OGH 11Os27/13z

OGH11Os27/13z19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pausa als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jeton S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB, AZ 37 Hv 74/06v des Landesgerichts Salzburg, sowie wegen Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz und anderer strafbarer Handlungen, AZ 29 Hv 93/11m des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 9. Mai 2012, GZ 29 Hv 93/11m-154, und gegen einen Vorgang desselben Gerichts im Verfahren AZ 37 Hv 74/06v erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, sowie der Verteidigerin Mag. Schemel-Ruhland zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1./ der Vorgang, dass im Verfahren des Landesgerichts Salzburg AZ 37 Hv 74/06v nicht ungesäumt die Vorführung des Verurteilten zum Strafantritt angeordnet wurde, nachdem dieser der Aufforderung zum Strafantritt nicht nachgekommen war, in § 3 Abs 2 StVG iVm § 397 StPO;

2./ der Beschluss vom 9. Mai 2012, GZ 29 Hv 93/11m-154, soweit damit die im Verfahren AZ 46 BE 58/11k bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, in § 53 Abs 1 und Abs 3 StGB.

Der Beschluss wird in diesem Umfang ersatzlos aufgehoben und der diesbezügliche Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Entlassung abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit - seit 6. März 2008 rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 6. November 2006, GZ 37 Hv 74/06v-234, wurde Jeton S***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das zu AZ 35 Hv 86/04s des Landesgerichts Salzburg ergangene Vorurteil vom 15. Juni 2005 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil im Ausmaß von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Am 3. April 2008 ordnete der Vorsitzende den Vollzug des unbedingten Strafteils an und forderte den Verurteilten zum Strafantritt auf (Endverfügung ON 280 S 2). Nach mehreren Zustellversuchen wurde die Sendung schließlich am 9. Mai 2008 als nicht behoben an das Landesgericht Salzburg retourniert (vgl ON 283, 285 und RSa bei ON 291).

Bis zur Inhaftierung in einem anderem Strafverfahren wurden weder die Vorführung des Verurteilten zur Strafvollstreckung noch andere Maßnahmen angeordnet. Erst am 7. April 2011 wurde der unbedingte Strafteil vom Vorsitzenden letztlich tatsächlich in Vollzug gesetzt (vgl ON 312 bis 340 sowie den Strafvollzugsbericht ON 315).

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Vollzugsgericht vom 13. Mai 2011, GZ 46 BE 58/11k-6, sohin nach Ablauf der zu AZ 37 Hv 74/06v bestimmten Probezeit wurde Jeton S***** unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. Mai 2012, GZ 29 Hv 93/11m-154, wurde Jeton S***** wegen im Zeitraum Sommer 2009 bis 24. März 2011 begangener Verbrechen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Unter einem fasste das Gericht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluss, vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. November 2006, GZ 37 Hv 74/06v-234, gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe sowie der zu AZ 46 BE 58/11k gewährten bedingten Entlassung abzusehen, jedoch zu letztgenanntem Verfahren die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (US 2).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, hat das Landesgericht Salzburg das Gesetz in zwei Fällen verletzt.

1./ Gemäß § 397 erster Satz StPO ist jedes Strafurteil ungesäumt in Vollzug zu setzen, sobald feststeht, dass der Vollstreckung kein gesetzliches Hindernis, im Besonderen kein rechtzeitig von Berechtigten ergriffenes Rechtsmittel entgegensteht, dem aufschiebende Wirkung zukommt. Ein Verurteilter, der sich auf freiem Fuß befindet, ist vom Vorsitzenden schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen einem Monat nach der Zustellung anzutreten; kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so ist gemäß § 3 Abs 2 dritter Satz StVG seine Vorführung zum Strafantritt anzuordnen.

Gegenständlich hat das Gericht eine derartige Verfügung beinahe drei Jahre lang unterlassen, wodurch es das Gesetz verletzte.

2./ Der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 9. Mai 2012, GZ 29 Hv 93/11m-154, womit die Probezeit im Verfahren AZ 46 BE 58/11k verlängert wurde, steht mit dem Gesetz gleichfalls nicht im Einklang. Gemäß § 53 Abs 1 erster Satz und Abs 3 StGB kommt ein auf neuerliche Delinquenz gegründeter Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung und auf Verlängerung der Probezeit nämlich nur im Fall der Verurteilung des Rechtsbrechers wegen einer während der Probezeit oder in den in § 53 Abs 1 letzter Satz StGB angeführten Zeiten begangenen strafbaren Handlung in Betracht (RIS-Justiz RS0092019). Die der angeführten Beschlussfassung zugrunde liegende Straftat wurde jedoch nicht in diesen Zeiträumen verübt.

Da sich die Gesetzesverletzung infolge Verlängerung der Probezeit zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und den Beschluss in diesem Umfang aufzuheben.

Der Vollständigkeit halber sei zur Klarstellung angemerkt, dass die Generalprokuratur auch zutreffend darauf verweist, dass bei bereits abgelaufener Probezeit für den bedingt nachgesehenen Strafteil § 49 letzter Satz StGB (arg. „vor Ablauf“) nicht zur Anwendung gelangt. Die vom Vollzugsgericht gemäß § 48 Abs 1 StGB bei bedingter Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil der Freiheitsstrafe (§ 46 StGB) zwingend anzuordnende Probezeit lässt daher die (bereits abgelaufene) Probezeit des bedingt nachgesehenen Strafteils unberührt.

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