Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen, das gesetzliche Verfahren über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Das die Klage auf Berufsunfähigkeitspension abweisende Urteil des Erstgerichts wurde dem Vertreter der Klägerin laut Zustellnachweis RSb am „16. 1. 2013“ (= Datum des Eingangsstempelaufdrucks der Arbeiterkammer Linz [AK Linz], den ein „Postbevollmächtigter für RSb-Briefe“ unterfertigte) zugestellt.
Mit dem von ihrem Rechtsanwalt am 15. 2. 2013 im ERV elektronisch eingebrachten Schriftsatz erhob die Klägerin Berufung.
Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Ausgehend vom Zustelldatum 16. 1. 2013 habe die vierwöchige Berufungsfrist am 13. 2. 2013 geendet, weshalb die erst am 15. 2. 2013 eingebrachte Berufung zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben; hilfsweise wird ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat keine Rekursbeantwortung erstattet.
Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Rekurswerberin beruft sich darauf, das Berufungsgericht habe nicht den tatsächlichen Zeitpunkt der Zustellung zugrunde gelegt; das Ersturteil sei nicht am 16. 1. 2013, sondern erst am Freitag, dem 18. 1. 2013 zugestellt worden. Dies ergebe sich zum einen aus dem Datum des Poststempels auf dem Zustellnachweis (17. 1. 2013), das eine davor liegende Zustellung ausschließe; zum anderen aus den vorgedruckten Texten zu einer allfälligen Hinterlegung („ Heute, am 18. 1. 2013 konnte Ihnen ein behördliches Dokument [z.B. RSb-Brief] nicht zugestellt werden. [...]“) sowie zur Verständigung über eine solche Hinterlegung (auch dort beginne die Zeit der Abholung erst „ ab [Montag, dem] 21. 1. 2013 “ und nicht schon mit [Donnerstag, dem] 17. 1. 2013, also dem auf das vermeintliche Zustelldatum folgenden Tag). Zutreffend habe das Erstgericht daher in der elektronischen Gerichtsakte den Zustellvorgang (ohnehin) mit 18. 1. 2013 „EDV-mäßig-aktenkundig“ erfasst. Auch aus den weiteren vorgelegten Beweismitteln zum Einlangen des Ersturteils bei der AK Linz (eidesstattliche Erklärung des zuständigen Teamleiters, Fotokopien des Eingangsbuchs und der Korrespondenz) ergebe sich, dass am Eingangsstempel ein falsches Datum eingestellt gewesen sei.
2. Im Hinblick auf das Rekursvorbringen hat der Oberste Gerichtshof, der - wie zuletzt festgehalten wurde - in Bezug auf die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels auch „Tatsacheninstanz“ mit Erhebungspflichten sein kann (10 ObS 113/12h; RIS-Justiz RS0036430; RS0006965 [T13, T16] Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 § 87 [§ 22 ZustG] Rz 4) Einsicht in den Zustellnachweis und die mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden genommen. Aufgrund dieser Erhebungsergebnisse steht zum Zustellvorgang fest, dass das Ersturteil nicht vor Freitag, dem 18. 1. 2013 beim damaligen Klagevertreter eingelangt ist.
3. Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Rechtsmittel bis zur sicheren Widerlegung von Zweifeln die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, solange nicht seine Verspätung eindeutig ausgewiesen ist (RIS-Justiz RS0006965). Verbleibende Zweifel an der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels gehen immer zu Lasten der Behörde und nicht zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0006965 [T13]).
4. Nach der Aktenlage ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass auf dem Eingangsstempel der AK Linz ein falsches Datum eingestellt war; von einer wirksamen Zustellung kann erst am 18. 1. 2013 ausgegangen werden. Da die vierwöchige Frist des § 464 Abs 1 ZPO somit am 15. 2. 2013 endete, wurde die an diesem Tag im ERV elektronisch eingebrachte Berufung rechtzeitig erhoben. Die bekämpfte Zurückweisung erweist sich damit als unrichtig und ist aufzuheben.
5. Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung über das rechtzeitige Rechtsmittel der Klägerin aufzutragen.
5.1. Diese Entscheidung war von einem Dreiersenat zu fällen (§ 11a Abs 3 Z 2 ASGG; Neumayr in Zell Komm II2 § 11a ASGG Rz 2, 3; 10 ObS 113/12h mwN).
Der Vorbehalt der Verfahrenskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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