OGH 15Os13/13w

OGH15Os13/13w27.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Niegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Nemanja P***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 163 Hv 9/12g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des genannten Gerichts vom 29. Februar 2012, GZ 163 Hv 9/12g-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, und des Verteidigers Mag. Vural zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Februar 2012, GZ 163 Hv 9/12g-28, verletzt, soweit gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 21. April 2011, AZ 185 BE 50/11t, gewährten bedingten Entlassung ausgesprochen wurde, § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Der Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, wird im genannten Umfang aufgehoben und es wird der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der dem Angeklagten Nemanja P***** mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 21. April 2011, AZ 185 BE 50/11t, gewährten bedingten Entlassung abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit unmittelbar nach seiner Verkündung in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. März 2011, GZ 152 Hv 33/11d-20, wurde Nemanja P***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 4 StGB wurde der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 22 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Unter einem fasste das Gericht den Beschluss, vom Widerruf der zu AZ 141 Hv 78/08m des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 21. April 2011, GZ 185 BE 50/11t-8, wurde Nemanja P***** am 11. Juli 2011 nach Verbüßung von fünf Monaten und zehn Tagen aus dem unbedingten (achtmonatigen) Teil der zu AZ 152 Hv 33/11d des Landesgerichts für Strafsachen Wien verhängten Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Aufgrund neuer Delinquenz zwischen 15. Dezember 2011 und 3. Jänner 2012 wurde Nemanja P***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Februar 2012, GZ 163 Hv 9/12g-28, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (1./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (2./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Aus Anlass dieser Verurteilung fasste das erkennende Gericht den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die zu AZ 185 BE 50/11t des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht gewährte bedingte Entlassung (aus dem unbedingten Teil der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. März 2011, GZ 152 Hv 33/11d-20, verhängten Freiheitsstrafe) zu widerrufen. Vom Widerruf der mit letztgenanntem Urteil gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 22 Monaten sah das Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre ab. Darüber hinaus sah es auch vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Juli 2008, AZ 141 Hv 78/08m gewährten bedingten Strafnachsicht ab.

Das Urteil und die Beschlüsse vom 29. Februar 2012 erwuchsen unmittelbar nach deren Verkündung unangefochten in Rechtskraft (ON 28 S 5).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Februar 2012, GZ 163 Hv 9/12g-28, verletzt - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - das Gesetz, soweit damit der Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 21. April 2011, GZ 185 BE 50/11t-8, gewährten bedingten Entlassung ausgesprochen wurde.

Nach dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/109, in den Rechtsbestand eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem gemäß § 43a Abs 3 oder 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe ist daher unzulässig, wenn zugleich (wie hier) in Ansehung des bedingt nachgesehenen Teils dieser Strafe vom Widerruf abgesehen wird (RIS-Justiz RS0125448).

Diese Gesetzesverletzung hat sich zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt (§ 292 letzter Satz StPO), weshalb sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, den angefochtenen Beschluss im bezeichneten Umfang aufzuheben und den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Entlassung aus Anlass des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Februar 2012, GZ 163 Hv 9/12g-12, abzuweisen.

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