OGH 14Os38/13i

OGH14Os38/13i9.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Philipp B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 16. Jänner 2013, GZ 27 Hv 112/12s-26, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Philipp B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 31. Oktober 2012 in Linz der Apothekenangestellten Mag. Elisabeth F***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich „sämtliche verfügbaren Packungen“ verschiedener Medikamente, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz unter Verwendung einer Waffe abzunötigen versucht, indem er der Genannten einen Zettel mit einer entsprechenden Herausgabeforderung und der Ankündigung, sie und ihre Kolleginnen im Falle deren Nichterfüllung oder der Verständigung der Polizei zu töten, vorlegte und dabei - deutlich sichtbar - einen Baseballschläger aus dem Jackenärmel ragen ließ.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) und Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) reklamierenden Mängelrüge ist vorweg zu erwidern, dass bei Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 prinzipiell die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504) und dass formelle Begründungsmängel hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend zu machen sind. Von Letzteren ist die Rede, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Entscheidungsgründen die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder - im Fall gerichtlicher Strafbarkeit - darüber beeinflusst, welche strafbare(n) Handlung(en) begründet werde(n) (RIS-Justiz RS0117264). Davon zu unterscheiden sind erhebliche Tatsachen, also solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung, also erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) sind. Allerdings können einzelne dieser erheblichen Umstände, die in ihrer Zusammenschau die Grundlage für die bekämpfte Feststellung bilden, isoliert unter dem Aspekt der Z 5 nicht bekämpft werden, außer die Tatrichter hatten darin erkennbar eine notwendige Bedingung für Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickt (RIS-Justiz RS0116737).

Mit dem Vorwurf undeutlicher Begründung der Konstatierung, wonach der Angeklagte zumindest mehrere Minuten auf die Erfüllung seiner Forderung durch die Bedrohte wartete, bevor er die Apotheke unverrichteter Dinge verließ, weil er (auch) aufgrund der langen Wartezeit vom Scheitern seines Vorhabens ausging (US 5), rekurriert die Beschwerde bloß auf einzelne - im Übrigen auch isoliert betrachtet unmissverständliche - Passagen der ausführlichen entsprechenden Beweiswürdigung (in Betreff des für die Bedienung mehrerer Kunden erforderlichen Zeitaufwands). Indem sie dabei die weiteren diesbezüglichen Erwägungen der Tatrichter ignoriert, die die (alleine) kritisierte Annahme längerer Wartezeit auf eine Vielzahl von Verfahrensergebnissen (wonach etwa die - erst nach Präsentation der schriftlichen Drohung verständigte - Polizei bereits am Tatort eingetroffen war, als der Angeklagte zu flüchten versuchte; US 6 f) stützte, verfehlt sie den dargestellten gesetzlichen Bezugspunkt.

Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 zweiter Fall aufgrund unterlassener Erörterung der von der Rüge hervorgehobenen Passage aus dem polizeiamtsärztlichen Gutachten, wonach Zunge und Lippen des Beschwerdeführers eine Stunde nach Tatbegehung „blau vom Somnubene“ waren (ON 2 S 51), liegt nicht vor.

Die damit in Frage gestellte Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt bejahte das Erstgericht auf Basis des Ergebnisses der angesprochenen polizeiamtsärztlichen Untersuchung (ON 2 S 51). Wiewohl sich die Tatrichter nicht in der Lage sahen festzustellen, dass der Angeklagte am Tattag Somnubene Tabletten (oder sonstige Suchtmittel) konsumiert hatte (US 3), schlossen sie dabei die Einnahme geringer Mengen dieses Medikaments nicht aus. Vielmehr erachteten sie bloß die - in der Hauptverhandlung erstmals aufgestellte - Behauptung des Beschwerdeführers, er habe am Morgen des Tattags zehn derartige Tabletten konsumiert, mit ausführlicher Begründung als unglaubwürdig, wobei sie „im Übrigen“ auch das Fehlen von Anhaltspunkten für eine - gerichtsnotorisch mit der Einnahme von Somnubene verbundene - Blaufärbung des Mundraums und der Lippen erwähnten, darin aber keineswegs eine notwendige Bedingung für die Annahme gegebener Diskretions- und Dispositionsfähigkeit sahen (US 8).

Die nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) erhobene Kritik an unterlassener amtswegiger Wahrheitserforschung scheitert schon an der fehlenden Behauptung, der Beschwerdeführer sei an darauf abzielender entsprechender sachgerechter Frage- oder Antragstellung (hier: der ergänzenden Befragung der Zeuginnen Eva Maria M***** und Ilse L***** zu dem für die Bedienung von Kunden während des Raubgeschehens konkret erforderlichen Zeitaufwand) gehindert gewesen (RIS-Justiz RS0115823).

Mit dem Hinweis auf eine einzelne Passage aus der Aussage der Zeugin Mag. Elisabeth F***** vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Im Übrigen ergibt sich sowohl aus deren Depositionen als auch aus jenen der Zeugin Mag. Magdalena S*****, dass Letztere die Polizei erst verständigte, nachdem der Angeklagte den Zettel mit der Drohung vorgelegt hatte (ON 25 S 7, 9).

Der Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit b) orientiert sich nicht an den Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer davon überzeugt war, dass seine (beendeten) Ausführungshandlungen nicht mehr zum Erfolg führen würden, der Versuch also nach seiner subjektiven Ansicht fehlgeschlagen war (US 5 f), und leitet nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl zum entsprechenden Erfordernis: RIS-Justiz RS0116569), inwiefern er davon ausgehend dennoch strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten sein soll (vgl dazu RIS-Justiz RS0090331, RS0089866, RS0090012; Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 157 ff).

Soweit sie unter Hinweis auf eine isoliert hervorgehobene Passage seiner Angaben, wonach ihm vor Verlassen der Apotheke „nichts verdächtig vorgekommen“ sei, die zu den eben zitierten Urteilsannahmen konträre Konstatierung reklamiert, er sei subjektiv weder von der Aussichtslosigkeit der Tatvollendung noch vom Hinzutreten dieser entgegenstehender äußerer Umstände ausgegangen, macht sie einen Feststellungsmangel nicht geltend. Unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall ist das Vorbringen ebenfalls nicht berechtigt, weil die Tatrichter die Verantwortung des Angeklagten, die Apotheke freiwillig verlassen zu haben, „weil ihm plötzlich eingefallen sei, dass das falsch ist“, insgesamt als unglaubwürdig verworfen haben (US 6 f) und - dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten waren, sich mit sämtlichen Details dieser Aussage auseinanderzusetzen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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