OGH 11Os16/13g

OGH11Os16/13g19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pausa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas U***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB, AZ 14 Hv 23/12d des Landesgerichts Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 15. März 2012, GZ 14 Hv 23/12d-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Mag. Mugler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. März 2012, GZ 14 Hv 23/12d-11, verletzt

1./ im Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. Juli 2008, AZ 55 BE 49/08v, gewährten bedingten Entlassung § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB,

2./ durch Verlängerung der im Verfahren zum AZ 38 Hv 26/08s des Landesgerichts Klagenfurt gewährten Probezeit, das Gesetz in dem im 16. Hauptstück der Strafprozessordnung verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.

Der genannte Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang aufgehoben und gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der dem Verurteilten Andreas U***** mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. Juli 2008, AZ 55 BE 59/08v, gewährten bedingten Entlassung abgesehen.

Text

Gründe:

Andreas U***** wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 9. Juni 2008, GZ 38 Hv 26/08s-19, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. April 2008, AZ 16 Hv 46/08w, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht vom 3. Juli 2008, GZ 55 BE 49/08v-5, wurde Andreas U***** aus dem unbedingten Teil der verhängten Freiheitsstrafe bedingt entlassen.

Die zunächst mit drei Jahren bestimmte Probezeit verlängerte das Landesgericht Klagenfurt - aus Anlass neuerlicher Verurteilung - mit Beschluss vom 21. August 2009, AZ 16 Hv 166/08t, auf fünf Jahre (ON 29 S 23 f in AZ 38 Hv 26/08s des Landesgerichts Klagenfurt). Unter einem wurde auch vom Widerruf der im Verfahren AZ 38 Hv 26/08s des Landesgerichts Klagenfurt gewährten bedingten Strafnachsicht unter gleichzeitiger Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abgesehen, wobei dem Gericht im Rahmen der gekürzten Urteilsausfertigung ein offensichtlicher Schreibfehler unterlaufen ist (AZ 38 Hv 86/08s statt richtig: AZ 38 Hv 26/08s), weshalb die Benachrichtigung des Strafregisteramts ins Leere ging. Eine Verständigung des Landesgerichts Klagenfurt zur korrekten Aktenzahl ist erfolgt (vgl ON 29 in AZ 38 Hv 26/08s des Landesgerichts Klagenfurt).

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. März 2012, GZ 14 Hv 23/12d-11, wurde Andreas U***** wegen des (während der zuvor genannten Probezeit begangenen) Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Zugleich fasste der Einzelrichter den Beschluss vom Widerruf der vom Landesgericht Klagenfurt mit Urteil vom 9. Juni 2008, GZ 38 Hv 26/08s-19, gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die dort bestimmte Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern. Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO widerrief er hingegen die Andreas U***** mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht zu AZ 55 BE 49/08v und AZ 37 BE 318/08x jeweils gewährten bedingten Entlassungen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. März 2012, AZ 14 Hv 23/12d steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz mehrfach nicht im Einklang.

Gemäß § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden (RIS-Justiz RS0125448).

Der mit obgenanntem Beschluss erfolgte Widerruf der vom Landesgericht Klagenfurt als Vollzugsgericht zum AZ 55 BE 49/08v gewährten bedingten Entlassung aus dem unbedingten Teil der mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt von 9. Juni 2008, GZ 38 Hv 26/08s-19, verhängten Freiheitsstrafe unter gleichzeitigem Absehen vom Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils dieser Freiheitsstrafe (unter Verlängerung der Probezeit) verletzt daher § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Obwohl gegenständlich die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre bereits im Verfahren AZ 16 Hv 166/08t des Landesgerichts Klagenfurt erfolgt war und somit über diesen Entscheidungsgegenstand bei aufrechtem Bestand dieses Beschlusses nicht neuerlich abgesprochen werden durfte (vgl RIS-Justiz RS0101911), verlängerte das Landesgericht Klagenfurt unter Verletzung des im 16. Hauptstück der Strafprozessordnung verankerten Grundsatzes der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidung die im Verfahren AZ 38 Hv 26/08s festgesetzte Probezeit (neuerlich) auf fünf Jahre.

Der Oberste Gerichtshof sah sich im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit veranlasst, diesen Beschluss, soweit er die Probezeitverlängerung betrifft, zu beseitigen (RIS-Justiz RS0100454).

Da sich die Gesetzesverletzung in Bezug auf die Bestimmung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof auch veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO), deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte