OGH 5Ob34/13f

OGH5Ob34/13f6.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Bock Fuchs Nonhoff Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Verlassenschaft nach DI Dr. F***** S*****, zuletzt *****, 2. C***** S*****, 3. R***** H*****, alle vertreten durch Dr. Erhard Hackl, Rechtsanwalt in Linz, wegen 5.981.028,80 EUR sA über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. November 2012, GZ 3 R 186/12m‑37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 19. Juli 2012, GZ 2 Cg 260/10y‑33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00034.13F.0606.000

 

Spruch:

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 11.992,43 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 1.998,74 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Beide Vorinstanzen gaben dem auf § 874 ABGB gestützten Schadenersatzbegehren der Klägerin in der rechnerisch unstrittigen restlichen Höhe von 5.981.028,80 EUR statt.

Das Berufungsgericht ging von einer vorsätzlichen Irreführung der Klägerin durch DI Dr. S***** aus, weil dieser zur Lukrierung des von ihm gewünschten hohen Kaufpreises gezielt unrichtige Angaben zu Zinseinkünften erstattet hatte, die nach der Vertragsgrundlage maßgeblich für die Errechnung des Kaufpreises waren. Die Zweit‑ und Drittbeklagten hätten ihn bei dieser listigen Irreführung dahin unterstützt, dass sie, wie von ihm gefordert, einen neuen Mietvertrag zu für sie wesentlich ungünstigeren Bedingungen als bisher, nämlich mit erhöhtem Bestandzins und einseitigem 30‑jährigen Kündigungsverzicht, abschlossen, obwohl ihnen klar war, dass der vereinbarte Mietzins von ihnen mittelfristig nicht aufgebracht werden könne. Mit dieser Vorgangsweise hätten die Zweit‑ und Drittbeklagten DI Dr. S***** den Verkauf der Liegenschaft zu einem wesentlich überhöhten (und damit die Klägerin in Höhe des Klagebetrags schädigenden) Kaufpreis ermöglicht und so eine Beteiligung an seinem betrügerischen Verhalten infolge Verknüpfung der beiden Verträge (Abschluss des Mietvertrags war Voraussetzung für den Kaufvertrag) geleistet.

Den Mitverschuldenseinwand der Beklagten hielt das Berufungsgericht nicht für berechtigt. Auch wenn sich die Klägerin infolge Unterlassens einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung der Mietergesellschaft Fährlässigkeit anrechnen lassen müsse, überwiege doch das vorsätzliche, auf Irreführung der Klägerin gerichtete Verhalten der Beklagten derart, dass eine allfällige Fahrlässigkeit der Geschädigten nicht ins Gewicht falle.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision zur Frage „eines allenfalls die Klägerin treffenden Mitverschuldens“ für zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerin beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

Völlig zutreffend hat das Berufungsgericht den in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsatz dargestellt, dass dem Betrogenen gegen den listigen Irreführer trotz eigener Fahrlässigkeit voller Ersatz zusteht und die Mitverschuldensregelung des § 1304 ABGB nicht zur Anwendung gelangt. Vorsatz schließt den Mitverschuldenseinwand in aller Regel aus (RIS‑Justiz RS0016291; 4 Ob 77/06m SZ 2006/90; Koziol HPR I³ Rz 12/17; Bollenberger in KBB³ § 874 ABGB Rz 2).

Dass die Käuferin sich mit einer nur oberflächlichen Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mietergesellschaft begnügte und auf die Richtigkeit der ihr ausdrücklich zugesagten Werthaltigkeit des Mietvertrags und damit die Angemessenheit des Kaufpreises vertraute, lässt allenfalls den Vorwurf der Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten und somit fahrlässigen Verhaltens zu. Nach den dargestellten Grundsätzen steht ihr jedoch dennoch gegenüber den vorsätzlich handelnden Beklagten der Anspruch auf vollen Ersatz des Vertrauensschadens zu.

Welche Bedeutung eine nach Zeit und Umfang von beiden Parteien gemeinsam festgelegte Due Dilligence‑Prüfung, wie sie in Fällen eines Unternehmens‑ oder Beteiligungserwerbs üblich sein mag, für ein Mitverschulden des Käufers haben könnte, muss nicht geklärt werden, weil ein solcher Akquisitionsfall hier in tatsächlicher Hinsicht nicht vorliegt.

Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO wird durch die Anwendung der dargestellten Haftungsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall nicht berührt. Das hatte zur Zurückweisung der Revision der Beklagten zu führen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 46 Abs 2, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen.

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