OGH 1Ob1/13y

OGH1Ob1/13y7.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 5. März 2012 verstorbenen H***** jun, über den Revisionsrekurs der Erben M***** O***** und H***** sen, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Skoda, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 16. November 2012, GZ 1 R 296/12t‑24, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 29. August 2012, GZ 3 A 108/12d‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00001.13Y.0307.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag der Verlassenschaftsgläubiger A***** L*****, K***** L***** und I***** L***** auf Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen der Erben gemäß § 812 ABGB abgewiesen wird.

Begründung

Gegen den Erblasser war ein Strafverfahren wegen des Mordes an T***** L***** anhängig, in dem er sich geständig zeigte. Der Vater des Opfers schloss sich im Strafverfahren als Privatbeteiligter an. Er meldete gemeinsam mit der Schwester und der „Ziehmutter“ des Opfers im Verlassenschaftsverfahren Schadenersatzansprüche von insgesamt rund 67.000 EUR an. Die Eltern des Erblassers erklärten bei der Todesfallaufnahme am 13. 3. 2012 ‑ 8 Tage nach dem Tod ihres Sohnes (Selbstmord) ‑, sie wollen „heute“ keine Angaben zu den Vermögens‑ und sonstigen Verhältnissen des Erblassers machen. Mit Eingabe vom 16. 5. 2012 erklärte der Rechtsvertreter der Eltern, in deren Namen jeweils zur Hälfte des Nachlasses aufgrund des Gesetzes bedingte Erbantrittserklärungen abzugeben. Weitere gesetzliche oder testamentarische Erben gibt es nicht. Nachdem der Rechtsvertreter der Gläubiger Schadenersatzansprüche gegenüber der Verlassenschaft geltend gemacht hatte, erklärte ein Rechtsanwalt, er habe die rechtsfreundliche Vertretung der Verlassenschaft übernommen, und bestritt die erhobenen Ansprüche der „Ziehmutter“ dem Grunde nach. Weiters regte er an, zur Anspruchshöhe einen medizinischen Sachverständigen beizuziehen, auch um abklären zu lassen, „wie weit nicht § 1310 ABGB“ zum Tragen komme. Ein weiteres Anspruchsschreiben des Rechtsvertreters der Gläubiger blieb unbeantwortet.

Diese begehrten nun am 15. 6. 2012 die Nachlassseparation und begründeten dies mit der Befürchtung eines Forderungsausfalls durch eine Zahlungsunfähigkeit der Erben. Es bestünde die Gefahr, dass ohne Nachlassseparation der Deckungsfonds für die nicht unbeträchtlichen Forderungen verloren gehe. Die Erben hätten anlässlich der Todesfallaufnahme das Vermögen des Erblassers verschwiegen, um das Liegenschaftsvermögen zunächst zu verschleiern. Der Hinweis ihres Rechtsvertreters auf § 1310 ABGB deute klar daraufhin, dass sich die Erben der gestellten Forderung entziehen wollten. Nur durch die Seperation sei sichergestellt, dass zur Befriedigung der Forderungen auch nach der Einantwortung auf die Liegenschaften zugegriffen werden könne.

Die Erben sprachen sich gegen die Bewilligung der beantragten Nachlassseparation aus. Von der Verschweigung von Nachlassvermögen könne keine Rede sein, zumal sämtliches nachlasszugehöriges Liegenschaftsvermögen aktenkundig sei. Eine Erschwerung der Einbringlichmachung von Forderungen nach der Einantwortung sei nicht zu befürchten, zumal sie über eigenes Vermögen verfügten. Aus dem Hinweis des Rechtsvertreters der Verlassenschaft auf § 1310 ABGB könne für eine Nachlassseperation nichts abgeleitet werden. Diese Bestimmung regle ja die Haftung eines an sich Deliktsunfähigen, wodurch Geschädigte nur begünstigt sein könnten.

Das Erstgericht bewilligte die Nachlassseparation und bestellte einen Notarsubstituten zum Separationskurator. Die Nachlassseparation nach § 812 ABGB setze die Behauptung konkreter Umstände voraus, die bei vernünftiger Überlegung die subjektive Besorgnis begründen können, die Forderung werde für den Gläubiger (sonst) nicht einbringlich sein, wobei dies nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen sei. Das Vorbringen der Antragsteller reiche gerade aus, die Besorgnis einer Gefährdung zu rechtfertigen. Die Erben hätten gegenüber dem Gerichtskommissär keinerlei Angaben zur Vermögenssituation des Erblassers gemacht. Auch wenn die Bestreitung einer Forderung allein nicht ausreiche, um die Besorgnis einer Gefährdung zu begründen, rechtfertigten doch die gesamten Umstände, insbesondere das Unterbleiben von Angaben zum Vermögen des Erblassers bei der Todesfallaufnahme und die Reaktion auf die Anspruchsschreiben der Antragsteller deren subjektive Besorgnis.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. § 812 ABGB wolle allen denkbaren Gefahren vorbeugen, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben. Die Nachlassseparation könne auch Liegenschaften umfassen, die dem Erben auf dem Todesfall geschenkt wurden, wenn sie sich zum Zeitpunkt des Todesfalls noch im Besitz des Erblassers befunden haben. Da für die subjektive Besorgnis im Sinne des § 812 ABGB bereits die abstrakte Möglichkeit einer Gefährdung genüge, versage die Argumentation der Rekurswerber, wonach aufgrund ihrer behaupteten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keine Gefahr bestehe, dass das Nachlassvermögen als Haftungsfonds für die Forderungen der Verlassenschaftsgläubiger ausscheidet. Eine Frage von der in § 62 Abs 1 AußStrG erwähnten Bedeutung sei nicht zu lösen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Erben ist zulässig und berechtigt. Über ihn ist ungeachtet der erklärten Rückziehung des Separationsantrags inhaltlich zu entscheiden, weil weder ein Anspruchsverzicht der Antragsteller noch eine Zustimmung der Antragsgegner (§ 11 Abs 1 Satz 3 AußStrG) vorliegen.

Auch wenn es zutrifft, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs an die von § 812 ABGB für die Nachlassseparation geforderte subjektive Besorgnis von Gläubigern des Erblassers, ihre Befriedigung könnte durch Maßnahmen der Erben geschmälert werden, kein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS‑Justiz RS0013070), wurde auch ausgesprochen, dass die abstrakte Möglichkeit von nachteiligen Verfügungen durch die Erben in jedem Fall gegeben ist und daher für sich allein noch nicht die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen der Erben rechtfertigen kann (RIS‑Justiz RS0013072); die früher teilweise vertretene gegenteilige Auffassung (RIS‑Justiz RS0013069), wurde in jüngerer Zeit nicht aufrechterhalten. Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, die Erben könnten etwa das Nachlassvermögen zur Tilgung eigener Schulden heranziehen (vgl etwa 7 Ob 164/01w), legen die antragstellenden Gläubiger nicht dar. Die kurze Zeit nach dem Tod ihres Sohnes gegenüber dem Gerichtskommissär abgegebenen Erklärungen, sie wollten „heute“ keine genaueren Angaben machen, sind ebensowenig ein Indiz für eine Beabsichtigung der Verringerung des Nachlassvermögens, wie das Bezweifeln der (Höhe der) angemeldeten Schadenersatzansprüche (vgl etwa 6 Ob 257/99h = RIS‑Justiz RS0013068 [T16]). Dass die Erben beabsichtigt hätten, Liegenschaftsvermögen des Erblassers zu verheimlichen, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil dem Gerichtskommissär die Möglichkeit offensteht, durch Einsichtnahme in das grundbücherliche Namensverzeichnis alle in Österreich gelegenen Liegenschaften des Erblassers zu ermitteln.

Da somit keine objektiv nachvollziehbaren Gründe für die behauptete Besorgnis der Antragsteller vorliegen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Seperationsantrags abzuändern. Im Falle geänderter Verhältnisse steht bis zur Einantwortung die Möglichkeit einer neuerlichen Antragstellung offen (vgl nur die Nachweise bei Sailer in KBB 3 § 812 ABGB Rz 5).

Stichworte