OGH 12Os45/13d

OGH12Os45/13d20.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maximilian G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 10. Dezember 2012, GZ 14 Hv 110/12b-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maximilian G***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1./), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2./) sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (3./) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 27. und 31. Dezember 2010 in S*****

1./ von dem am 29. Mai 2002 geborenen, somit unmündigen Ares M***** eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen lassen, indem er diesen anleitete und veranlasste, an ihm manuelle Masturbationshandlungen zu vollziehen;

2./ Ares M***** durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sich gemeinsam mit diesem in dessen Kinderzimmer einsperrte und erklärte, er werde ihn ansonsten nicht mehr hinauslassen, diesen dazu veranlasste, zunächst manuelle Masturbationshandlungen an ihm vorzunehmen und ihn in weiterer Folge oral zu befriedigen, wobei er mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternahm;

3./ Ares M***** durch gefährliche Drohung mit Verletzungen am Körper zur Unterlassung einer Mitteilung über die zu 2./ geschilderten Tathandlungen gegenüber Familienmitgliedern genötigt, indem er erklärte, er dürfe niemandem etwas erzählen, ansonsten werde er ihn zusammenschlagen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3, 4 und 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Behauptung einer Verletzung des § 252 Abs 1 StPO (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO) übergeht das Protokoll der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2012, wonach der gesamte Akteninhalt - beinhaltend auch die Aussagen der Zeugen Ines M*****, Barbara N***** und Baldur N***** vor der Kriminalpolizei - einverständlich (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) verlesen worden ist (ON 38 S 16).

Durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2012 gestellten Antrags „auf Einvernahme der Zeugen Baldur N***** und Barbara N***** zur Glaubwürdigkeit und Verhalten des Ares M***** ... zum normalen Verhalten und zum Charakter des Opfers“ zum Beweis, dass es schwer einzuschüchtern sei und ein mehrmonatiges Schweigen über die inkriminierten Vorfälle „unwahrscheinlich“ und eine Verhaltensänderung erst zu Ostern 2011 aufgetreten sei (ON 38 S 14, 16), wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt, weil der Beweisantrag auf einen Erkundungsbeweis ohne erhebliches (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340) Beweisthema abzielte, zumal das Beweisbegehren - im Gegensatz zur darüber hinaus gehenden Verfahrensrüge - auf keine habituelle Falschbezichtigungstendenz im Sinn einer notorischen Lügenhaftigkeit (vgl 15 Os 54/05p; 14 Os 30/05a; Schroll/Schillhammer, Leitfaden für Rechtsmittel in Strafsachen Rz 145) abstellte.

Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist der Ausspruch des Gerichtshofs über entscheidende Tatsachen nur dann, wenn entweder zwischen Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehr Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS-Justiz RS0119089; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437).

Einen solchen Fehler zeigt aber die Beschwerde mit dem Einwand, dass erhebliche Widersprüche zwischen den Angaben der Zeugen und den Urteilsannahmen bestünden, nicht auf, weil von einem aus Z 5 dritter Fall beachtlichen Widerspruch keine Rede sein kann, wenn Beweisergebnisse gegen getroffene Feststellungen sprechen (RIS-Justiz RS0119089 [T1]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439).

Insoweit sich die Mängelrüge mit dem Aussageverhalten des Zeugen Ares M***** auseinandersetzt, lässt sie außer Acht, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit von Zeugen aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt ist (RIS-Justiz RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431). Unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit kann zwar auch die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0119422), doch haben die Tatrichter die widersprüchlichen Angaben des Zeugen Ares M***** ohnedies erörtert (US 5 f) und auch die Angaben der Zeugen Barbara N***** und Baldur N*****, wonach dieser öfter lüge, in ihre Überlegungen miteinbezogen (US 6).

Mit dem Vorbringen, die erkennenden Richter hätten nur pauschal auf die Aussagen der Zeugen Barbara N*****, Baldur N*****, Roderich N***** und Ines M***** verwiesen, ohne sich mit ihnen näher auseinanderzusetzen, übergeht der Beschwerdeführer die erstgerichtlichen Erwägungen in Ansehung der Zeugen Barbara N*****, Baldur N***** und Ines M***** (US 6). Darüber hinaus macht die Rüge nicht deutlich, weshalb die Angaben des Zeugen Roderich N***** (der das Opfer als aggressives Kind darstellte, das sich nichts gefallen lässt; ON 38 S 7) für die Feststellung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung sein könnten und solcherart im Sinne der - damit offensichtlich angesprochenen - Z 5 zweiter Fall erörterungsbedürftig gewesen wären (RIS-Justiz RS0118316).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte