European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00063.13B.0508.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
1.1. Besitzanrechnung greift Platz, wenn während der Dauer der Ersitzungs‑ bzw Verjährungsfrist eine Rechtsnachfolge, sei es Einzel‑ oder Gesamtrechtsnachfolge, stattfindet ( M. Bydlinski in Rummel , ABGB 3 § 1493 Rz 1; Gusenleitner‑Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 1493 Rz 2; vgl RIS‑Justiz RS0034412, RS0034604). Hingegen reicht die bloße Zeitfolge für die Besitzanrechnung nicht aus, weshalb sie bei Ungültigkeit des Erwerbsaktes (Putativtitel) nicht stattfindet (vgl Klang in Klang 2 VI 640; Gusenleitner‑Helm aaO).
1.2. In diesem Fall ist vielmehr nach verbreiteter Auffassung die Zeit des Zwischenbesitzes des Erwerbers in die Ersitzungszeit einzurechnen. Dabei ist allerdings nicht von Besitzanrechnung zu sprechen. Vielmehr wird nur der Besitz des Veräußerers als ununterbrochen behandelt; auf den Besitz des Erwerbers kommt es demgegenüber gar nicht an ( Klang aaO 641). Diese Auffassung hat Gusenleitner‑Helm (aaO Rz 3) mit eingehender Begründung kritisiert. Demnach kann wegen der Maßgeblichkeit der Faktizität im Besitzrecht nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass während der Zeit des Zwischenbesitzes der Besitz des ursprünglichen Besitzers fortdauerte. Entscheidend seien vielmehr die Verkehrsauffassung und die konkreten Umstände des Einzelfalls.
1.3. Nach Apathy (Ausgewählte Fragen des Ersitzungrechts, JBl 1999, 205 [217]) besteht der Zweck des § 1493 ABGB darin, die Wirkungen der Ersitzung trotz eines Subjektwechsels eintreten zu lassen und den Ersitzungsgegner zu zwingen, sein Recht innerhalb der Ersitzungszeit geltend zu machen. Solange es aber niemanden gebe, dem gegenüber der Berechtigte sein Recht geltend machen sollte und könnte, erscheine auch keine Einrechnung angebracht.
1.4. Auf diese Frage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht abschließend einzugehen:
2.1. Die Ersitzung einer Landfläche setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass auf einem bestimmt umgrenzten Teilstück neben weiteren Voraussetzungen Handlungen gesetzt werden, die den Eigentümer von der Ausübung seines Rechts ausschließen (RIS‑Justiz RS0034276 [T3]). Voraussetzung für jede Ersitzung ist eine Besitzausübung, die die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden so sichtbar zum Ausdruck bringt, dass sie eine Besitzausübung dritter Personen nicht zulässt. Typische Arten der Ausübung des Sachbesitzes an unbeweglichen Sachen sind gemäß § 312 ABGB das Betreten, Verrainen, Einzäunen, Bezeichnen oder Bearbeiten ( G. Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 312 Rz 7 ff mwN; RIS‑Justiz RS0010101; vgl auch RS0009792 [T9]). Die Rechtsprechung nimmt bei geringer Bewirtschaftungsintensität in der Regel bloß die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit an (RIS‑Justiz RS0010142 [T2]).
2.2. Für die Ersitzung ist die Ausübung des Besitzes während der gesamten Ersitzungszeit wesentlich (RIS‑Justiz RS0011702 [T1]). Der Ersitzungsbesitzer hat außer einer Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht, während der Gegner einen in deren Verlauf eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen hat, ferner auch, dass der Besitz nicht redlich oder echt gewesen sei (RIS‑Justiz RS0034251).
2.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen steht lediglich fest, dass der Vater des Klägers in der Zeit von 1954 bis 1975 auf der Grundfläche 1961 einen Kanal errichtete und in den Jahren 1966 und 1967 Nachbarn ein Zufahrtsrecht über die Fläche einräumte. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass darin keine ausreichende Ausübung eines Sachbesitzes für die Ersitzung des Eigentumsrechts liegt, nicht zu beanstanden.
2.4. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergeben sich auch keinerlei Hinweise darauf, dass die beklagte Partei bei Erwerb dieser Fläche im Jahr 2004 im Vertrauen auf den Grundbuchsstand fahrlässig gehandelt hätte (vgl RIS‑Justiz RS0034776 [T23]). Nachforschungen über die Richtigkeit des Grundbuchsstands sind vom Ersteher nur bei Vorliegen besonderer, vom Gegner zu beweisender Umstände zu verlangen (RIS‑Justiz RS0034870). Inwieweit diese Umstände geeignet sind, beim Erwerber Zweifel hervorzurufen, stellt jedoch regelmäßig eine Frage des Einzelfalls dar (vgl RIS‑Justiz RS0034870).
3.1. Soweit die Revision einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot geltend macht, ist die Revision schon deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil der Revisionswerber nicht anführt, inwieweit er durch die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht überrascht worden ist und welche rechtlichen Aspekte unerörtert geblieben sein sollen. Damit vermag die Revision aber keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darzutun.
3.2. Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Fall von der Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen hat, so ist darin auch unter dem Aspekt des fairen Verfahrens kein grober, vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmender Ermessensfehler zu erblicken (RIS‑Justiz RS0126298 [T2]), zumal das Berufungsgericht die Stichhaltigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichts lediglich anhand der Begründung des Erstgerichts überprüfte.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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