OGH 6Ob160/12s

OGH6Ob160/12s27.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** eingetragenen T***** GmbH in Liqu. mit dem Sitz in Mürzzuschlag, über den Revisionsrekurs des Liquidators E***** T*****, vertreten durch Mag. Erich Allinger und Dr. Lukas Ludwiger, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 27. Juni 2012, GZ 4 R 171/12t, 4 R 172/12i, 4 R 173/12m, 4 R 174/12h-9, womit die Beschlüsse des Landesgerichts Leoben vom 22. Mai 2012, GZ 24 Fr 13990/12y-4, 24 Fr 13991/12z-4, 24 Fr 13992/12a-4, 24 Fr 13993/12s-4, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im Firmenbuch ist zu FN ***** die T***** GmbH in Liqu. eingetragen. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 30. April. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 14. April 2009 wurde ein gegen die Gesellschaft gerichteter Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens (rechtskräftig) abgewiesen. Seit damals ist die Gesellschaft gemäß § 39 Abs 1 FBG aufgelöst. Davor war der nunmehrige Revisionsrekurswerber selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer, nun ist er selbständig vertretungsbefugter Liquidator der Gesellschaft.

Über den Liquidator wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 13. Juli 2009 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 20. Jänner 2011 nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans wieder aufgehoben. Nach dessen wesentlichem Inhalt hat der Schuldner eine Quote von 12,5 % in 14 gleichen halbjährlichen Raten zu je 0,8928 % am 10. Juni und 10. Dezember eines jeden Jahres, beginnend ab 10. Juni 2011, zu zahlen. Ende der Zahlungsfrist ist der 10. Dezember 2017.

Mit Zwangsstrafverfügungen vom 16. April 2012 verhängte das Erstgericht über die Gesellschaft und den Liquidator wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung gemäß §§ 277 ff UGB, die Jahresabschlüsse zum 30. April 2008, zum 30. April 2009 und zum 30. April 2010 jeweils bis zum 30. April 2011 (Stichtag der Zwangsstrafverfügungen) sowie zum 30. April 2011 bis zum 31. Jänner 2012 (Stichtag dieser Zwangsstrafverfügung) einzureichen, Zwangsstrafen von jeweils 700 EUR für jedes Geschäftsjahr.

Nachdem der Liquidator (nur im eigenen Namen) gegen diese Zwangsstrafverfügungen Einspruch erhoben hatte, verhängte das Erstgericht mit Beschlüssen vom 22. Mai 2012 über den Liquidator für jedes Geschäftsjahr (30. April 2008 bis 30. April 2011) Zwangsstrafen von jeweils 800 EUR.

Das Rekursgericht gab den Rekursen des Liquidators nicht Folge. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, die Verpflichtung zur Aufstellung und Vorlage eines Jahresabschlusses bestehe auch dann, wenn die Gesellschaft - wie der Liquidator behaupte - keine Tätigkeit mehr ausübe. Die Verpflichtung bestehe bis zur Löschung der Gesellschaft. Im Liquidationsverfahren treffe die Verpflichtung zur Aufstellung und Einreichung des Jahresabschlusses auch für fehlende Abschlüsse für vor der Auflösung abgelaufene Geschäftsjahre den Liquidator. Ein Liquidator könne sich auch nicht erfolgreich auf fehlende Mittel der Gesellschaft berufen, zumal die Bilanzerstellung gerade bei kleinen Gesellschaften keine nennenswerten Kosten verursache. Dies gelte umso mehr für Geschäftsjahre, in denen nach den Behauptungen des Liquidators keine Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt worden sei. Eine Unmöglichkeit der Aufstellung und Einreichung der Jahresabschlüsse 2008 bis 2011 liege nicht vor.

Im vorliegenden Fall sei der Liquidator allerdings nach Abschluss eines Schuldenregulierungsverfahrens mit rechtskräftig bestätigtem Zahlungsplan in der Phase dessen Erfüllung. Erwirke ein Gläubiger erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens einen Exekutionstitel, sei nach herrschender Ansicht die sich aus dem Zahlungsplan und § 197 Abs 2 IO ergebende gänzliche oder teilweise Hemmung des Anspruchs schon im Titelverfahren zu berücksichtigen. Die Zwangsstrafe nach § 283 UGB sei keine Kriminalstrafe, keine Strafe iSd Art 6 Abs 1 EMRK. Sie habe Beugecharakter, ein repressiver Charakter des Zwangsstrafenverfahrens in der Fassung des BudgetbegleitG 2011 könne nicht zwingend aus dem Gesetz abgeleitet werden. Die Zwangsstrafe falle daher von vornherein nicht unter § 58 Z 2 IO iVm § 156 Abs 5 letzter Satz IO iVm § 193 Abs 1 zweiter Satz IO, wonach Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art durch den Zahlungsplan nicht berührt würden. Dementsprechend müsste die Zwangsstrafe grundsätzlich vom Zahlungsplan berührt werden. Nach ständiger Rechtsprechung sei der über ein Organ einer Kapitalgesellschaft wegen Verletzung der Offenlegungsvorschriften gemäß § 283 UGB ausgesprochene Zwangsstrafenbeschluss allerdings kein Exekutionstitel. Dies sei erst der im Justizverwaltungsverfahren gemäß § 6 Abs 1 GEG 1962 erlassene Zahlungsauftrag (RIS-Justiz RS0119232). Im ordentlichen Verfahren nach Erhebung eines Einspruchs gegen die Zwangsstrafverfügung könnten außerdem lediglich Begründungen, die die fristgerechte Vorlage oder deren Unmöglichkeit unter Beweis stellten (beides liege nicht vor), zu einer gänzlichen Einstellung des Verfahrens führen. Sei hingegen wie hier eine Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren zu verhängen, so dürfe sie den für die Zwangsstrafverfügung gesetzlich festgelegten Mindestbetrag von 700 EUR nicht unterschreiten. Daraus ergebe sich, dass der Umstand des Vorliegens eines rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans für den mit der Einreichung von Jahresabschlüssen säumigen Liquidator im Firmenbuchverfahren über die Verhängung und insbesondere über die Höhe der Zwangsstrafe (jedenfalls außerhalb des gesetzlichen Strafrahmens) nicht berücksichtigt werden dürfe.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob und allenfalls inwieweit bei der Festsetzung der Höhe der Zwangsstrafe über einen Offenlegungspflichtigen der Umstand zu berücksichtigen sei, dass zu dessen Gunsten ein rechtskräftig bestätigter Zahlungsplan bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Liquidators ist aus dem vom Rekursgericht aufgezeigten Umstand zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber bringt im Wesentlichen vor, es treffe ihn kein Verschulden, er habe durch die Bekanntgabe der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit zur Gänze rechtmäßig gehandelt. Durch die Auflösung der Gesellschaft gemäß § 39 FBG wäre die Gesellschaft auch schon seit längerer Zeit zu löschen gewesen. Die Begründung des Rekursgerichts, dass der Umstand des Vorliegens seines rechtskräftigen Zahlungsplans nicht berücksichtigt werden dürfe, sei nicht nachvollziehbar. Zumindest die drei ersten Fälligkeiten der eingemahnten Jahresabschlüsse lägen vor der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über den Liquidator, sodass diese auch nur nach Maßgabe der Quote zu bedienen wären.

Diese Argumente sind nicht berechtigt.

1. Zum Verschulden des Liquidators an der nicht erfolgten Einreichung der Jahresabschlüsse wird auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen. Überdies besteht nach der Auflösung einer Gesellschaft gemäß § 39 FBG wegen eines nicht eröffneten Insolvenzverfahrens (früher: Konkurses) mangels kostendeckenden Vermögens keine von der Gesellschaft erzwingbare Pflicht des Firmenbuchgerichts, die Gesellschaft gemäß § 40 FBG zu löschen. Mag die Gesellschaft selbst auch aus wirtschaftlichen Gründen an einer Löschung interessiert sein, so dient das Amtslöschungsverfahren dennoch dem öffentlichen Interesse und nicht dem privaten Interesse der Gesellschaft. Diese kann die Einleitung eines amtswegigen Löschungsverfahrens zwar anregen, ein Antragsrecht steht ihr jedoch nicht zu (6 Ob 297/00w).

Überdies ist aus der Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens (Konkurses) mangels kostendeckenden Vermögens noch nicht zwingend auf (vollkommene) Vermögenslosigkeit, die eine Löschung nach § 40 FBG ermöglichen würde, zu schließen. Es kann nämlich noch durchaus verwertbares Gesellschaftsvermögen vorhanden sein, dies jedoch in einem Ausmaß, das für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eben nicht ausreicht.

2. Gemäß § 58 Z 2 IO können Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Gemäß § 156 Abs 5 Satz 2 IO werden die in § 58 Z 2 und 3 IO bezeichneten Forderungen durch den Sanierungsplan nicht berührt.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts sind Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB unter die Geldstrafen iSv § 58 Z 2 IO zu subsumieren.

Bartsch/Pollak, AO (1937) § 27 Anm 8 führen aus, zu den Geldstrafen gehörten gerichtliche, polizeiliche, Gefälls- und Steuerstrafen, weiters Disziplinar- und Ordnungsstrafen, wer immer die Strafe verhänge und wer sie zu fordern habe. Darunter fielen also nicht bloß Forderungen des Bundes, auch solche von Gemeinden oder von privaten Dienstgebern, sofern das Moment der Strafe und nicht ein Schadenersatz das Entscheidende sei. Daher gehörten die nach Dienstvertrag oder Dienstordnung verfallenen Strafen wegen Zuspätkommens, Nichtbeobachtung von Dienstvorschriften wegen Unachtsamkeit oder Störungen als reine Disziplinarstrafen hier her.

Lovrek in Konecny/Schubert, KO § 156 Rz 48 subsumiert unter die Geldstrafen iSd § 58 Z 2 IO auch in einem Verfahren verhängte Ordnungs-, Mutwillens- und Beugestrafen, wenn die zugrundeliegende Handlung ihrer Natur nach mit einer „strafbaren Handlung“ vergleichbar sei.

Feil, IO7 (2010) § 58 Rz 4 meint, das (teilweise) Erlöschen der Geldstrafe mit der Folge des Nichtvollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe wäre auch mit dem Sanktionscharakter einer Strafe nicht vereinbar. So würden Verbots- oder Gebotsnormen gegenüber Personen, bei denen nicht nur vorübergehend Zahlungsunfähigkeit bzw Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe gegeben sei, weitgehend zu leges imperfectae degradiert werden; dh solche Personen könnten sich praktisch sanktionslos über zahlreiche Vorschriften hinwegsetzen.

Der Umstand, dass der erkennende Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung den Charakter der Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB als Beugestrafen betont hat (RIS-Justiz RS0115894 [T5, T6, T10, T11, T12]), steht der Subsumierung der Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB unter die Geldstrafen gemäß § 58 Z 2 IO nicht entgegen. Auch für Beugestrafen gilt nämlich durchaus das von Feil aufgezeigte Argument, dass sie im Fall, dass sie nur mit einer im einstelligen Prozentbereich oder gar im Promillebereich liegenden Quote zu zahlen wären, nahezu jeglichen willensbeugenden Effekt verlören. Solchermaßen würden dann Verletzungen von in den §§ 277 ff UGB normierten Pflichten de facto sanktionslos.

3. Ungeachtet dieser Qualifizierung der Zwangsstrafen als Geldstrafen iSd § 58 Z 2 IO könnte dem Revisionsrekurs im vorliegenden Fall auch aus folgendem Grund kein Erfolg beschieden sein: Gemäß § 196 Abs 1 IO war mit rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans mit Beschluss vom 20. Jänner 2011 das Insolvenzverfahren aufgehoben. Die bekämpften Zwangsstrafen wurden jedoch erst nach dieser Aufhebung des Insolvenzverfahrens verhängt. Sie sind daher von den Wirkungen des früher eröffneten und bereits wieder aufgehobenen Insolvenzverfahrens über den Liquidator nicht betroffen. Daran ändert auch nichts, dass drei von den vier verhängten Zwangsstrafen Jahresabschlüsse betroffen haben, deren Stichtage entweder vor dem Schuldenregulierungsverfahren oder während desselben liegen.

Die Zwangsstrafe nach § 283 UGB sanktioniert nicht ein punktuell begangenes Unrecht, sondern einen rechtswidrigen Dauerzustand, der mit Ablauf der neunmonatigen Frist des § 277 Abs 1 UGB beginnt und erst mit der vollständigen Einreichung des Jahresabschlusses endet. Im vorliegenden Fall begann somit der rechtswidrige Zustand (zum Teil) vor dem Schuldenregulierungsverfahren und dauert noch immer an. Mit den verhängten Zwangsstrafen wurde daher (auch) die rechtswidrige Unterlassung der Einreichung der Jahresabschlüsse nach dem Schuldenregulierungsverfahren sanktioniert. Auch deshalb kann das den Liquidator betreffende Schuldenregulierungsverfahren auf die Zwangsstrafen keinen Einfluss haben.

Dem Revisionsrekurs war somit nicht Folge zu geben.

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