OGH 8ObA19/13x

OGH8ObA19/13x29.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** D*****, vertreten durch Mag. Monika Keki‑Angermann, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2013, GZ 9 Ra 103/12a‑31, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Hat der Dienstgeber ihm zur Kenntnis gelangte konkrete Vorfälle bloß zum Anlass für eine Ermahnung genommen, so kann eine derartige Erklärung nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung nur dahin verstanden werden, dass der Dienstgeber auf das Recht, den Dienstnehmer wegen dieses Verhaltens zu entlassen, verzichtet hat (RIS‑Justiz RS0029023). In einem solchen Fall kann nur ein danach erfolgtes oder dem Dienstgeber zur Kenntnis gelangtes Verhalten die Entlassung rechtfertigen. Die Unbegründetheit einer im Anschluss an die Ermahnung doch noch ausgesprochenen Entlassung resultiert daraus, dass die Ermahnung wegen eines konkreten Anlassfalls als (schlüssiger) Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts wegen dieses Anlassfalls zu werten ist (8 ObA 53/08i).

Aus der vom Kläger zitierten Entscheidung 8 ObA 64/12p ergibt sich nichts anderes. In diesem Fall waren die konkreten Fälle verspäteten Erscheinens eines Lehrlings zum Unterricht nur Anlass für die Erteilung einer förmlichen Verwarnung. Mit dieser Sanktion brachte der Dienstgeber schlüssig den Verzicht auf sein Entlassungsrecht wegen dieser konkreten Fälle zum Ausdruck. Diese alten Vorfälle konnten daher später nicht neuerlich als Entlassungsgrund herangezogen werden. Selbst solche alten Fälle, aus denen der Arbeitnehmer bereits verwarnt wurde, können bei späterer Wiederholung dieses Verhaltens aber im Rahmen einer Würdigung des Gesamtverhaltens auch noch nachträglich Berücksichtigung finden (RIS‑Justiz RS0110657).

2. Die immer wieder auftretenden, im Detail aber nicht feststellbaren Alkoholprobleme des Klägers stellten jeweils einzelne konkrete Anlassfälle dar. Für den vom Kläger argumentierten gänzlichen Verzicht der Beklagten auf ihr Entlassungsrecht wegen Alkoholisierung im Dienst fehlen jegliche Anhaltspunkte. Von einer jahrelangen generellen Duldung des Alkoholkonsums im Betrieb bzw davon, dass die Beklagte dem Kläger im Betrieb stets angeboten habe, Alkohol zu trinken, kann keine Rede sein. Grundsätzlich herrschte ein striktes Alkoholverbot und wurde nur das Trinken eines Bieres zum Mittagessen toleriert. Speziell dem Kläger gegenüber wurde konkret dargelegt, dass Alkoholisierung im Dienst nicht toleriert wird.

Aufgrund der mehrfachen Verwarnungen des Klägers konnte er gerade nicht darauf vertrauen, dass bei künftigem Fehlverhalten keine Entlassung ausgesprochen werde. Vielmehr wurden die Verwarnungen mit einer Entlassungsandrohung verknüpft, wodurch dem Kläger die Möglichkeit der sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses konkret vor Augen geführt wurde. Im von den Vorinstanzen herangezogenen Entlassungsgrund der Trunksucht nach § 82 lit c GewO 1859 werden wiederholte fruchtlose Verwarnungen ja sogar genannt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch von einer mangelnden Ernsthaftigkeit der Ermahnungen nicht ausgegangen werden kann. Die Beklagte war für den Kläger deutlich erkennbar ständig bemüht, ihm die Chance zur Besserung zu geben, was auch zu einem Entzug geführt hat.

3. Der Kläger vermag sich auch nicht auf die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung aufgrund des Vorfalls, der letztlich zur Entlassung geführt hat, zu berufen. Aufgrund der Gefahrengeneigtheit der zu verrichtenden Tätigkeit musste er zufolge erheblicher Alkoholisierung nach Hause geschickt werden.

Der Hinweis auf eine angebliche Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots ist ausgehend von den Feststellungen ebenfalls nicht haltbar.

4. Insgesamt kann die Auslegung eines konkreten Erklärungsverhaltens ebenso wie die Frage, ob ein bestimmtes Fehlverhalten die Schwelle zur berechtigten Entlassung überschreitet, nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0042555; RS0106298). Die Vorinstanzen sind von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ihre darauf basierende Beurteilung, dass die Entlassung des Klägers berechtigt gewesen und wirksam erfolgt sei, erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Stichworte