Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist eine der geschädigten Anleger(innen) im AvW‑Fall. Sie hat über die Frankfurter Börse Genussscheine der AvW Gruppe AG (vormals AvW Management Beteiligungs AG) erworben, die spätestens mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über die AG wertlos geworden sind. Die Klägerin meldete Schadenersatzansprüche von mehr als 30.000 EUR im Insolvenzverfahren an, die von der nun beklagten Insolvenzverwalterin bestritten wurden. Die Klägerin begehrt nun die Feststellung des Bestehens der angemeldeten Insolvenzforderung (Konkursforderung). Die Beklagte vertritt dagegen den Standpunkt, das vorliegende Rechtsverhältnis sei als atypische stille Gesellschaft zu qualifizieren, womit der Klägerin die Stellung einer Mitunternehmerin zukomme, der kein Konkursteilnahmeanspruch zustehe. Bei der (dem Bestehen nach nicht strittigen) Schadenersatzforderung auf kapitalmarktrechtlicher Basis handle es sich nicht um eine nach den allgemeinen Regeln des Insolvenzverfahrens zu befriedigende Konkursforderung, sondern vielmehr um nachrangiges Eigenkapital.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es verneinte die Mitunternehmereigenschaft der Klägerin unter Hinweis darauf, ihr sei nach dem Inhalt der Genussscheinbedingungen keine Beteiligung an der Gesellschaft, sondern lediglich an Teilen deren Vermögens zugekommen. Sie könne auch nicht einem Aktionär gleichgestellt werden, weil sie als Genussscheininhaberin nur Anteil an dem von der Schuldnerin eingesammelten Anlagekapital gehabt habe. Die Genussrechtsinhaber hätten die Möglichkeit gehabt, von ihrem (ordentlichen und außerordentlichen) Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Drittgläubiger hätten kein schützenswertes Interesse daran, dass das von den Genussrechtsinhabern eingebrachte Kapital in der Gesellschaft verbleibe. Das US‑amerikanische Kapitalmarktrecht ordne Schadenersatzansprüche geschädigter Aktienerwerber bzw ‑verkäufer in der Insolvenz der Gesellschaft den vorrangigen Ansprüchen der Fremdkapitalgeber nach. Das mehrfach für Nachrangigkeit verwendete Argument, dass andernfalls kaum Investoren für die Sanierung des Unternehmens zu finden seien, überzeuge bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht; der auch auf Arglist beruhende Schadenersatzanspruch der Klägerin und tausender anderer Geschädigter lasse selbst bei einer nachrangigen Befriedigung eine Sanierung als nahezu ausgeschlossen erscheinen. § 57a Abs 1 IO bestimme die Nachrangigkeit von Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Leistungen gegenüber den Insolvenzforderungen. Da das von der Klägerin für den Erwerb der Genussscheine aufgewendete und der Schuldnerin zugekommene Kapital als Gegenleistung für die ihr nach den Bedingungen dafür zustehenden Genussrechte keinen kapitalersetzenden Charakter habe und eine gesetzliche Grundlage für die ungleiche Behandlung eines Schadenersatzanspruchs des Anlegers gegenüber Drittgläubigern in Österreich nicht bestehe, sei der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht nachrangig.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur allfälligen Nachrangigkeit von Schadenersatzansprüchen eines geschädigten Genussrechtsinhabers gegenüber Drittgläubigern im Insolvenzverfahren der Gesellschaft fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten erweist sich als unzulässig, weil darin eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht erörtert wird.
Hervorzuheben ist nochmals, dass auch die Beklagte davon ausgeht, dass der Klägerin nach kapitalmarktrechtlichen Grundsätzen gegen die Schuldnerin ein Anspruch auf Ersatz jenes Schadens zusteht, der ihr durch den Erwerb der (schließlich wertlos gewordenen) Genussscheine entstanden ist (vgl dazu 7 Ob 77/10i; 6 Ob 28/12d). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Bestehen dieses Schadenersatzanspruchs als Insolvenzforderung im Sinne des § 51 IO. Die Beklagte bestreitet (lediglich) die Qualifikation des angemeldeten Schadenersatzanspruchs als „gewöhnliche“ Insolvenz-forderung und vertritt die Auffassung, der Anspruch könne nur nachrangig ‑ nach Befriedigung der eigentlichen Insolvenzforderungen ‑ verfolgt werden.
Über weite Strecken der Revisionsausführungen setzt sich die Beklagte allerdings ausschließlich mit den Fragen auseinander, ob Genussscheininhaber als Mitunternehmer ‑ allenfalls im Rahmen einer atypischen stillen Gesellschaft ‑ zu qualifizieren wären und welche insolvenzrechtlichen Konsequenzen sich aus einer Qualifikation des beim Erwerb der Genussscheine hingegebenen Kapitals ‑ das die Revisionswerberin als Eigenkapital ansieht ‑ ergäben. Dabei übersieht sie aber offenbar, dass es hier nicht um den Anspruch eines stillen Gesellschafters auf Rückzahlung seiner Kapitaleinlage als solchen oder des Genussscheininhabers auf Rückzahlung seiner Vermögensbeteiligung als solchen bzw des Kurswerts seiner Genussscheine oder seinen Gewinnbeteilungsanspruch geht, sondern um den (unstrittigen) Schadenersatzanspruch der Klägerin wegen (vorsätzlich) fehlerhafter Kapitalmarktinformation. Die auch in zweiter Instanz unterlegene Beklagte hätte also ‑ um die vom Berufungsgericht aufgezeigte Rechtsfrage zweckmäßig und nachvollziehbar zu erörtern ‑ die Nachrangigkeit dieses Schadenersatzanspruchs in der Insolvenz der Schuldnerin zu begründen. Das kann aber nicht durch die Erörterung ersetzt werden, welche Rechtsstellung der Klägerin als Genussberechtigter zukäme, wenn sie ihre Vermögensanlage im Wege eines unbedenklichen Erwerbsvorgangs getätigt hätte. Zudem hat schon das Berufungsgericht unmissverständlich darauf hingewiesen, dass seiner Ansicht nach eine gesetzliche Grundlage für die ungleiche Behandlung eines Schadenersatzanspruchs des Anlegers gegenüber Drittgläubigern nach der österreichischen Rechtslage nicht bestehe.
Der bloße Umstand, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer bestimmten Frage fehlt, bedeutet nicht ohne Weiteres das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, insbesondere dann nicht, wenn eine Rechtsfrage im Gesetz so eindeutig gelöst ist, dass ernsthafte Zweifel bei der Auslegung nicht entstehen können (vgl nur Kodek in Rechberger³ § 502 ZPO Rz 17; Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 47 mit zahlreichen Judikaturnachweisen; s auch RIS‑Justiz RS0042656). Im vorliegenden Fall ist nicht zweifelhaft, dass eine Nachrangigkeit von Schadenersatzforderungen bestimmter Anleger in der Insolvenz des Emittenten im Gesetz nicht vorgesehen ist. Um darzutun, dass dennoch eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, die außerhalb positiv‑rechtlicher Gesetzesnormen zu lösen wäre, genügt es selbstverständlich nicht, in der Revision bloß sinngemäß zu erklären, dass man sich eine entsprechende Norm wünsche, die zu einer Nachrangigkeit der in der Insolvenz angemeldeten Forderung der Klägerin führt. Vielmehr wäre eine Auseinandersetzung mit den für das angestrebte Ergebnis allenfalls fruchtbar zu machenden Gesetzesbestimmungen erforderlich, wozu insbesondere auch die nachvollziehbare Darlegung gehörte, aus welchen Erwägungen allenfalls eine Analogie zu konkreten Normen in Betracht käme, die diese Rechtsfolge vorsehen (RIS‑Justiz RS0042656 [T20]). All dies ist jedoch in der vorliegenden Revision nicht zu finden (vgl auch RIS‑Justiz RS0043654 [T6]).
Wie schon das Berufungsgericht aufgezeigt hat, enthält das österreichische Insolvenzrecht eine einzige Norm, die bestimmte Forderungen als den (eigentlichen) Insolvenzforderungen nachrangig einstuft, nämlich § 57a IO, der mit dem EKEG eingeführt wurde. Die Bestimmung ordnet an, dass „Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Leistungen“ nach den Insolvenzforderungen zu befriedigen sind. Das Berufungsgericht hat die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung vor allem mit dem Argument abgelehnt, dass das der Schuldnerin als Gegenleistung für die ausgegebenen Genussscheine zugekommene Kapital keinen eigenkapitalersetzenden Charakter (iSd EKEG) habe. Zudem wies es darauf hin, dass keine Veranlassung für die Anwendung kapitalersatzrechtlicher Regeln bestünde, zumal die Voraussetzungen des § 10 Abs 2 EKEG bei der Klägerin nicht erfüllt seien.
Zu all dem nimmt die Revisionswerberin nicht Stellung. Sie legt nicht einmal im Ansatz dar, warum es gerechtfertigt sein sollte, den sehr beschränkten Tatbestand des § 57a IO im Wege der Analogie auf die Schadenersatzansprüche von Anlegern auszudehnen, deren Schaden im Erwerb einer Beteiligung besteht, die durch krasse Verletzung kapitalmarktrechtlicher Normen durch die Emittentin begründet wurde. Vielmehr erklärt die Revisionswerberin sogar ausdrücklich, dass „eine Anwendbarkeit des EKEG auf die verfahrensgegenständlichen Genussrechte keinesfalls tatbestandsmäßig“ sei. Woraus sie wirklich eine Nachrangigkeit der Schadenersatzforderung ableiten will, bleibt somit gänzlich im Dunkeln.
Soweit die Revisionswerberin schließlich auf das US‑amerikanische Kapitalmarktrecht hinweist, welches Schadenersatzansprüche geschädigter Aktienerwerber bzw ‑verkäufer in der Insolvenz der Gesellschaft den vorrangigen Ansprüchen der Fremdkapitalgeber nachordne, ist ihr entgegenzuhalten, dass das österreichische Recht eine vergleichbare Norm gerade nicht kennt. Es ist nicht Sache der Gerichte zu entscheiden, ob eine solche Rechtsfolge auch für das österreichische Recht rechtspolitisch angemessen wäre. Die Schaffung weiterer Fallgruppen von nachrangigen Forderungen ist vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten. Dass das derzeit geltende österreichische Recht die Basis für eine Analogiegrundlage enthalten würde, die es rechtfertigen könnte, die in § 57a IO allein für Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Leistungen angeordnete Nachrangigkeit auf die auf kapitalmarktrechtlicher Grundlage entstandenen Schadenersatzansprüche von Anlegern zu übertragen, behauptet die Revisionswerberin ‑ wie bereits dargelegt ‑ selbst nicht.
Die Revision ist daher mangels Erörterung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Revisionsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb sich ihre Revisionsbeantwortung als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.
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