom 18. Mai 2011, GZ 12 Pu 141/11f-4 bis 6, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit den am 18. 5. 2011 gefassten Beschlüssen (ON 4 bis 6) hat das Erstgericht den Minderjährigen antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse in Höhe von monatlich jeweils 791,50 EUR für den Zeitraum 1. 5. 2011 bis 31. 1. 2014 bewilligt. Zum Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck, die Unterhaltsvorschüsse im Hinblick auf die Schweizer Staatsbürgerschaft der Kinder ab Gewährungsbeginn einzustellen, teilte der Jugendwohlfahrts-träger am 16. 6. 2011 (ON 12) mit, dass die Kinder und die Mutter als Doppelstaatsbürger sowohl über die französische als auch über die Schweizer Staatsbürgerschaft verfügen. Die Mutter sei in Österreich selbständig erwerbstätig und bei der gewerblichen Sozialversicherung versichert, die Kinder seien über die Mutter mitversichert. Sämtliche Voraussetzungen für die Vorschussgewährung lägen daher vor.

Dem gegen die Unterhaltsvorschussgewährung erhobenen Rekurs des Vaters gab das Rekursgericht nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters wies das Rekursgericht mit Beschluss vom 18. 4. 2013 als unzulässig zurück. Es änderte jedoch gleichzeitig den Zulassungsausspruch in der Rekursentscheidung dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG doch zulässig sei. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG sei der außerordentliche Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, weil der Entscheidungsgegenstand für jedes Kind einzeln mit jeweils 28.494 EUR (dem dreifachen Jahresbetrag des bekämpften Unterhaltsvorschusses) zu beurteilen sei. Der Zulassungsantrag des Rechtsmittelwerbers sei aber berechtigt, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob die (mögliche) Anwendung europäischen Primär- und Sekundärrechts oder völkerrechtlicher Abkommen der EU mit anderen Staaten (und zwar unabhängig davon, ob eine „schwierige Rechtsfrage“ zu lösen sei) dem Begriff „ausländisches Recht“ im Sinn des § 16 Abs 2 Z 6 RpflG zu unterstellen sei und den Richtervorbehalt auslöse.

1. Das Erstgericht legte den Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor.

2. Der Akt ist dem Erstgericht zur Verbesserung zurückzustellen.

3. Der Verfahrenshilfevertreter des Vaters hat den Revisionsrekurs am 31. 1. 2013 (rechtzeitig) direkt beim Erstgericht überreicht (ON 77 und 82). Der Rechtsvertreter unterließ in seiner nicht im Elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingabe die Bescheinigung, dass die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen (§ 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141). Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die - wie hier - nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist vom Erstgericht ein fristgebundenes Verbesserungsverfahren durchzuführen (RIS-Justiz RS0128266; jüngst: 10 Ob 12/13g und 10 ObS 39/13b).

4. Die bisherige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV-Teilnehmer/innen nunmehr den Elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll - als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) - zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (RIS-Justiz RS0128266).

5. Demnach sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen. Dieses hat den für den Vater einschreitenden Rechtsanwalt gemäß § 10 Abs 4 AußStrG unter Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung des Revisionsrekurses durch den Rechtsvertreter im Elektronischen Rechtsverkehr aufzufordern. Wird die gesetzte Frist eingehalten, so gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 erster Satz AußStrG).

Stichworte