OGH 11Os26/13b

OGH11Os26/13b19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pausa als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Michael Di B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 28. November 2012, GZ 20 Hv 24/12y-136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Anordnung der Maßnahme) werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Michael Di B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat er in Linz unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Psychose auf Basis einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, Martina J*****

1./ am 25. Februar 2011 über einen Zeitraum von ca acht Stunden am Verlassen der Wohnung gehindert, sohin die persönliche Freiheit entzogen, indem er sie auf das Bett drückte, an den Oberarmen festhielt, ihr den Weg aus der Wohnung versperrte und einen Schlag gegen den Kopf versetzte;

2./ am 15. März 2011 vorsätzlich am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt, indem er sie wiederholt „schubste“, wodurch sie mehrfach zu Boden stürzte, sie mit seinen Händen von hinten am Hals packte und zu Boden riss, wodurch sie eine Prellung der linken Halsregion, des rechten Unterarms sowie eine knöcherne Absplitterung an der Basis des linken Mittelfingerendglieds erlitt, wobei die Verletzung eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;

3./ am 31. Oktober 2011 gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er über die Gegensprechanlage ihrer Wohnung sagte, er bringe sie um,

und dadurch die Vergehen der Freiheitsentziehung gemäß § 99 Abs 1 StGB (1./), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB (2./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (3./) begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die ausschließlich gegen die Begehung der Anlasstaten gerichtete und aus Z 5 und Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen geht fehl.

Vorweg sei festgehalten, dass die Rechtsmittelerklärung des Michael Di B*****, „volle Berufung“ zu erheben (ON 135 S 7), auch die Anmeldung einer Berufung wegen Nichtigkeit inkludiert, womit unter dem Aspekt rechtzeitiger Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde eine unbeachtliche Fehlbezeichnung vorliegt (RIS-Justiz RS0101785).

Aktenwidrigkeit begründet nur die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, deren Wertung erfolgt im Rahmen des § 258 Abs 2 StPO (RIS-Justiz RS0099431).

Demzufolge geht die ausschließlich auf diesen Aspekt gegründete Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) bereits im Ansatz fehl.

Dem Einwand gegen die Annahme einer Tatfolge iSd § 84 Abs 1 StGB steht bereits entgegen, dass die zur Anlasstat 2./ getroffene Feststellung das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H***** nicht referiert.

Im Übrigen trifft die Kritik auch nicht zu (vgl ON 110a S 33). Die Ausführungen des Experten zu einer theoretisch möglichen früheren Abheilungsdauer bei sachgemäßer ärztlicher Behandlung waren mangels Entscheidungswesentlichkeit nicht erörterungsbedürftig (vgl zum gegenständlichen Fall eines in die Risikosphäre des Erstverursachers fallenden ärztlichen Behandlungsfehlers RIS-Justiz RS0089206).

Der den Verfahrensergebnissen vom Schöffengericht jeweils zuerkannte Beweiswert, mithin auch die einer Zeugin, hier der Martina J***** - trotz psychischer Erkrankung (US 9) - zugebilligte Glaubwürdigkeit und die gleichzeitige Einstufung der Angaben des die Vorwürfe in Abrede stellenden Betroffenen als unglaubwürdig, ist einer Anfechtung unter dem Gesichtspunkt der Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0106588 [T3]).

Das von den Tatrichtern in der Hauptverhandlung und auch gegenüber Martina J***** als aggressiv eingeschätzte Verhalten des Michael Di B***** kann nicht als „aktenwidrig“ bekämpft werden.

Damit zeigt die Beschwerde auch keine „Feststellungsmängel“ auf, sondern sie argumentiert im Sinne einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Soweit sich die Rüge nominell auch auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stützt, verkennt sie, dass die Begehung der Anlasstat gar kein Gegenstand der Sanktionsrüge ist (vgl Ratz in WK² Vor §§ 21-25 Rz 8 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die angemeldete, im kollegialgerichtlichen Verfahren aber nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung (§ 285i StPO).

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