OGH 7Ob28/13p

OGH7Ob28/13p17.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Christian Kieberger, Rechtsanwälte in Perg, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. R***** O*****, 2. J***** E*****, und 3. F***** E*****, alle vertreten durch Dr. Julius Bitter, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, und die Nebenintervenientin H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Huber, Rechtsanwalt in Linz, wegen 15.076 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2012, GZ 6 R 150/12i‑43, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 31. Juli 2012, GZ 2 Cg 127/11m‑38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00028.13P.0417.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagten verkauften dem Kläger nach einem Probeflug mit Kaufvertrag vom 2. 7. 2010 ein Flugzeug, das eine Gesamtflugzeit von 697 Stunden aufwies, zu einem Kaufpreis von 48.400 EUR. In dem vom Kläger bereitgestellten Kaufvertragsformular findet sich die vorgedruckte Klausel: „Das Flugzeug wurde verkauft wie besichtigt und zur Probe geflogen, jegliche Gewährleistung wird ausgeschlossen“. Über den Umfang des Gewährleistungsausschlusses sprachen die Parteien nicht. Der Kläger ging davon aus, dass er nur im Fall kleinerer Mängel keine Ansprüche stellen könne, die Beklagten glaubten, damit seien sämtliche Ansprüche des Klägers ausgeschlossen.

Die Beklagten priesen dem Kläger das Flugzug als überdurchschnittlich gepflegt und ‑ auch angesichts einer von den Mitarbeitern der Nebenintervenientin im September 2008 durchgeführten Motorreparatur nach 508,31 Betriebsstunden, bei der die Gehäusehälften samt Lagerhalbschalen erneuert wurden ‑ als de facto neuwertig an. Sie bezeichneten die Maschine ausdrücklich als „einwandfrei zum Fluggebrauch“.

Am 6. 3. 2011 entwickelte sich nach weiteren 29,05 Betriebsstunden nach Übergabe während des Flugs im Cockpit Rauch, sodass der Kläger eine Sicherheitslandung durchführte. Ein Fachunternehmer teilte dem Kläger mit, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliege. Der Kläger ließ einen Ersatzmotor einbauen, was Kosten in der Höhe von brutto 13.426 EUR verursachte. Für die Besichtigung des defekten Motors, dessen Ausbau und Transport sowie für den Transport und den Einbau des neuen Motors wandte der Kläger brutto 1.450 EUR auf.

„Zum Zeitpunkt der Übergabe war das Flugzeug noch funktionsfähig und man durfte mit dem Motor auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen noch fliegen. Allerdings war das Flugzeug im Übergabszeitpunkt nicht mehr lufttüchtig, sodass das Flugzeug aus Sicherheitsgründen mit dem darin verbaut gewesenen Motor nicht mehr betrieben werden hätte sollen, da es bei längerem Betrieb beziehungsweise einem Weiterbetrieb dieses Motors eventuell zu einem Motorschaden kommen hätte können. Nicht feststeht hingegen, dass es infolge der Nichtreparatur des Motors tatsächlich zu einer Verklemmung und zum Ausfall gekommen wäre oder ob sich ein Schaden in irgendeiner anderen Weise entwickelt hätte. Grund für die fehlende Lufttüchtigkeit war, dass beim Tausch der Gehäusehälften im September 2008 die Gehäuseschrauben an der Lagerstelle H2 nicht ordnungsgemäß, sondern zu wenig fest angezogen wurden, sodass es beim Betrieb des Motors im Bereich der Lagerstelle H2 zu Relativbewegungen in der Trennfläche gekommen ist. Durch diese Relativbewegungen, die mit zunehmender Zeitdauer immer größer wurden, wurde das Flächendichtmittel abgetragen und mit Öl ausgewaschen, wobei mit zunehmendem Fortschritt dieses Zustands schließlich die Dichtwirkung an den dortigen Schraubenbohrungen verloren ging und über diese Bohrungen und über den Sitz des Schraubenkopfes Motoröl nach außen drang“ (Zitat aus dem Ersturteil).

Zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger war der Mangel nicht erkennbar, weil noch keine Ölleckage nach außen drang.

Vor Übergabe des Flugzeugs kontrollierte die Herstellerfirma das Flugzeug. Die mangelhaft angezogenen Schrauben fielen nicht auf.

„Zur Behebung dieses Schadens wäre ‑ wie bei der Reparatur im September 2008 ‑ der Austausch des Kurbelgehäuses sowie der Lagerschalen notwendig gewesen, was inklusive Ein‑ und Ausbau Kosten in der Höhe von etwa 9.500 EUR, inklusive USt verursacht hätte“ (Zitat aus dem Ersturteil, bekämpfte Feststellung).

Der Kläger begehrt die Kosten für den Ausbau, den Transport und den Austausch des Motors sowie Spesen in der Höhe des Klagsbetrags. Die Parteien hätten die Flugsicherheit des Flugzeugs vereinbart, sei doch beim Verkauf zugesichert worden, dass es „neuwertig“ sei.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Das Flugzeug habe im Zeitpunkt der Übergabe keine Mängel aufgewiesen. Im Kaufvertrag sei jegliche Gewährleistung ausgeschlossen worden.

Die Nebenintervenientin schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an und ergänzt, dass ein Gewährleistungsverzicht auch geheime Mängel umfasse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im Kaufvertrag sei jegliche Gewährleistung schlechthin ausgeschlossen worden. Dies beziehe sich auch auf versteckte Mängel, nicht jedoch auf dem Käufer zugesagte Eigenschaften. Auf Grund der Zusagen der Beklagten habe der Kläger zwar davon ausgehen können, dass das Flugzeug funktionsfähig sei, nicht aber, dass es auch keine solchen Mängel aufweise, die beim Weiterbetrieb lediglich eine allenfalls eintretende Gefahr für den Motor darstellen könnten. Es stehe nicht fest, dass die zu locker angezogenen Schrauben tatsächlich zu einem Motorschaden oder einem sonstigen Schaden geführt hätten, sodass die Beklagten für den Mangel nicht einzustehen hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Da die Verkäufer ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hätten, sei nach Art 4 Abs 1 lit a der VO (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und Rates vom 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) auf den Kaufvertrag österreichisches Recht anzuwenden. Im Übrigen schloss sich das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Das Kaufvertragsformular sei vom Kläger beigestellt worden. Auch wenn das Flugzeug als überdurchschnittlich gepflegt angepriesen worden sei, könne dennoch nicht von einer konkludent zugestandenen Flugtüchigkeit durch die Beklagten ausgegangen werden. Es erfordere daher keine weitere Stellungnahme, ob sich der Anspruch aus Gewährleistungsrecht ergeben könnte und wie hoch der dadurch entstandene Schaden sei. Insbesondere werde die vom Kläger bekämpfte Feststellung nicht geprüft, weil das Klagebegehren schon dem Grund nach nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht änderte über Antrag des Klägers seinen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe zu 9 Ob 3/09w die ordentliche Revision für einen ähnlichen Fall für zulässig angesehen. Es bestehe ein Sachverhaltsunterschied darin, dass die Käuferin dort ausdrücklich auf Gewährleistung bestanden habe und erst dann von dieser Forderung abgerückt sei, nachdem einvernehmlich eine § 57a KFG‑Überprüfung vorgenommen worden sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten und die Nebenintervenientin beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Die Vorinstanzen haben die anzuwendenden Rechtsgrundsätze zutreffend dargestellt, sie jedoch in einer Weise auf den vorliegenden Rechtsfall angewandt, dass dies im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifen ist.

Ein vertraglicher Verzicht auf Gewährleistungsansprüche ist auch wegen verborgener Mängel zulässig (RIS‑Justiz RS0018564). Verzichtserklärungen sind aber im Zweifel restriktiv auszulegen (RIS‑Justiz RS0018561). Sie erstrecken sich nicht auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften (RIS‑Justiz RS0018561 [T2, T3, T5], RS0018564 [T7, T11, T12]). Bei Zusage bestimmter Eigenschaften der Sache, auf die sich der Käufer verlassen darf, haftet der Verkäufer auch im Fall eines vereinbarten Ausschlusses der Gewährleistung (RIS‑Justiz RS0018523).

Auch wenn die Frage der Vertragsauslegung grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls ist (RIS‑Justiz RS0044358), so ist es für den vorliegenden Einzelfall unvertretbar davon auszugehen, die Parteien hätten nicht die Flugtüchtigkeit des Kaufobjekts vereinbart. Nach den Feststellungen priesen die Kläger das Flugzeug als de facto neuwertig und einwandfrei zum Fluggebrauch an. Damit haben sie eindeutig die Lufttüchtigkeit zugesagt. Diese besteht bei neuen (neuwertigen) Flugzeugen genauso wie bei solchen, die „zum Flugverkehr einwandfrei geeignet“ sind. Daran ändert sich auch nichts, wenn keiner der Vertragspartner Unternehmer im Sinn des KSchG ist. Auf die Frage, ob es bei einem längeren (unveränderten) Betrieb zu einem Motorschaden gekommen wäre oder nicht, was nicht feststeht (non liquet), kommt es hier nicht an.

Nach den Feststellungen wurde der Kläger auf den Zustand des Flugzeugs dadurch aufmerksam, dass sich während des Flugs im Cockpit Rauch entwickelte, wodurch er sich zu einer Notlandung veranlasst sah. Dies ist kein Zustand, der bei einem ordentlichen Flugbetrieb üblicherweise auftritt und der bei einem „de facto neuwertigen“ Flugzeug üblich, zu erwarten oder hinzunehmen ist. Auch wenn nach den Feststellungen nicht ganz klar ist, ob die Rauchentwicklung auf den Zustand der Schrauben und daraus folgend des Motors zurückzuführen war, steht doch fest, dass das Flugzeug jedenfalls nicht „lufttüchtig“ war und aus Sicherheitsgründen mit dem eingebauten Motor „nicht mehr betrieben hätte werden sollen“. Das entspricht nicht der zugesagten Eigenschaft „neuwertig und einwandfrei zum Fluggebrauch geeignet“.

Dass Schrauben beim Tausch der Gehäusehälften im September 2008 mangelhaft angezogen waren und es dadurch zu schädigenden Relativbewegungen in der Trennfläche kam, war nicht bekannt. Der Mangel war verborgen. Es waren bei der Übergabe aber nicht nur die Schrauben mangelhaft angezogen (also ein Mangel bereits latent [= seiner Anlage nach] vorhanden, für den ebenfalls zu haften ist [vgl 9 Ob 3/09w mwN]), sondern der Motor war dadurch bereits insoweit beschädigt als Öl austrat, sodass er nach den Feststellungen zwar noch „funktionsfähig“, aber nicht mehr „lufttüchtig“ war. Da eine ausdrücklich zugesicherte Eigenschaft des Flugzeugs nicht vorliegt, haben die Verkäufer, auch wenn sie von dem Mangel nicht in Kenntnis waren, grundsätzlich Gewähr zu leisten.

Auf Grund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat es das Berufungsgericht bisher unterlassen, sich mit der Prüfung des geltend gemachten Gewährleistungsanspruchs (insbesondere mit der Beweisrüge und den weiteren Einwendungen der Beklagten gegen den Gewährleistungsanspruch) auseinandersetzen. Dies ist nachzuholen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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